Nach dem Streit über ein Freihandelsabkommen mit den USA, Stichwort Chlorhühner, und dem Tauziehen um einen Pakt mit Kanada war es zuletzt still geworden rund um die europäische Handelspolitik. Der Kanada-Deal ist durch, ein umfassendes Abkommen mit den USA unter Donald Trump undenkbar. Die Ruhe ist jetzt vorbei.

Die Waldbrände im brasilianischen Amazonas-Gebiet haben die Aufmerksamkeit auf einen bisher wenig beachteten Handelsvertrag der EU mit den Mercosur-Ländern Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay gelenkt. Erst Ende Juni einigten sich EU und Mercosur auf die wesentlichen Punkte des Abkommens. Der Pakt scheint politisch aber bereits erledigt zu sein.

Alarmierende Satellitenaufnahmen zeigen die Feuer am Amazonas.

Der Brandstifter in Brasília

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hat beim G7-Gipfel in Biarritz angekündigt, den Mercosur-Deal zu blockieren. Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro sei mitverantwortlich für die Feuer im Amazonas-Gebiet, so Macrons Argument. Unter Bolsonaros Führung habe sich die Zerstörung des Regenwaldes schließlich beschleunigt. Die Feuer würden gelegt, um bisherige Waldflächen landwirtschaftlich nutzen zu können, etwa als Weideland. Bolsonaro fördere dieses Verhalten.

Irlands Premier Leo Varadkar pflichtete Macron bei: "Irland wird keinesfalls für das EU-Mercosur-Abkommen stimmen, falls Brasilien seinen Umweltschutzverpflichtungen nicht nachkommt." Daraufhin stellte EU-Ratspräsident Donald Tusk klar, dass es kein Abkommen geben wird, solange Brasilien die Brände nicht effektiv bekämpft. Für die Umsetzung müssen das EU-Parlament und die Staats- und Regierungschefs jedenfalls zustimmen.

Aber was steckt hinter diesen kritischen Tönen? Das fast 20 Jahre lang verhandelte Mercosur-Abkommen enthält zwei Kernelemente. Die beteiligten südamerikanischen Länder werden ihre Märkte für Dienstleistungen und Industrieimporte aus der EU öffnen. Ein Beispiel: Aktuell erheben die Mercosur-Länder 35 Prozent Zoll auf Autoimporte aus der EU. Dieser soll schrittweise fallen.

Rindfleisch, Geflügel, Zucker

Umgekehrt machen die Europäer Zugeständnisse in der Landwirtschaft. So dürfen die Mercosur-Länder künftig 99.000 Tonnen Rindfleisch pro Jahr zu einem Zoll von 7,5 Prozent in die Union ausführen. Aktuell liegt der Zoll für Rindfleisch bei 40 bis 45 Prozent. Hinzu kommt, dass 180.000 Tonnen Geflügel zollfrei kommen dürfen. Es gibt auch Sonderregeln für Zucker, Reis, Honig und Ethanol.

Der auf Agrarmärkte spezialisierte Informationsdienst Agribusiness Intelligence hat die Auswirkungen dieser Regelungen analysiert. Was demnach groß klingt, ist eher ein Deal mit überschaubaren Auswirkungen. Die Rinderimportquote von 99.000 Tonnen entspricht gerade 1,25 Prozent des Rindfleischkonsums in Europa.

Zudem importiert die EU schon heute deutlich mehr Rindfleisch aus Brasilien und Argentinien. Auch der hohe Zoll hat das bisher nicht verhindert. Künftig können also Landwirte, die ohnehin in Europa verkauft haben, ihr Fleisch billiger anbieten.

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Brasilien ist der weltgrößte Exporteur von Rindfleisch. Mit dem Mercosur-Abkommen werden brasilianische Landwirte in Europa günstiger verkaufen können.
Foto: Reuters

Das bedeutet aber einen höheren Preisdruck für Hersteller in Europa. Hinzu kommt, dass die Union es nicht gewohnt ist, im Agrarsektor anderen Ländern Zugeständnisse zu machen. In den bisherigen EU-Freihandelsabkommen mit Kanada, Japan oder Mexiko war die Interessenlage anders: Hier haben europäische Landwirte Zugeständnisse von den Partnerländern erhalten.

Diese Konstellation führt dazu, dass der Mercosur-Pakt auf viel Widerstand in der Agrarlobby stößt. Besonders in Frankreich und Irland ist die Ablehnung groß, in beiden Ländern ist Rinderzucht ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die Irish Farmers' Association nannte das Abkommen "eine Schande", in Frankreich fordern Vertreter der Landwirte ein Nein zum Abkommen.

Brief an Juncker

Die irische und die französische Regierung haben bereits im Juni in einem Brief an EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gewarnt, dass sie den Mercosur-Pakt ablehnen werden. Der Brand im Amazonas-Gebiet liefert also für Frankreich und Irland ein zusätzliches Argument.

Richtig ist, dass sich die Bestimmungen im Mercosur-Abkommen über das Klima auf Absichtserklärungen beschränken. So verpflichten sich alle Seiten, das Pariser Klimaschutzabkommen umzusetzen. Es gibt ein allgemeines Bekenntnis dazu, Forstwirtschaft nachhaltig zu betreiben. Konkreter wird es aber nicht. Einen Mechanismus, der verhindern würde, dass sich alle zum Paris-Abkommen bekennen, aber keiner etwas dafür tut, gibt es nicht.

Viel Ablehnung aus Österreich

All das war freilich schon vor den Meldungen über die Feuer im Amazonas-Gebiet bekannt. In Österreich übrigens gibt es auch eine breite Front gegen Mercosur: Alle Parteien bis auf die Neos sind dagegen, geht aus Angaben der Parteien auf der Website wahlkabine.at hervor.

Das Mercosur-Abkommen dürfte direkt auch in Südamerika nur begrenzte Auswirkungen haben. Allerdings symbolisieren Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay mit dem Deal, dass sie an Freihandelspakten interessiert sind – und das könnte sie weiteren Staaten näherbringen. So verhandelt Mercosur aktuell mit Kanada. Für Europäer ist das Abkommen interessant, da man damit einen Fuß in Südamerikas Tür hat. (András Szigetvari, 26.8.2019)