Die Fünf-Sterne-Bewegung friert die Regierungsverhandlungen mit den oppositionellen Sozialdemokraten (PD) ein. Ein Abkommen sei zwischen beiden Parteien noch in weiter Ferne. Solange es nicht zu einer klaren Zusage des PD zu Premier Giuseppe Conte als Regierungschef komme, habe es keinen Sinn weiterzuverhandeln, verlautete aus Fünf-Sterne-Kreisen am Dienstag.

Eine neue Gesprächsrunde zwischen beiden Parteien, die am Dienstagvormittag geplant war, wurde abgesagt. "In einer derart heiklen Phase für Italien können wir keine Zeit verlieren. Im PD hat man jedoch noch unklare Ideen. Man spricht von der Verteilung der Ministerien, nicht über das Regierungsprogramm. So geht es nicht", hieß es in einer Presseerklärung der Fünf Sterne.

Frist verlängert

Fünf Tage Zeit für Verhandlungen hatte Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella den Parteiführern nach seiner ersten Sondierungsrunde in der vergangenen Woche gegeben: Bis zum Dienstag, so forderte er zuerst, erwarte er ein Bekenntnis zu einer neuen Koalition mit einem klaren Programm für die restlichen dreieinhalb Jahre der Legislaturperiode. Montagabend verlängerte er die Frist bis Mittwoch. Am Dienstagnachmittag beginnt Mattarella Konsultationen mit den im Parlament vertretenen Kräften.

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Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella hat dieser Tage das Heft in der Hand.
Foto: Reuters / Remo Casilli

Gibt es kein Ergebnis, bleibt nur ein Ausweg: Auflösung des Parlaments und Einsetzung einer Übergangsregierung, die das Land bis zu Neuwahlen im Oktober oder November führen wird. Wie es in Rom nun weitergeht, liegt allein in der Hand des 78-jährigen Sizilianers aus Palermo.

Fest steht, dass sich Mattarella nicht auf einen faulen Kompromiss zwischen der schon bisher regierenden Fünf-Sterne-Bewegung und dem bisher oppositionellen sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) eingelassen hätte, der einzig darauf abzielt, die von Lega-Chef und Noch-Innenminister Matteo Salvini geforderten Neuwahlen zu vermeiden. Die Gefahr, dass eine solche Regierung bei der erstbesten Schwierigkeit – etwa bei der Erstellung des Budgets für 2020 – gleich wieder zerbrochen wäre, sei viel zu groß.

Verfassung macht die Regeln

Aber der Staatspräsident wird sicher auch nichts unversucht lassen, die Legislaturperiode nach dem Platzen der bisherigen Regierung aus Fünf Sternen und rechtsnationaler Lega noch zu retten. Mattarella wird sich nicht für die eine bestimmte Lösung starkmachen: Der stets zurückhaltende und diskrete Christdemokrat versteht sich als Schiedsrichter, als Unparteiischer, der einzig über die Einhaltung der Regeln wacht. Und die Regeln sind in der Verfassung festgeschrieben.

Die Aufgabe des Staatsoberhaupts wird keine einfache sein: Am Vorabend der entscheidenden Gespräche war von der von ihm geforderten stabilen Koalition mit klaren Ideen noch wenig zu erkennen. Die Parteien hatten die knappe Zeit für taktische Spielchen und ein Feilschen um Posten benutzt. Der größte Knackpunkt blieb bis zuletzt das Amt des Ministerpräsidenten: Fünf-Sterne-Politikchef Luigi Di Maio bestand darauf, dass der bisherige Premier Conte auch der neue sein müsse. PD-Chef Nicola Zingaretti bestand dagegen auf einer inhaltlichen und personellen "Diskontinuität" – denn sonst werde der Anschein erweckt, dass der PD bloß ein "Reserverad" sei, nachdem Salvini Conte de facto zum Rücktritt gedrängt hatte.

Der Weg zu einem Regierungspakt sei noch "steil", hieß es Montagabend aus der Zentrale der Sozialdemokraten nach einem mehrstündigen nächtlichen Verhandlungsmarathon. Die Fünf-Sterne-Bewegung macht Druck, damit es zu einer Einigung kommt: "Unsere Geduld ist nicht unerschöpflich, Italien braucht eine Regierung", erklärten deren Spitzenpolitiker.

Nicht nur Personalie Conte

Doch die Probleme gingen freilich tiefer als der Streit um die Personalie Conte. Bis vor wenigen Tagen gebärdeten sich die beiden möglichen Regierungspartner noch als politische Erzfeinde. Sowohl Di Maio als auch Zingaretti standen deshalb einer Koalition von Beginn an skeptisch gegenüber. Nun scheint deren Zustandekommen tatsächlich gescheitert.

Wie wenig Di Maio an einer Regierung mit den Sozialdemokraten gelegen war, zeigte er in diesen Tagen demonstrativ, indem er mit seiner Freundin Badeferien machte, statt sich an den Verhandlungen zu beteiligen. Das Einzige, was Zingaretti und Di Maio verbindet, ist der Wunsch ihrer Abgeordneten und Senatoren, die von Salvini geforderten Neuwahlen zu vermeiden: Den meisten von ihnen droht bei einem neuen Urnengang die Abwahl.

Salvini bietet Di Maio Job an

Hinzu kam ein politisches Störmanöver Salvinis: Er schlug Di Maio plötzlich eine Neuauflage der alten Koalition vor, die er noch vor wenigen Tagen mit der Begründung hatte platzen lassen, dass man mit den Grillini nicht zusammenarbeiten könne. Salvini, der zu Wochenbeginn einen kleinen Umfrageabsturz von fünf Prozentpunkten hinnehmen musste, bot Di Maio sogar den Posten des Premiers an.

Dass der 32-jährige Di Maio Ministerpräsident wird, ist aber eher unwahrscheinlich: Der abtretende Regierungschef Conte hat einer neuen Hochzeit von Fünf Sternen und Lega eine Absage erteilt. Aber prinzipiell ausgeschlossen ist in Rom gar nichts. (Dominik Straub aus Rom, 27.8.2019)