Die größte Herausforderung sei es, so Michael Krammer, Brotjob und Ehrenamt gedanklich so unter einen Hut zu bringen, dass man bei beidem jeweils konsequent dranbleibe. "Weil dich Rapid in Wahrheit nie loslässt. Und wenn mal etwas passiert oder man rasch handeln muss, fällt das natürlich meist auf einen Sonntag, während man vielleicht gerade mit dem Hund spazieren geht." Seit 2013 ist Krammer Präsident beim SK Rapid Wien. Während die Geschäftsführung eines Profivereins für das operative Geschäft zuständig ist, ist das Präsidium – vergleichbar mit einem Aufsichtsrat – beratend und kontrollierend tätig.

"Das war eigentlich ein Wahnsinn"

Diese organisatorische Aufteilung wurde beim SK Rapid erst unter der Ägide Krammers tatsächlich verwirklicht. Denn Teil seiner ehrenamtlichen Tätigkeit war neben der Orchestrierung des Stadionneubaus unter anderem die große Strukturreform. "Als ich 2013 das Präsidium übernommen habe, war das Gremium operativ verantwortlich und persönlich für alles haftend, das im Verein passiert ist. Vom Profibetrieb über das Marketing bis hinunter zur U6 mit einem Gesamtumsatz von damals schon mindestens 15 Millionen Euro. Das war eigentlich ein Wahnsinn", blickt Krammer zurück. Teil der Reform war folglich unter anderem die Ausgliederung des Profibetriebs in eine Kapitalgesellschaft inklusive Einsetzung einer Geschäftsführung.

Neben zahllosen Sitzungen rund um Stadionneubau und Strukturreform gehören aber natürlich auch Besuche bei Mitgliederversammlungen und Fanclubtreffen zu den Aufgaben eines ehrenamtlichen Vereinspräsidenten. "Solche Treffen gibt’s in Zwettl genauso wie in Hainburg und in allen anderen Ecken des Landes. Und die meisten dieser Zusammenkünfte finden am Abend oder am Wochenende statt."

Michael Krammer ist ehrenamtlich als Präsident des SK Rapid tätig.
Foto: Red Ring Shots für SK Rapid

Gesellschaftliche Prägung und Identifikation

Eine organisatorische Herausforderung, die Krammer mit den vielen anderen Menschen in Österreich teilt, die sich in ihrer Freizeit und somit ebenfalls nebenberuflich ehrenamtlich engagieren. Ein Engagement, das Krammer sehr zu schätzen weiß. "Wenn man an die Feuerwehren, die freiwilligen Helfer beim Arbeiter-Samariter-Bund oder beim Roten Kreuz denkt und sich das Vereinsleben am Land anschaut – das ist das Fundament unserer Gesellschaft", betont Krammer. Und das gelte ebenso für die zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer bei Österreichs rund 2.200 Fußballvereinen. "Ich komme aus Maria Lanzendorf, mein Vater war beim dortigen Sportclub ehrenamtlich Kassier und Obmann. Dort kümmern sich die ehrenamtlichen Funktionäre vom Pflanzen neuer Bäume über den Bau der neuen Kantine bis hin zur Organisation des sportlichen Betriebs um alles selbst. Das ist heute nicht anders als vor 50 Jahren. Da wird ganz viel Jugendarbeit und Leibeserziehung geleistet, es erfolgt eine gesellschaftliche Prägung und nicht zuletzt wird Jugendlichen Identifikation geboten. Den Wert dieser ehrenamtlichen Leistungen kann man gar nicht hoch genug einschätzen", so Krammer. Auch deshalb unterstützt der SK Rapid andere Institutionen, die soziale und gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen. So engagiert sich der Verein zum Beispiel mit der vor eineinhalb Jahren gegründeten Kinderzukunft gemeinsam mit der Volkshilfe im Kampf gegen Kinderarmut in Österreich.

"Man muss von ganzem Herzen Rapidler sein"

Die Präsidentschaft beim SK Rapid war für den Niederösterreicher "nicht Teil meiner Lebensplanung, immerhin habe ich 2014 auch mein neues Unternehmen gegründet." Als er gefragt wurde, ob er sich das Präsidentenamt vorstellen könne, habe ihn die Aufgabe aber natürlich gereizt. Zumal er bereits zuvor unter anderem Mitglied im Rapid-Kuratorium und in der Reformarbeitsgruppe war. Es folgte ein intensives Gespräch mit seiner Familie, von der Krammer schließlich grünes Licht bekam – "bei einer klaren zeitlichen Begrenzung von sechs Jahren, also zwei Funktionsperioden." Hätte es auch das Präsidentenamt bei einem anderen Verein werden können? "Nein", sagt Krammer ganz klar. "Man muss von ganzem Herzen überzeugter Rapidler sein und ich hatte ja bereits einige Funktionen im Verein inne. Da ist es klar, dass man nicht bei einem anderen Verein Präsident werden kann."

Präsidentschaft endet im November 2019

Mit November 2019 enden die zwei Funktionsperioden, auf die sich Krammer mit seiner Familie verständigt hatte. Danach ist für ihn mit Funktionen beim SK Rapid erstmal Schluss. "Ich bleibe dem Verein natürlich als Fan und Mitglied sowie als Teil des Businessclubs erhalten. Aber ich finde es immer etwas schwierig, wenn es einen neuen Präsidenten gibt und der Vorgänger in einer anderen Funktion weiter im Verein bleibt." Den Verein sieht er für die Zukunft organisatorisch jedenfalls gut aufgestellt. "Dass wir uns als Präsidium nicht ins operative Geschäft eingemischt haben, war von großer Bedeutung. Denn als Präsident ist man nie so tief in der Materie drinnen wie die hauptamtlich verantwortliche Person. Mischt man sich trotzdem ins operative Tagesgeschäft, bestünde stets die Gefahr, dass Halbwissen Ganzwissen vertreibt", so Krammer abschließend. (Philipp Schneider, 30.8.2019)

Michael Krammer (59) engagiert sich im Durchschnitt fünfzehn Stunden pro Woche ehrenamtlich. In den ersten drei Jahren, als Strukturreform und Stadionneubau verwirklicht wurden, war es mehr als doppelt so viel Zeit. Daneben engagierte sich Krammer auch als Elternvereinsobmann sowie in einem Musikverein.

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