Brot ist nicht Brot: Im Lesachtal werden seit jeher ganz besondere Brotbackbräuche gepflegt. Das Wissen darüber wurde an Jugendliche weitergegeben.
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Brotbacken ist eine Kunst. Und im Lesachtal – das das Kärntner und Osttiroler Gailtal verbindet – eine ganz besondere. Das weiß man spätestens seit 2010, als die Unesco die Lesachtaler Brot-herstellung auf die Liste der schützenswerten immateriellen Kulturgüter setzte. Das gab den Lesachtalern, seit eh und je sehr traditionsbewusst, neuen Ansporn, regionales Wissen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Das gelang auch mit dem Projekt "Brotzeit", unterstützt durch das Sparkling-Science-Programm des Wissenschaftsministeriums: Über zwei Jahre – von 2015 bis 2017 – haben Forscher und Forscherinnen der Universität Klagenfurt mit Schülern und Schülerinnen der Neuen Mittelschule Lesachtal und der HWL Hermagor die traditionelle Brotherstellung des Lesachtales erforscht, erkundet und dokumentiert.

Unterstützt wurden sie dabei von vielen Kulturvereinen des Lesachtales. "Zudem gab es aktive Lehrer und engagierte Direktoren, wodurch das Projekt auch gut in den Unterricht integriert werden konnte", sagt Projektleiter Gerhard Strohmeier von der Alpe-Adria-Universität Klagenfurt, der dort die Abteilung Stadt, Region und räumliche Entwicklung leitet. Das Engagement hat sich gelohnt: Im Oktober wird das "Brotzeit"-Projekt von der Unesco mit einer "Best practice"-Würdigung ausgezeichnet.

Gelebte Alltagsgeschichte

Die Schüler und Schülerinnen haben in dem Projekt so etwas wie "Aktionsforschung" betrieben. Sie erfuhren durch Oral-History-Interviews nicht nur Wissenswertes über die regionale Kultur der Brotherstellung, sondern sie erlebten durch die Zusammenarbeit mit älteren Zeitzeugen und -zeuginnen auch interdisziplinär lebendige Alltagsgeschichte. Konkret heißt das: Alte Bräuche und Produktionsmethoden des Pflügens, Säens und Erntens wurden nicht nur erfragt und protokolliert, sondern die Forscherteams waren auch bei fast allen Arbeiten selbst mit dabei. Zu Hilfe kamen ihnen dabei auch neue Initiativen: Der bäuerliche Getreideanbau, der im Lesachtal in den 1960er-Jahren sanft entschlafen war, wird heute, nicht zuletzt wegen der Vermarktung des "Lesachtaler Brotes" als traditionsreiches Regionalprodukt, wieder praktiziert.

Die Jungforscherinnen und -forscher besuchten Mühlen im ehemaligen "Tal der 100 Mühlen" und buken dann auf Bauernhöfen selbst das Brot. Sie erfuhren vom richtigen Ansetzen des Sauerteiges und vom Anpassen der von Haus zu Haus unterschiedlichen Gewürzmischungen aus Salz, Kümmel, Anis, Koriander, Fenchel und Bockshorn-, auch "Schabizgerklee" genannt. Vermittelt wurde das richtige Kneten ebenso wie das typische Einritzen des obligatorischen Kreuzes und der hauseigenen Erkennungszeichen auf am Teig der Brotlaibe.

Backtricks: Papiertest und Klopfmethode

Auch den Lesachtaler Brotöfen, aufgemauert neben den Bauernhäusern und durch internationale Kulturforscher bis nach Japan bekannt gemacht, galt besonderes Interesse. Dokumentiert wurden etwa Methoden für das Abschätzen der richtigen Backofentemperatur und der Backzeit ohne Thermometer: Erst wenn ein Stück Papier, zur Probe in den Ofen geworfen, zu brennen beginnt, sollen die Laibe eingeschossen werden. 50 bis 60 Minuten später, wenn ein Laib bei der Klopfmethode schon schön hohl klingt, gilt er als fertiggebacken und kann aus dem Ofen genommen werden. Abgerundet wurde die Erforschung der gesamten Prozesskette der Brotherstellung mit der Verkostung – und der Dokumentation vieler Geschichten über die Bedeutung des Brotes in der regionalen Kultur im Wandel der Zeit. Herausgekommen ist dabei eine Videodokumentation, ein Zeichentrickfilm und ein Theaterstück über die besonderen Gepflogenheiten der Lesachtaler Brotherstellung.

Dokumentiert wurden auch eigene Maschinen zum Schneiden von hartem Brot, da hartes Brot der Normalfall war. Der Grund: Es wurde nur alle paar Wochen frisches Brot gebacken – es war damals auch entsprechend lang haltbar. (Norbert Regitnig-Tillian, 1.9.2019)

Doku zum Projekt "Brotzeit".
fredprofilm