Eine heftige Diskussion um eine mögliche maximal erlaubte Miethöhe ist in Berlin entbrannt.

Foto: APA/dpa/Wolfgang Kumm

7,97 Euro – das soll die höchste erlaubte Nettokaltmiete in Berlin sein, geht es nach den Plänen des Senats der deutschen Hauptstadt. Dieser – gebildet aus SPD, Linken und Grünen – hatte im Juni einen generellen "Mietenstopp" beschlossen, der ab Anfang 2020 für fünf Jahre gelten sollte.

Bei welcher Höhe künftig die Grenze gezogen wird, ließ man zunächst offen. Bis zum Wochenende: Da berichteten Berliner Medien erstmals über konkrete Beträge, die direkt aus dem Büro von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) stammen sollen. Demnach sollen ab kommendem Jahr Kaltmieten von maximal 3,42 (für Altbauwohnungen ohne Bad und Zentralheizung) bis maximal 7,97 Euro (für Wohnungen mit Erstbezug ab 1991) möglich sein, je nach Jahr des Erstbezugs und Ausstattung der Wohnung.

"Stoppzeichen setzen gegen Spekulation"

Eine offizielle Bestätigung dafür gab es vorerst nicht. Zu internen Vorgängen gebe es keine Stellungnahme, hieß es am Sonntag.

Am Montag meldete sich Lompscher dann zu Wort und bekräftigte grundsätzlich das Vorhaben, den Anstieg der Wohnkosten mittels Mietendeckel zu stoppen. "Wir wollen ein Stoppzeichen setzen gegen Spekulationen, für leistbare Mieten und eine soziale Stadt", sagte die Linke-Politikerin. Ziel sei, eine sozial gemischte Stadt auch für die Zukunft zu sichern.

Durchschnittliche Nettokaltmiete bei 6,72 Euro

Inhaltlich wollte sie die bekanntgewordenen Punkte aber nicht kommentieren. Die Senatorin betonte, es handle sich um einen "Vorbereitungsstand für einen Referentenentwurf", der nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sei. Zur Ausgestaltung des Gesetzesentwurfes laufe derzeit ein "Arbeitsprozess", in den Experten, Vertreter der Koalition und der Wohnungswirtschaft eingebunden seien.

Laut jüngstem amtlichem Mietspiegel liegt die durchschnittliche Nettokaltmiete in Berlin im Jahr 2019 bei 6,72 Euro. Seit 2000 stieg die Durchschnittsmiete jedes Jahr um 2,8 Prozent, berichtete Lompscher im Mai bei der Präsentation des Mietspiegels.

Neuvermietungen meist über zehn Euro

Neu vermietet werden viele Berliner Wohnungen heute aber zu einer Nettokaltmiete von mehr als zehn Euro, das zeigt ein Blick auf die einzelnen Kategorien des Mietspiegels (Seite 16 in der oben verlinkten PDF-Datei). Bis 15,11 Euro reicht etwa der statistische "Oberwert" bei Neubauwohnungen bis 60 Quadratmeter. In vielen Kategorien liegt dieser Oberwert schon bei mehr als zehn Euro.

Unter acht Euro netto kalt wird in Berlin heute kaum eine Wohnung vermietet, die nicht älter als 30 Jahre ist. Auch Altbauten bis 1918 werden häufig teurer vermietet, zeigt der Mietspiegel.

Die geplante Deckelung bei acht Euro, die für alle vermieteten Wohnungen gelten soll (Ausnahmen: öffentlich geförderter Wohnungsbau, Studenten- und Jugendwohnheime und Neubauten, die erstmalig 2014 bezugsfertig waren), ruft aber nicht nur aufgrund der vergleichsweise tief gezogenen Obergrenze viele Kritiker auf den Plan. "Rechtlich höchst bedenklich, unverhältnismäßig und wirtschaftlich eine Katastrophe", sagt Beatrice Kramm, Präsidentin der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), zu dem Vorschlag. "Unsozial und unseriös" nennt die Pläne der Wohnungsexperte der oppositionellen CDU, Christian Gräff, außerdem wohl verfassungswidrig.

"Angriff auf alle Eigentümer"

Scharfe Kritik kommt naturgemäß auch aus der Immobilienwirtschaft. Der Vonovia-Konzern, größter Wohnungsbesitzer Berlins (der sich unter anderem kürzlich die österreichische Buwog einverleibt hatte), befürchtet Auswirkungen auf seine Geschäfte. Sollten die Pläne Wirklichkeit werden, würden sie die Mieteinnahmen im Jahr 2020 mit 20 bis 25 Millionen Euro belasten, teilte das Unternehmen am Montag mit. Das entspräche rund zehn Prozent der Mieteinnahmen in Berlin und rund einem Prozent der Mieteinnahmen im Konzern.

Man habe außerdem "ernsthafte Zweifel", dass das Einfrieren der Mieten verfassungskonform sei. "Weil sich weniger als zehn Prozent unseres Portfolios in Berlin befinden, sehen wir aber keine materiellen Risiken."

S Immo hat 1900 Wohnungen in Berlin

Betroffen wäre von dem Mietendeckel auch manches österreichische Unternehmen, etwa die s Immo AG. Sie hat derzeit rund 1.900 Wohneinheiten in Berlin, teilt die s Immo auf Anfrage des STANDARD mit. "Unser Wohnportfolio in Berlin besteht zum überwiegenden Anteil aus Objekten im leistbaren Bereich, die im Durchschnitt zu einer Miete von 7,35 Euro pro Quadratmeter vermietet sind", sagt Vorstandschef Ernst Vejdovszky. Der Anteil der Mieterlöse aus Berliner Wohnungen an den Gesamterlösen der s Immo liege "deutlich unter zehn Prozent", man fokussiere in Berlin schon seit einigen Jahren auf das nach wie vor stark wachsende Bürosegment. "Sollte ein Mietpreisdeckel also tatsächlich umgesetzt werden, sind die Auswirkungen auf unser Gesamtportfolio überschaubar."

Man beobachte die aktuellen Entwicklungen sehr genau, es liege aber noch kein konkreter Gesetzesentwurf vor, "daher sind die genauen Auswirkungen auf unseren Berliner Wohnungsbestand zur Zeit nicht abschätzbar". Die Frage der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit "im Sinne der Beseitigung der Wohnungsknappheit" sowie die Frage, inwieweit die jetzigen Überlegungen einer rechtlichen und auch einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten, sei dahingestellt, so Vejdovszky.

Eben jene verfassungsrechtliche Überprüfung kündigte am Montag jedenfalls vorsorglich schon einmal der Präsident des Zentralen Immobilienausschusses (ZIA), Andreas Mattner, an. Er sieht einen "Angriff auf die Branche und alle Eigentümer": "Hier soll Enteignung durch die Hintertür in großem Stil eingeführt werden." Nachsatz: "Wir werden uns wehren."

Auch SPD hat große Zweifel

Denn auch wenn Senatorin Lompscher am Montag ihre Pläne bekräftigte: Ob sie umgesetzt werden, ist nicht so sicher. Denn auch die SPD, die bekanntlich den Regierenden Bürgermeister Michael Müller stellt, reagierte mit Skepsis auf die Vorschläge der Linken-Senatorin. "Wir brauchen keine Schnellschüsse, sondern einen rechtlich überprüften Gesetzesentwurf, der auch vor Gerichten Bestand haben muss", sagte die wohnungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Iris Spranger. "Wir dürfen die Stadt jetzt nicht verrückt machen." Mietern sei nicht mit einer Fülle von Vorschlägen geholfen, die am Ende womöglich keinen Bestand hätten.

Der SPD-Mittelstandsbeauftragte Harald Christ warf Lompscher sogar "Versagen auf ganzer Linie" vor. "Sie ist eine Fehlbesetzung, sie schadet dem Wirtschaftsstandort Berlin, sie muss Platz für Kompetenz und Sachverstand machen und zurücktreten", sagte Christ dem "Tagesspiegel".

Auch der Sprecher der Berliner Genossenschaften, Frank Schrecker, Vorstand der Berolina eG, nannte die Pläne "in höchstem Maße enttäuschend". In der vorliegenden Form wären die Pläne "insbesondere für die sozial orientierten Vermieter Berlins ein Schlag ins Gesicht". Schrecker rechnet mit "gravierenden wirtschaftlichen Schäden" und "Vertrauensverlust in den Rechtsstaat".

Vergleich mit Wien bzw. Österreich

Zum Vergleich: In Wien gilt bei Altbauwohnungen der Richtwert von aktuell 5,81 Euro, wobei als Altbauten Gebäude gelten, die vor 1945 errichtet wurden. Bei diesem Richtwert sind je nach Lage und Ausstattung noch diverse Zuschläge möglich, der bedeutendste davon ist der Lagezuschlag. Er liegt im 1. Bezirk gemäß Lagezuschlagskarte der Stadt Wien bei maximal 12,21 Euro, das heißt, in der Inneren Stadt ist eine Nettomiete von mehr als 18 Euro sozusagen amtlicherseits erlaubt. In den angrenzenden Gebieten der inneren Bezirke beträgt der Lagezuschlag 4,62 Euro, was mit weiteren Zuschlägen locker eine Nettomiete von elf oder zwölf Euro je Quadratmeter hergibt. In definierten Gründerzeitvierteln darf allerdings kein Lagezuschlag verrechnet werden.

Wohnungen in freifinanziert errichteten Nachkriegsbauten können frei vermietet werden. Anders als in Deutschland kann in Österreich allerdings die Miete bei einem laufenden Mietvertrag nur im Ausmaß der Inflationsrate erhöht werden. (Martin Putschögl, 26.8.2019)