Sie haben versucht, ihn zu bezirzen, zu überreden, zu ignorieren oder anzuerkennen, dass man anderer Meinung ist, so US-Ökonom Jeffrey D. Sachs im Gastkommentar. Trumps Böswilligkeit sei grenzenlos – die einzige Alternative für europäische Regierungen sei Widerstand.

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US-Präsident Donald Trump gilt auch beim G7-Gipfel in Biarritz als unberechenbarer Teilnehmer.
Foto: AP / Susan Walsh

Es ist wichtig, Donald Trumps Handlungen als das zu benennen, was sie sind: die persönlichen Entscheidungen eines unmäßigen Individuums und nicht das Ergebnis gesetzgeberischen Handelns oder auch nur des Anscheins öffentlicher Debatten. Die USA leiden 230 Jahre nach Verabschiedung ihrer Verfassung unter einem Alleinherrscher. Trump hat seine Regierungen von allen gesäubert, die wie etwa Ex-Verteidigungsminister James Mattis selbst Statur besaßen, und nur wenige Republikaner im Kongress äußern auch nur gemurmelten Widerspruch.

Selbst wenn Trump nachgibt, brodelt sein Hass. Bei einem Treffen mit dem Präsidenten Xi Jinping auf dem G20-Gipfel im Juni erklärte Trump einen Waffenstillstand in seinem "Handelskrieg" mit China. Doch ein paar Wochen später kündigte er neue Zölle an. Trump war unfähig, seine eigenen Worte umzusetzen, und das trotz der Einwände seiner eigenen Berater. Zuletzt hat ihn ein Absturz auf den Weltmärkten zum vorübergehenden Rückzug gezwungen. Doch seine Aggression gegenüber China wird sich fortsetzen, und sein zügelloses Vorgehen wird Europas Wirtschaft und Sicherheit zunehmend bedrohen.

Hoffen auf Scheitern der EU

Trump versucht aktiv, jedes Land zu brechen, das sich seinen Forderungen widersetzt. Das amerikanische Volk ist nicht so arrogant und unmäßig, aber einige von Trumps Beratern sind es mit Sicherheit. Der Nationale Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo etwa verkörpern beide einen einzigartig arroganten Ansatz gegenüber der Welt, der im Falle Pompeos noch durch religiösen Fundamentalismus verschärft wird.

Bolton besuchte London, um den neuen Premierminister Boris Johnson in seiner Entschlossenheit zu bestärken, die EU mit oder ohne Austrittsabkommen zu verlassen. Trump und Bolton scheren sich keinen Deut um das Vereinigte Königreich, doch sie hoffen fanatisch auf ein Scheitern der EU. Jeder Feind der Union – wie Johnson, Italiens Matteo Salvini und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán – ist daher ein Freund Trumps, Boltons und Pompeos.

Trumps und der Iran

Trump sehnt sich danach, das iranische Regime zu stürzen. Er zapft dabei eine antiiranische Stimmung an, die bis zur Revolution von 1979 und der anhaltenden Erinnerung der US-Öffentlichkeit an die in Teheran als Geiseln genommenen Amerikaner reicht. Seine Feindseligkeit wird durch unverantwortliche israelische und saudische Politiker angeheizt, die Irans Führung aus eigenen Gründen verabscheuen. Doch ist das Ganze für Trump zudem eine hochpersönliche Angelegenheit; für ihn ist die Tatsache, dass sich die iranische Führung weigert, seinen Forderungen nachzukommen, Anlass genug, auf ihren Sturz hinzuwirken.

Den Europäern sind die Folgen amerikanischer Naivität im Mittleren Osten bewusst. Die Migrationskrise in Europa wurde in erster Linie durch die von den USA angeführten gewollten Kriege in der Region verursacht: George W. Bushs Kriege gegen Afghanistan und den Irak und Barack Obamas Kriege gegen Libyen und Syrien. Die USA handelten bei jenen Gelegenheiten übereilt, die Zeche zahlte Europa (der Preis für die Menschen im Mittleren Osten war freilich noch viel höher).

Europas Sicherheitsinteressen

Nun droht Trumps Wirtschaftskrieg gegen den Iran einen noch größeren Konflikt auszulösen. Vor den Augen der Welt versucht er, die iranische Wirtschaft abzuwürgen, indem er ihr durch Sanktionen gegen alle Unternehmen, die mit dem Land Geschäfte tätigen, die Deviseneinnahmen abschneidet. Derartige Sanktionen laufen auf einen Krieg hinaus und stellen einen Verstoß gegen die UN-Charta dar. Und weil sie sich direkt gegen die Zivilbevölkerung richten, stellen sie ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar – oder sollten es zumindest.

Europa hat wiederholt seine Einwände gegen die US-Sanktionen geäußert, die nicht nur einseitig und extraterritorialer Art sind und Europas Sicherheitsinteressen zuwiderlaufen, sondern ausdrücklich gegen das vom UN-Sicherheitsrat einstimmig gebilligte Nuklearabkommen von 2015 mit dem Iran verstoßen. Doch hatten die Regierungen bisher Angst, sie direkt infrage zu stellen.

Das sollten sie nicht. Europa kann den Drohungen extraterritorialer US-Sanktionen in Partnerschaft mit China, Indien und Russland die Stirn bieten. Der Handel mit dem Iran lässt sich problemlos unter Umgehung der US-Banken in Euro, Renminbi, Rupien und Rubel abwickeln. Der Tausch von Öl gegen Waren lässt sich durch einen auf Euro lautenden Abrechnungsmechanismus wie Instex erreichen.

Bösartiger Narzissmus

Tatsächlich sind US-Sanktionen keine glaubwürdige langfristige Drohung. Würden die USA sie gegen den größten Teil der Welt verhängen, wäre der Schaden für die US-Wirtschaft, den Dollar, den Aktienmarkt und die Führungsrolle der USA irreparabel. Die Drohung mit Sanktionen dürfte daher eine Drohung bleiben. Selbst wenn die USA Schritte unternehmen sollten, um Sanktionen gegen europäische Unternehmen zu verhängen, könnten die EU, China, Indien und Russland im UN-Sicherheitsrat dagegen vorgehen, der die US-Politik mit großer Mehrheit ablehnen würde. Sollten die USA eine Sicherheitsratsresolution gegen die Sanktionen mit einem Veto belegen, könnte die UN-Vollversammlung als Ganze die Angelegenheit im Rahmen des "Vereint für Frieden"-Verfahrens aufgreifen. Eine überwältigende Mehrheit der 193 UN-Mitgliedsstaaten würde die extraterritoriale Anwendung der Sanktionen verurteilen.

Die europäischen Regierungen würden, wenn sie Trumps Getöse und Drohungen gegenüber dem Iran, Venezuela, China und anderen nachgäben, die europäische und globale Sicherheit gefährden. Sie sollten anerkennen, dass auch eine deutliche Mehrheit der Amerikaner Trumps bösartigen Narzissmus und sein psychopathisches Verhalten, die eine Welle von Amokläufen und anderen Hassverbrechen in den USA ausgelöst haben, ablehnt. Indem sie sich Trump widersetzen und die internationale Rechtsordnung einschließlich des regelgestützten internationalen Handels verteidigen, können Europäer und Amerikaner zusammen den Weltfrieden und die transatlantische Freundschaft für kommende Generationen stärken. (Jeffrey D. Sachs, Übersetzung: Jan Doolan, Copyright: Project Syndicate, 24.8.2019)