Premierministerin Viorica Dancila beim Parteitag ihrer Sozialdemokraten.

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Bukarest – Rumäniens Regierungskoalition zwischen den postkommunistischen Sozialisten (PSD) und den Linksliberalen (Alde) ist nach vier Jahren geplatzt: Der Parteivorstand des Juniorpartners Alde machte am Montagnachmittag angesichts seines vor knapp zwei Wochen gestellten Ultimatums Ernst und stimmte geschlossen für die Aufkündigung des Koalitionsvertrags.

Alle vier Alde-Minister würden Dienstagfrüh geschlossen zurücktreten, er habe Regierungschefin Viorica Dăncilă bereits davon unterrichtet, teilte Alde-Chef Călin Popescu-Tăriceanu mit.

PSD riskiert Minderheitsregierung

Die PSD beschloss auf einer Krisensitzung, mit einem Minderheitskabinett weiterzumachen. Der Schritt ist hochriskant, da die Partei im Alleingang in keiner der beiden Parlamentskammern die Mehrheit hält.

Dăncilă zeigte sich hochenttäuscht vom Beschluss des Juniorpartners, dem sie "Verantwortungslosigkeit und Feigheit" vorwarf. Ihre Partei werde trotz allem weiterregieren, "um das bei der Parlamentswahl 2016 in uns gesetzte Vertrauen der Rumänen nicht zu enttäuschen". Die Alde-Abgeordneten forderte sie sogar durch die Blume auf, ihre Regierung "trotz des Beschlusses einiger Alde-Spitzenpolitiker in puncto Koalitionsende" weiter zu unterstützen.

Popescu-Tăriceanu konterte prompt: Er wünsche Dăncilă "viel Erfolg", jedoch werde die Alde "ab sofort als Oppositionspartei jeden Misstrauensantrag gegen diese Regierung mittragen". Fast zeitgleich kündigte der Vorsitzende der Nationalliberalen (PNL), Ludovic Orban, einen baldigen Misstrauensantrag an, um "diese toxische Regierung endlich loszuwerden", während der Chef der bürgerlichen USR, Dan Barna, Dăncilă zum sofortigen Rücktritt aufforderte.

In 45 Tagen findet Vertrauensabstimmung statt

Die Regierungschefin muss nun als Erstes kommissarische Minister anstelle der ausgeschiedenen Alde-Minister ernennen und sich in spätestens 45 Tagen mit ihrem neuen Kabinett einer Vertrauensabstimmung stellen. Diese dürfte für ihre Regierung hochriskant werden, da die PSD nach dem Abgang der Alde nun in keiner der beiden Parlamentskammern mehr die Mehrheit hält.

Ausschlaggebend werden daher die Stimmen der Abgeordneten des Ungarnverbands (UDMR) sowie der Minderheitenfraktion sein. Zwar hatte der UDMR-Fraktionschef im Unterhaus, Attila Korodi, bereits in den vergangenen Tagen verdeutlicht, dass sein Verband "eine PSD-Minderheitsregierung unter keinen Umständen mittragen" werde, allerdings wäre ein Umdenken des UDMR durchaus denkbar, sollte Regierungschefin Dancila ihm verlockende Zugeständnisse in puncto Kommunalpolitik, Subventionen oder Rechte der ungarischen Minderheit machen.

PSD-Generalsekretär Mihai Fifor sagte am Montagabend, man werde "mit allen und jedem verhandeln", um weiterregieren zu können, schloss aber auch eine baldige Zukunft in der Opposition nicht aus.

Alde will Bündnis mit Kleinpartei Pro Romania

Popescu-Tăriceanu will nach eigenen Angaben zu Beginn der neuen Sitzungsperiode des Parlaments als Präsident des Oberhauses zurückkehren und mit seiner Partei den Weg in die Opposition antreten, um mit der oppositionellen Kleinpartei Pro Romania des früheren Premierministers Victor Ponta ein Wahlbündnis einzugehen. Der ehemalige Staatspräsident Traian Băsescu, der sowohl mit Popescu-Tăriceanu als auch mit Ponta zahllose politische Kämpfe ausgefochten hatte, bezeichnete das neue Bündnis prompt als "Allianz zweier Schlitzohren".

Der Haussegen in der Regierung war schon seit Wochen schiefgehangen, da sich die Koalitionspartner wegen der Mitte November anstehenden Präsidentenwahl zunehmend in die Haare geraten waren: Sowohl PSD als auch Alde beanspruchten die Rolle des Herausforderers von Amtsinhaber Klaus Johannis für sich – die Alde unter Verweis auf Popescu-Tăriceanus bessere Umfragewerte, die PSD unter Verweis auf das Wahldebakel der Alde bei der Europawahl, wo Letztere kläglich an der Fünfprozenthürde gescheitert war.

Kein gemeinsamer Kandidat

Nachdem die PSD am Wochenende Dăncilă offiziell als eigene Präsidentschaftskandidatin aufstellte und damit Popescu-Tăriceanus Ambitionen auf die Position des gemeinsamen Spitzenkandidaten der Koalition eine klare Abfuhr erteilte, versetzte die Alde der Regierungskoalition nun am Montag unter Verweis auf ihr jüngstes Ultimatum den Todesstoß.

Vor knapp zwei Wochen hatte Popescu-Tăriceanu die Regierung als "impotent" bezeichnet und eine Reihe von Bedingungen gestellt, um die Koalition nicht platzen zu lassen – darunter eine Verschlankung von Dăncilăs behäbigem Kabinett und die Revidierung des noch aus der Feder des inzwischen inhaftierten Ex-PSD-Chefs Liviu Dragnea stammenden Regierungsprogramms. Dăncilă hatte die Alde-Bedingungen jedoch allesamt abgelehnt.

Die 55-Jährige berief nach Popescu-Tăriceanus Ankündigung des Koalitionsendes eine Krisensitzung des PSD-Vorstands ein, auf der nun eruiert werden soll, ob mit einer Minderheitsregierung weitergemacht wird oder ob für die in sämtlichen Umfragen im Sturzflug begriffene Regierungspartei nicht etwa ebenfalls der Weg in die Opposition vorzuziehen wäre. (red, APA, 26.8.2019)