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"The Ark", der erste Band von Patrick S. Tomlinsons loser Trilogie um den Neustart der Menschheit, war ein zwar nicht innovativer, aber doch gelungener Hybrid aus Space Opera und Krimi. Der Nachfolgeband greift nun ebenfalls ein Motiv auf, das im Krimi-Genre überaus beliebt ist: das ungleiche Ermittler-Duo. Einer der beiden ist wieder Detective Bryan Benson, der im ersten Band das Schlimmste (= die Auslöschung der verbliebenen Menschheit) gerade noch verhindert hat. Und sein Partner ist ... sieh da, ein Alien.

Es hat sich nämlich einiges getan in der Zwischenzeit. Drei Jahre sind verstrichen, seit die Arche mit den letzten 25.000 Menschen beim Zielplaneten Tau Ceti G alias Gaia angekommen ist. Inzwischen wurde eine prosperierende Kolonie samt Weltraumfahrstuhl aufgebaut, und langsam kommt die Landwirtschaft in Schwung. Von einem Kontinent, der den Namen Atlantis verpasst bekommen hat, hält man sich vorerst allerdings noch fern – der ist nämlich von einheimischen Intelligenzwesen, den G'Tel, bewohnt. Und noch ist man sich nicht sicher, wie man sich beim Erstkontakt verhalten soll.

Steckbrief der Einheimischen

Die G'Tel kann man sich als großgewachsene Humanoide vorstellen, die als besonderes Gimmick in allen Farben leuchtende "Tintenfischhaut" haben. Außerdem ist ihre Geschlechterverteilung ein wenig kompliziert, was dazu führt, dass uns hier die geschlechtsneutralen SF-Pronomina Nr. 401 bis 405 vorgeschlagen werden: sier für sie plus er, sien für sein plus ihr und so weiter. Was auf den ersten Blick bestechend einfach klingt – allerdings dauert es seine Zeit, bis im Gehirn nicht mehr die automatische Reaktion "Druckfehleralarm" aufleuchtet.

Was ihre Psyche betrifft, sind die G'Tel äußerst menschenähnlich, die kulturellen Unterschiede zu den Menschen bewegen sich innerhalb der Bandbreite, die man von der Erde kennt (bzw. kannte, die Erde ist ja in Band 1 von einem Schwarzen Loch verschlungen worden). Technologisch befinden sie sich auf Steinzeitniveau, doch haben sie bereits die eine oder andere Erfindung gemacht, die ihnen eine vielversprechende Zukunft verheißt. Und sie wissen längst, dass da am Nachbarkontinent jemand Neues angekommen ist: Der Prolog beschreibt die Annäherung der Arche an den Planeten aus den Augen eines solchen Indigenen (der später Bryans Buddy werden wird).

Die Dinge kommen ins Rollen

Wie so oft sind sämtliche behutsamen Planungen aufgrund des menschlichen Individualismus natürlich bald für'n Arsch. Eine Gruppe von Abweichlern rund um Bryans alte Freundin Mei nimmt unerlaubten Erstkontakt zu den G'Tel auf. Also hechelt ihnen rasch eine offizielle Delegation der Kolonie hinterher, um die Begegnung der Kulturen in geordnete Bahnen zu lenken. Die große Zusammenkunft von Kolonisten und verschiedenen G'Tel-Stämmen mündet jedoch in ein Massaker, als ein unbekannter Stamm die Delegierten ohne Vorwarnung attackiert. Timing und Koordination des Angriffs sprechen zudem dafür, dass die Angreifer Unterstützung von menschlicher Seite hatten.

Um das Verbrechen aufzuklären, wird Bryan – offiziell mittlerweile eigentlich so etwas wie der Kolonieminister für Sport und Fitness – als Ermittler beauftragt. Als Partner stellen ihm die G'Tel den Wahrheitssucher Kexx zur Seite, der in ihrer polizeilosen Gesellschaft am ehesten noch den Anforderungen eines Ermittlers entspricht. Und diesen mit seiner Beobachtungsgabe und seiner Besonnenheit – eine gute Ergänzung für den mitunter kindsköpfigen Bryan – auch vollauf gerecht wird.

Parallel dazu geht Bryans Frau Theresa, die neue Polizeichefin der Kolonie, der Frage nach den menschlichen Drahtziehern des Anschlags auf den Grund. Ihre Kapitel folgen der Form des Police Procedural, während Bryans und Kexx' Suche nach dem Stamm der Angreifer zu einer klassischen planetaren Queste wird. Insgesamt handelt es sich bei "Colony" um Old-School-SF, die genau das liefert, was man sich von ihr erwartet.

Spannung, Action und ein paar Gags

Zu erwähnen ist noch, dass Tomlinson Action und Spannung gerne mit einer Dosis Humor auflockert. Die Pointen entspringen dabei zumeist sprachlichen oder kulturellen Missverständnissen zwischen Menschen und G'Tel, aber auch Bryans und Theresas unkonventionellen Ermittlungsmethoden (originell etwa die Idee, eine Geheimnachricht in einer Runde Telefonsex zu verbergen).

Gelegentlich wirkt ein Gag dann auch schon mal konstruiert – zum Beispiel wenn sich Bryan völlig unmotiviert einheimische Nutzpflanzen in den Mund stopft und anschließend fast den Zweitkontakt ruiniert, als er dem Häuptling vor die Füße kotzt. Dass Tomlinson im Zweifelsfall lieber den einen Witz mehr als weniger macht, können wir freilich schon der ersten Seite entnehmen, wo die originellste Widmung seit langem steht: Dieser Roman ist meiner wunderbaren, liebevollen, hilfreichen Freundin Niki gewidmet, da ihre Mutter sehr beunruhigt darüber war, dass ich ihr das letzte Buch nicht gewidmet habe. – Schwiegermama war sicher gerührt.