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Der grüne Bundessprecher Werner Kogler präsentierte am Montag im Wiener Volksgarten ein dichtes Wahlprogramm.

Foto: Reuters/Foeger

Fünfzehn Kapitel, 82 Seiten und 250-mal das Wort Klima. Am Montag wurde im Wiener Volksgarten das grüne Wahlprogramm präsentiert. Nicht nur bei der Wortanzahl, sondern auch optisch steht der Klimaschutz im Mittelpunkt des dicht bedruckten Heftes: In jedem Kapitel gibt es giftgrüne Infoboxen, mit denen Querverbindungen aller anderen Themen zum Klimawandel hergestellt werden. Im Gesundheitskapitel wird auf die grassierenden Hitze-Todesfälle hingewiesen, im Rahmen der Frauenpolitik heißt es, die fossile Energiewirtschaft sei "übrigens stark männlich dominiert". Parteichef Werner Kogler sagt: "Die Grünen sind eine Vollsortimentpartei." Der gegenwärtigen Popularität des Klimaschutzes bei den anderen Parteien traut Kogler nicht so recht über den Weg: "Die keppeln uns jetzt alles nach, aber schauen wir einmal, was das dann wirklich heißt."

Viele Forderungen des grünen Wahlprogramms sind bereits bekannt. So schwebt der Partei ein von Experten geleiteter "Klimacheck" bei allen neuen Gesetzen, Verordnungen und Infrastrukturplänen vor. Für andere Vorschläge hat man sich neue Begriffskombinationen ausgedacht, die das Wort "Klima" beinhalten. Dass die umweltschädlichen Steuerbegünstigungen bei Diesel und Heizöl abgebaut und staatliche Subventionen des Straßenverkehrs zurückgefahren werden sollen, bezeichnen die Grünen dementsprechend als "Klimakassasturz".

CO2-Steuern und Umweltzölle

Um umweltverschmutzende Produktionsweisen preislich weniger attraktiv zu machen, werben die Grünen für die Einführung eines CO2-Mindestpreises, also eine CO2-Steuer. Die Besteuerung externer Effekte, um damit Kostenwahrheit zu erreichen, sei "ein Grundprinzip der Marktwirtschaft". Das will Kogler auch den "türkisen Schnöseln ins Stammbuch" schreiben, die sich gegen die Einführung der CO2-Steuer sträuben.

Kogler bemühte sich auch, die Unterschiede grüner und pinker Konzepte herauszuarbeiten, die sich ja beide eine Ökologisierung des Steuersystems auf die Fahnen heften. Beim Neos-Modell kritisierte Kogler, dass dort eine Abschaffung der Normverbrauchsabgabe (Nova) geplant ist. Keine gute Idee, wenn es nach dem Grünen-Chef geht, denn die Nova sei ein gutes Instrument, um besonders spritfressende Fahrzeuge zu verteuern. Eher müsse man die Nova künftig noch stärker zu Lenkungszwecken nutzen, wie es im grünen Wahlprogramm heißt: "Durch eine stärkere Spreizung der Nova nach CO2-Ausstoß sollen E-Fahrzeuge gegenüber Verbrennern gefördert werden."

Mit den Einnahmen aus dieser Steuer sollen im Gegenzug eine Entlastung des Faktors Arbeit und ein "Öko-Bonus" finanziert werden. Jeder Bürger würde auf diese Weise 500 Euro jährlich ausbezahlt bekommen, rechnen die Grünen vor. Auf den Monat umgelegt sind das 42 Euro. In diesem Zusammenhang findet sich auch ein weniger bekannter Programmpunkt, nämlich die Einführung von Zöllen an der EU-Außengrenze, sofern die Importprodukte CO2-intensiv erzeugt wurden.

Mindestlohn von 1.750 Euro – per Gesetz

Bei der Lohnpolitik ist man sich in den Grundzügen mit der SPÖ einig. Mit 1.750 Euro liegt der von den Grünen gewünschte Mindestlohn um 50 Euro höher als der sozialdemokratische. Allerdings sind die Grünen für eine gesetzliche Verankerung, während die SPÖ auf die Kollektivvertragsverhandlungen der Sozialpartner setzt.

Auf indirekte Weise können auch prekär lebende Künstler zum 1.750-Euro-Mindestlohn kommen, sofern sie nicht selbst schon genug Einkommen erzielen. Hier ist allerdings das staatliche Budget für die Aufstockung des Künstlergehalts zuständig. Das grüne Konzept "sieht finanzielle Zuwendungen an im Inland pflichtversicherte Künstler bis zu einer maximalen Höhe von monatlich 1.750 Euro vor, wenn sie aus eigener Leistung weniger als diesen Betrag zwölfmal im Jahr erwerben können".

900 Euro bedingungsloses Grundeinkommen für Pensionisten

Die Generation der über 65-Jährigen – derzeit keine Hochburg der Grünen-Wählerschaft – will die Partei mit der Einführung einer steuerfinanzierten "Grundpension" in Höhe von 900 Euro ködern. Sprich: einem bedingungslosen Grundeinkommen für Pensionisten, denn "jene Gelder, die über Beitragsleistungen erworben wurden, werden dazugerechnet", heißt es im Wahlprogramm.

Ansonsten wird das Grundeinkommen als heikler Punkt sprachlich umschifft. An einer Stelle wird etwa eine "grüne Grundsicherung" gefordert, die jedoch recht schwammig beschrieben wird. Jedenfalls soll durch diese neue Sozialleistung die Mindestsicherung beziehungsweise die Sozialhilfe neu ersetzt werden. Im Rahmen eines problembezogenen "Fahrplans haben die Betroffenen individuellen Anspruch auf soziale Absicherung" in Höhe der Armutsgefährdungsschwelle – diese liegt gegenwärtig bei einem Einkommen von 1.015 Euro im Monat. Wie lange dieser "Fahrplan" währt, wird jedoch nicht näher ausgeführt. Auch die einige Zeilen später getätigte Formulierung, wonach die grüne Grundsicherung "bedarfs- und lebenslagenorientiert" sei, verbleibt im Raum des Unkonkreten.

Handwerk und Gewerbe

Zusätzlich finden sich einige überraschende Überlegungen im neuen Programmheft. Im Zuge einer regionalökonomischen Nachhaltigkeitsstrategie wünschen sich die Grünen etwa "eine Belebung des Handwerks". Handwerklichen Betrieben müsse in Zukunft durch die Förderung kleinräumigerer Wertschöpfungsketten wieder mehr Anerkennung zuteil werden, schreiben die Programmautoren.

Die Äußerungen zur Gewerbeordnung sind hingegen von einer wirtschaftsliberalen Diktion geprägt, die man so von den Grünen nicht kennt: "Bei der Entrümpelung der Gewerbeordnung sagen wir: Schluss mit Berufsverboten aus Zunftwesen und Ständestaat. Der Zugang zu rund der Hälfte der reglementierten Gewerbe kann vollkommen freigegeben werden." Zudem soll die Untergrenze der Umsatzsteuerpflicht bei Kleinunternehmen von 30.000 auf 50.000 Euro angehoben werden. (Theo Anders, 26.8.2019)