SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner will den Mindestlohn auf 1700 Euro anheben und verspricht eine Steuerentlastung.

Foto: Der Standard/Hendrich

Die ersten Dreiecksständer mit Wahlplakaten schmücken die Straßen, der Intensivwahlkampf hat begonnen. Sechs Wochen vor der Wahl prescht die SPÖ mit einem Arbeits- und Gehaltspaket vor: Mehr Mindestlohn und weniger Steuern verspricht Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. DER STANDARD hat die Forderungen überprüft.

Frage: Was steht im roten Konzept?

Antwort: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner will den Mindestlohn auf 1700 Euro monatlich anheben. Gleichzeitig sollen die ersten 1700 Euro steuerfrei sein. Davon verspricht sich die SPÖ, dass die Menschen ihre Lebenshaltungskosten besser bewältigen können. Gleichzeitig soll die "Wirtschaft durch Stärkung der Kaufkraft gestützt" werden. Außerdem drängt Rendi-Wagner auf eine schnellere Wirksamkeit des Sozialversicherungsbonus. Dieser wurde von Türkis-Blau beschlossen, soll 2020 kommen, kann aber erst im Nachhinein geltend gemacht werden: Wer mehr als 450 Euro und weniger als 2201 Euro monatlich verdient, soll einen Teil der Krankenversicherungsbeiträge rückerstattet bekommen. Geht es nach der SPÖ, soll diese Steuergutschrift auf Pensionisten ausgeweitet werden und bereits Anfang nächsten Jahres gelten.

Frage: Lohnverhandlungen sind doch Sache der Sozialpartner. Wie kommt der Mindestlohn zustande?

Antwort: In Österreich gibt es keinen gesetzlich festgelegten Mindestlohn. Da allerdings 99 Prozent der Beschäftigten Kollektivverträgen unterliegen, gibt es für nahezu alle Arbeitnehmer einen branchenbezogenen Mindestlohn, der im jeweiligen Kollektivvertrag steht. Dementsprechend will die SPÖ den 1700-Euro-Mindestlohn auch nicht per Gesetz verankern, sondern Empfehlungen an die Sozialpartner abgeben.

Frage: Gab es eine solche Empfehlung schon einmal?

Antwort: Ja, auf Betreiben von Rot-Schwarz haben die Sozialpartner 2017 vereinbart, dass kein Kollektivvertragsabschluss unter 1500 Euro liegen darf.

Frage: Ist die Anhebung sinnvoll?

Antwort: Ein höherer Mindestlohn berge auch die Gefahr, dass Arbeitsplätze verloren gehen können, erklärt Martin Kocher, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS). Das hänge aber davon ab, wie viele Menschen betroffen wären. Seriöse Berechnungen fehlen noch. Kocher schätzt, dass nicht mehr als zehn bis 20 Prozent der Erwerbstätigen diesen Mindestlohn erhalten dürften. Wenn weniger Menschen den Mindestlohn erhalten, überwiegen die Vorteile, denn ein stabiles Lohnniveau lasse "weniger Ausbeutung" zu. Je mehr Beschäftigte den Mindestlohn beziehen, desto mehr sind Arbeitsplätze bedroht. Vereinfacht gesagt rechnet es sich dann eher, in einem Supermarkt eine Selbstbedienungskasse einzurichten, als jemanden anzustellen.

Frage: Wie ist das in anderen EU-Ländern geregelt?

Antwort: In der EU gibt es nur in Luxemburg mit etwa 2000 Euro einen höheren Mindestlohn als in Österreich. Schlusslicht ist Bulgarien, wo der Mindestlohn umgerechnet 260 Euro beträgt.

Frage:Der Mindestlohn soll ja auch steuerfrei sein. Wie viel Steuern zahlt man jetzt für 1700 Euro brutto?

Antwort: Wer heute schon 1700 Euro 14-mal im Jahr verdient, kommt auf ein Bruttojahreseinkommen von 23.800 Euro. Nach dem geltenden Steuertarif sind dafür etwa 1216 Euro Einkommensteuer an das Finanzamt abzuführen – das ergibt einen Durchschnittssteuersatz von fünf Prozent. Bislang sind maximal 11.000 Euro im Jahr steuerfrei.

Frage: Wirkt sich die Steuerentlastung positiv auf die Konjunktur aus?

Antwort: Eine Entlastung führt zu mehr verfügbaren Einkommen und wirkt dadurch konjunkturstärkend, das sagt auch IHS-Chef Kocher. Er verweist aber auch auf die Kehrseite, denn er befürchtet ein "Teilzeitförderprogramm". Teilzeitjobs würden dadurch noch attraktiver werden, was ohnehin schon eine Gefahr für erwerbstätige Frauen darstellt. Außerdem fragt sich der Ökonom, wie eine solche Entlastung finanziert werden könne. Aktuell böte zwar die gute Konjunkturlage Spielraum, langfristig würde aber das Budget belastet.

Frage: Gerade die SPÖ will doch Frauen vor der Armutsfalle im Alter schützen. Teilzeitarbeit wirkt sich da kontraproduktiv aus.

Antwort: Ja, deshalb schlägt Rendi-Wagner vor, die Beitragsgrundlage für Kindererziehungszeiten zu erhöhen. Statt 110 Euro sollen Pensionistinnen 160 Euro monatlich erhalten. Gelten soll das für Männer und Frauen mit Kindererziehungszeiten. Auch derzeitige Pensionistinnen sollen davon profitieren. (Theo Anders, Marie-Theres Egyed, 25.8.2019)