Nächstes Jahr kommt "The International" nach Europa – genauer gesagt: Stockholm.

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Am Sonntag war Tag der Entscheidung bei "The International Dota 2 Championships 2019" (TI). Nur noch 3 Teams hatten eine Chance auf den Titel und noch immer waren mehr als zwei Drittel des Preispools nicht vergeben.

PSG.LGD und Team Liquid begannen im kleinen Finale. LGD war die letzte Hoffnung für die chinesischen Fans auf einen Heimsieg. Zum ersten Mal überhaupt findet das TI in China statt, erst zum zweiten Mal überhaupt außerhalb von Nordamerika. Bis 2017 wurden die Siege zwischen westlichen und chinesischen Teams brüderlich geteilt. In ungeraden Jahren gewann stets ein westliches Team, gerade Jahre konnten stets die Chinesen für sich entscheiden.

Dieser Rhythmus wurde von OG voriges Jahr durchbrochen. Zum ersten Mal konnte der Westen zwei aufeinanderfolgende TI für sich entscheiden. Und bereits die erste Partie im kleinen Finale hatte gezeigt, dass die chinesischen Fans mehr als gewillt waren, ihr Team zum Sieg zu schreien.

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LGD scheitert an Team Liquid

Im ersten Spiel lieferte LGDs Captain Xu "fy" Linsen wieder eine absolut makellose Vorstellung mit "Rubick" ab. In den entscheidenden Situationen zeigte er all sein Können und war damit maßgeblich am ersten Sieg in diesem Bo3 beteiligt. Damit wurde Team Liquid nach neun Siegen in Folge die erste Niederlage zugefügt und die Stimmung war am Höhepunkt.

In Spiel Nummer zwei war alles angerichtet für einen Einzug LGDs in das große Finale. In KuroKys 200. TI Match dominierten sie die ersten 30 Minuten der Partie ohne größere Probleme und setzten mit einem riesigen Vorsprung zum finalen Angriff auf Liquids Basis an. Doch Liquid war noch nicht bereit nach Hause zu fahren und zeigte eindrucksvoll, warum sie die letzten Male stets in den Top 4 des TI vertreten waren. Großartiger Teamfight und kluge taktische Entscheidungen führten dazu, dass LGDs Vorsprung völlig egalisiert wurde. Nachdem sie den Angriff von LGD abwehren konnten, waren die Chinesen nicht mehr in der Lage Liquid aufzuhalten. Nach einer Stunde stellten Kuroky und Co. auf 1:1.

Im letzten Spiel der Begegnung hatte Liquid die perfekte Antwort auf LGDs "Faceless Void". Void gilt derzeit als einer der stärksten Helden im Spiel, doch Maroun "GH" Merhej mit seiner "Winter Wyvern" brachte LGDs Hardcarry Wang "Ame" Chunyu zur Verzweiflung. Nachdem Liquid "Ame" das Leben schwer machte, hatte Amer "Miracle" al-Barkawi mit "Wraith King" alle Zeit der Welt um in Ruhe seine Items zu farmen. An der Seite von "w33" fegte "Miracle" durch die Reihen seiner Gegner und der Traum vom Titel auf heimischen Boden war für die Chinesen ausgeträumt. Während in meinem Wohnzimmer beim gemeinsamen schauen gejubelt wurde, war es in der Mercedes Benz Hall in Shanghai plötzlich sehr still geworden. LGD war raus, Liquid stellte sich wie schon 2017 als zu stark heraus.

The International goes Europe

Zwischen dem kleinen und großen Finale gab es dann endlich die Ankündigung auf die viele europäische Dota Fans gewartet hatten. Nachdem das TI nach 7 Jahren heuer das erste Mal wieder außerhalb von Nordamerika in Shanghai stattfand, spekulierten viele, dass Valve auch TI10 nicht in Seattle oder Vancouver veranstalten würde.

Im eingespielten Video waren Ausschnitte von allen vergangenen Finale zu sehen, bis der Ericsson Globe prominent im Bild erschien mit der Überschrift "Stockholm: The International 2020". Die Bürgermeisterin von Stockholm bekundete danach noch ihre Freude, den Zuschlag für die Ausrichtung des TI bekommen zu haben. Damit kommt das International nach 9 jähriger Abwesenheit zurück nach Europa, das erste TI wurde ja auf der Gamescom 2011 ausgetragen.

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OG verlor erstes Spiel knapp

Dann war es soweit, OG und Team Liquid betraten die Bühne. Es war das erste Finale ohne chinesische Beteiligung überhaupt bei einem TI und das ausgerechnet in Shanghai. Im ersten Spiel dominierte Liquid OG im Early und Midgame klar. Nach 35 Minuten holte Team Liquid dann auch die mittleren Baracks, übertrieb es in weiterer Folge aber maßlos. Sie hatten zwar einen großen Vorsprung herausgespielt, doch dürften sie diesen überschätzt haben. Sie blieben zu lange in OGs Basis, was diesen die Möglichkeit gab, sich ins Spiel zurück zu kämpfen.

Sie wehrten den Angriff von Liquid auf die oberen Baracks ab, machten sich anschließend auf den Weg zu "Roshan" und dort machte Liquid den zweiten Fehler. Sie kauften sich nur teilweise ins Spiel zurück und versuchten OG daran zu hindern, sich "Aegis" zu sichern. Dieser Plan ging jedoch gehörig schief und plötzlich war der komplette Vorsprung von Liquid dahin. Die nächsten 20 Minuten war Liquid damit beschäftigt, OGs Angriffe abzuwehren und vieles sah nach einem Sieg für Notail und Co. aus. Es war für Liquid fast unmöglich geworden, OGs Hardcarry Ana auf "Spectre" zu kontrollieren. Nach etwas mehr als einer dreiviertel Stunde gelang es Liquid dann doch, Ana auf die Bretter zu schicken. Allerdings kein großes Problem für OG, Ana hatte Buyback. Da dieser in so einer späten Phase des Spiels allerdings recht teuer ist, wollte Ana ihn wenn möglich zurück halten.

Liquid war auf dem Weg zur Basis von OG, kämpfte sich durch die T4 Türme der Basis und Ana zögerte immer noch mit seinem Buyback. Als er die Gefahr erkannte war es zu spät. Ana kaufte sich zurück doch Liquid ignorierte ihn vollständig. Die T4 Türme waren bereits zerstört und das Hauptgebäude war schutzlos, was Liquid nutzte um den ersten Sieg des Finales für sich zu beanspruchen. Das erste Spiel versprach ein spannendes und packendes Finale, wurde dieses doch als Bo5 ausgetragen. Doch es kam anders.

Liquid ohne "Meepo" chancenlos

"Meepo" hatte im ersten Spiel großen Anteil daran, dass Liquid das Spiel für sich entscheiden konnte. Doch der Held wurde von nun an konsequent von OG gebannt. Ohne ihn hatte Liquid anscheinend kein Rezept mehr gegen OG. Die nächsten 3 Spiele waren so einseitig wie schon lange nicht mehr in einem Finale. Liquid war viel zu statisch mit ihrer Strategie und ihren Picks und hatte keinerlei Möglichkeit OG irgendwie in die Schranken zu weißen.

Spiel 2 dauerte noch etwas länger als eine halbe Stunde, aber in Spiel 3 und 4 wurde Liquid in nur etwas mehr als 20 Minuten von OG abgefertigt. In beeindruckender Manier holt sich OG als erstes Team zum zweiten Mal den Titel bei einem TI und das hintereinander. Der Sieg von OG war also doch nicht nur ein Zufallsprodukt wie viele Kritiker im vorigen Jahr meinten.

Sie haben bewiesen dass sie nun endgültig zu den ganz Großen gehören. Liquid jedoch musste sich heuer mit dem 2. Platz zufrieden geben. Wenn man bedenkt dass sie sich durch das ganze Lower Bracket kämpfen mussten, trotzdem eine mehr als beeindruckende Leistung.

Unspektakuläre Zeremonie für tolles Turnier

Leider schaffte es Valve auch heuer wieder nicht eine Siegerehrung hinzubekommen, die einem Turnier von solch einer Größenordnung gerecht wird. Die Spieler jubeln, machen sich auf dem Weg zur Trophäe, halten diese in die Höhe, Familie kommt auf die Bühne, 10 Sekunden Interview und aus. Ich persönliche würde mir hier seit Jahren eine etwas feierlichere Übergabe der wichtigsten Trophäe in Dota wünschen.

Ansonsten kann die Dota Community wieder auf ein tolles TI zurückblicken. Wie jedes Jahr gab es große Comebacks, einige Überraschungen und einen mehr als verdienten Sieger. Nachdem das TI nächstes Jahr in Stockholm stattfindet wird es auch für Europäer wieder interessanter, dem ganzen Spektakel live beizuwohnen. (Philipp Simmer, 26.8.2019)