Der Herr Ferdinand fährt einen uralten Mazda 323. Baujahr irgendwann in den 1980ern. Durchfallbraun. Der Wagen hat nur ganz wenige Kratzer. Man kennt das Auto inzwischen im Ort, und wer es sieht, rettet sich selbst. Nur Ortsunkundige haben ein Problem damit, dass der Herr Ferdinand auf andere Verkehrsteilnehmer erst reagiert, wenn sie ihm schon auf der Motorhaube sitzen. Bis heute ist noch nichts passiert, was irgendwie von Relevanz wäre. Einmal ist ihm seine eigene Zaunsäule reingelaufen, ein Einkaufswagerl hat einen Rempler bekommen, und im einzigen Kreisverkehr des Ortes kann man manchmal am Zustand der gepflanzten Blumen erkennen, dass der Herr Ferdinand heut schon ausgefahren ist. Die neue Kreuzungssituation überrascht ihn seit zehn Jahren fast schon regelmäßig.

Viele Menschen können auch im hohen Alter noch gut Auto fahren. Aber leider nicht alle. Doch wie bringt man ihnen am besten bei, dass es ab nun sicherer ist, das Auto stehen zu lassen?
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Auf sein Unvermögen angesprochen, antwortet er – leise und zittrig, aber doch energisch –, dass er ein sehr guter Autofahrer sei, seit mehr als 60 Jahren unfallfrei unterwegs und wer sonst das noch von sich behaupten könne. Zudem fahre er nur sehr langsam – was stimmt, und was bei Fremden auch zu ziemlich gefährlichen Überholmanövern führt – und eh nicht weit. Zweimal in der Woche zum Supermarkt und ebenso oft zum Heurigen führt er sein Auto aus. Auf dem Beifahrersitz befindet sich stets seine Frau. Auch sie unterstreicht auf Nachfrage die hohe Eignung ihres Mannes zum Autofahren. Außerdem, anders könne man das Leben kaum bestreiten. Die Kinder kümmern sich nicht, einkaufen geht halt nicht anders, und die paar Heurigenbesuche – was bleibt einem denn sonst im Leben? Natürlich haben die Nachbarn schon Hilfe angeboten und versucht, auf den Herrn Ferdinand einzureden, aber nichts will fruchten.

Nicht wollen, aber sollen

Recht anders ist die Sache bei Franz. Er will eigentlich gar nicht mehr fahren. Ja, runter in seinen Wald, mit dem Traktor am Hof oder mit dem Moped zum Fischen. Er ist dabei auf seinen eigenen Feldwegen unterwegs. Wenn es hochkommt, schaffte er aus eigenem Antrieb in der Woche ein paar hundert Meter auf der öffentlichen Straße. Er war Berufsfahrer, ist seit einigen Jahren in Pension und will eigentlich nur seine Ruhe. Jetzt investiert er seinen ganzen Charme, um seine Frau zu überzeugen, dass sie den Weg zu den Enkerln doch mit dem Zug viel besser bewältigen könnte. Dann braucht er sie nur zum Bahnhof zu führen und wieder abholen. Aber immer gelingt es ihm nicht. Seinen Führerschein würde er nicht abgeben, aber fahren, das will er eigentlich nicht mehr, auch wenn er das noch sehr gut macht. Aber seit der Straßenverkehr so zugenommen hat, die Leute noch mehr drängeln und schneiden, macht ihm das Autofahren keinen Spaß mehr. Die Kinder sehen die Sache entspannt, wissen, dass der Franz noch gut fährt und schätzen seine Mobilität mehr als er selbst. Eben weil er dann die Oma auch einmal außertourlich bringen oder das Enkerl von der Schule abholen kann.

Vor allem bei Dunkelheit und schlechtem Wetter fahren ältere Menschen ungern. Ist das schon ein Hinweis darauf, dass sie es besser sein lassen sollten, oder ein Fingerzeig dafür, dass sie dank der Erfahrung Gefahren richtig einschätzen?
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Der Hans hat auch keine weiten Wege vor sich. Er hat seine Wohnung in der Stadt kurz nach der Pensionierung aufgegeben und wohnt nun auf dem Land, wo er sein Wochenendhaus zum Hauptwohnsitz umfunktioniert hat. Nach Wien fährt er mit den Öffis, in Wien selbst sowieso. Nur die Wege auf dem Land, die schafft er nicht alle mit dem E-Fahrrad. Sein Traum: ein Mopedauto. Mehr brauche er nicht. Wenn er mehr führen muss, als in diesen Kleinstwagen geht, nimmt er ohnedies den Traktor. Mit diesem aber zum Einkaufen oder zum Essengehen zu fahren, das fällt ihm dann doch nicht ein. Aus dem Traum mit dem Microcar will aber nicht so recht was werden. Seine Frau Edeltraud hat sich schlau gemacht und findet das Auto nicht sicher genug. "Brauch nur was sein", sagt sie, und macht dabei große Augen. Der Hans und seine Frau fahren jetzt die meiste Zeit mit dem Taxi, selten mit dem Traktor und fast nie mit dem Wagen, den der Hans noch hat. "Natürlich ist das Taxifahren auf dem Land teuer und man muss immer eine halbe Stunde, manchmal eine Stunde warten, bis es da ist", sagt seine Frau, "aber wenn man das mit der Anschaffung eines neuen Autos gleichrechnet, können wir lange Taxi fahren. Und Zeit haben wir jetzt im Alter sowieso genug. Hektisch war es eh lange genug." Die Kontrolle über den Führerschein vom Hans, die hat übrigens auch die Edeltraud. Sie verwahrt ihn sicher und rückt ihn nur raus, wenn es wirklich notwendig ist.

Gott lenkt

Schauen wir zum Schluss noch zum Toni. Weißer Ford Fiesta. Schrammen überall. Heute ist er grantig, weil er schon wieder Strafe zahlen muss. Völlig ungerechtfertigt. Die Ampel war höchstens Dunkelgrün. Das passiert ihm jetzt öfters. Und auch ein stehendes Auto ist ihm schon reingefahren. Dass er den Führerschein freiwillig abgibt? Keine Chance. Dann würde sich sein Leben nicht mehr lohnen. Er erinnert mich an einen Pfarrer, der einst in der Südsteiermark lebte. Man sagte von ihm, dass er Gas gebe und darauf vertraue, dass Gott wohl lenken würde. Er betreute mehrere Gemeinden, und seine Schäfchen begannen sich ob seiner Fahrweise langsam Sorgen zu machen. Man bot ihm an, ihn zu führen, wenn er nur endlich das Autofahren ließe. Lustig war noch die Sache, als er zu spät zur Messe kam, weil er mitten auf dem Hügel des Kreisverkehres festsaß und ohne Hilfe nicht mehr runterkam. Weniger lustig war, als er einmal zu spät kam, weil er eine Frau anfuhr. Es war nicht sein erster Unfall mit Personenschaden. Aber es war sein letzter. Ihm wurde der Führerschein entzogen. Darüber waren dann übrigens auch seine Kinder sehr froh. Aber das ist jetzt eine vollkommen andere Geschichte, die hier nicht hergehört.

Wann, finden Sie, ist es Zeit, den Autoschlüssel für immer abzugeben? Werden Sie im Alter vernünftig genug sein und nicht mehr fahren, wenn es Ihre Sinne nicht mehr erlauben? Oder wird sich die Frage dann eh nicht mehr stellen?
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Wie geht es Ihnen, wenn sei dem Nachbarn, dem Opa, dem Onkel ans Herz legen wollen, nicht mehr Auto zu fahren? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Was hat gefruchtet, welche Argumente liefen ins Leere? Sollte der Gesetzgeber hier eingreifen? Erzählen Sie uns Ihre Erfahrungen und wie Sie das gerne geregelt hätten. Und können Sie schon abschätzen, wie Sie im Alter reagieren werden? Oder fahren wir dann eh schon autonom? (Guido Gluschitsch, 5.9.2019)