Ein Stadion bewalden? In einem offenen Brief, den DER STANDARD als Gastkommentar veröffentlicht, schlägt Schriftsteller Egyd Gstättner genau das der Stadt Basel vor. Absurdes Theater? Was meint die Klagenfurter Leserschaft?

Fußball im Wald? I werd narrisch!
Foto: Michael Murschetz

Tagwohl, Frau Stadtpräsidentin Dr. Ackermann! Ich bin ein österreichischer Künstler/Kulturvermittler/Kunstinitiator und möchte Ihnen und Ihrer geschätzten Stadt Basel eine temporäre Kunstintervention anbieten.

Seien Sie zuerst versichert: Es kostet Sie gar nichts! Sie müssten mir lediglich drei Monate lang das St.-Jakob-Park-Stadion zur exklusiven Verfügung stellen. Ich würde gerne einen Mischwald aus 300 Bäumen in Ihr Stadion stellen, die ich aus Holland, Deutschland und Italien nach Basel transportieren lassen werde. Drei Monate lang sollen die Baslerinnen und Basler Gelegenheit haben, diesen Wald täglich von 10 bis 22 Uhr bei freiem Eintritt anzuschauen. Im Herbst wird man anhand der Installation sehr schön sehen können, wie sich die Blätter auf den Bäumen verfärben. Ein eindrucksvolles Naturkulturschauspiel! Ein Selbstläufer! (Falls die infolge Entwurzelung traumatisierten Bäume sterben, wird die Installation außerdem ein Mahnmal gegen Klimawandel und Baumsterben!)

Um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen, bin ich gerne zu Kooperationen mit der Art Basel (Honorar an mich!), dem Schauspielhaus Basel (Honorar an mich!), mit dem historischen Museum, mit dem Schmiedenhof Rümelinplatz, mit dem Centre Dürrenmatt und mit gestützten Vereinen des Arbeitsmarktservice bereit.

Ein baumiges Kunstprojekt

Angeregt wurde ich übrigens durch ein uraltes Bild des völlig unbekannten Malers Max Peintner, der in den Siebzigerjahren des Zwanzigsten Jahrhunderts einen Wald, wenn auch keinen Mischwald, in ein Stadion, nämlich ins Wiener Praterstadion gezeichnet hat. (Ich habe – selber Künstler! – den Stadionwald eigenhändig bunt angemalt!)

Denn – aber das wissen Sie, kunstaffin wie Sie sind, Frau Stadtpräsidentin, sicher: Kunst muss polarisieren, polemisieren und provozieren! Sinnhintergrund der temporären Kunstintervention ist es, daran zu erinnern, wie gefährlich fahrlässiger Umgang mit der Natur auch und gerade in Basel sind, denn sonst werden wir, ja wir alle, in hundert Jahren Natur nur noch sehen und erleben können, wenn sie im Museum ausgestellt ist.

Mein baumiges Kunstprojekt bietet Ihnen, sehr geehrte Frau Stadtpräsidentin, darüber hinaus:

· die stete Erinnerung an Joseph Beuys und Christo, der eineinhalb Stunden mein Lehrer war. (Außerdem habe ich ein Jahr Gewerbeschule hinter mir.)

· internationales Aufsehen, das Basel in ein anderes Licht rücken kann.

· ein weltumspannendes Projekt, das über den Kultur- und Kunstbereich hinausgehend der Bewusstseinsbildung, der intellektuellen Auseinandersetzung – und last not least – der Rettung des Planeten dient.

Grenzenlose Begeisterung

Der FC Basel kann seine Europa-League-Heimspiele doch ohne weiteres in Genf, Freiburg, Strasbourg oder am Trainingsplatz nebenan austragen! Wäre es nicht geradezu eine Sternstunde des absurden Theaters, wenn man, um innerhalb der Tribünen einen Wald aufzustellen, außerhalb der Tribünen Tribünen aufstellt! Hat nicht Ionesco gefragt: "Wie könnte ich, da die Welt mir unverständlich bleibt, mein eigenes Stück verstehen? Ich warte, dass man mir es erklärt." Und wenn er dunkel raunt: "Wesen, die in ein Etwas hinausgestoßen sind, dem jeglicher Sinn fehlt, können nur grotesk erscheinen, und ihr Leiden ist nichts als tragischer Spott." – wer wird da nicht sofort an meine Stadionbäume denken? Oder an Marcel Koller und die Spieler des FC Basel?

Sehr geehrte Frau Stadtpräsidentin, ich rechne a) mit Ihrer vorzüglichen Hochachtung, b) mit Ihrer grenzenlosen Begeisterung und c) mit Ihrem unbedingten Kunstwillen! Den überwältigenden Erfolg des Megaprojekts werden Sie nicht nur anhand der Bettenauslastung ermessen können. Es geht um die Imageaufpolierung Ihrer Kommune! Tragen wir doch in das fensterlose Rathaus das Licht der Aufklärung! Bitte antworten Sie schnell und unterzeichnen Sie beiliegenden Vertrag! Mein Angebot gilt nur für kurze Zeit! Merci vielmals!

PS: Derzeit studiere ich ein anderes Gemälde Peintners, in dem ein Flugzeug gegen eine Bergwand zu donnern sich anschickt. Aber darüber mehr beim nächsten Mal! Beim nächsten Projekt! (Egyd Gstättner, 25.8.2019)