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Ein Bienenfresser bei der Mahlzeit (die sich nicht auf Bienen beschränkt). Die gefährdete Art ist eine der wenigen, die sich erholt, wie die Bestandszahlen in Hohenau zeigen.
Foto: Getty Images

Genau 120 Jahre ist es her, dass der Däne Hans Christian Cornelius Mortensen 1899 die erste wissenschaftliche Vogelberingung in größerem Stil durchführte. Seitdem hat sich das Verfahren bei verschiedenen Fragen zum Vogelleben bewährt. Österreich hat erst seit 2015 eine staatliche Vogelwarte und Beringungsstation, doch in Hohenau im nordöstlichen Niederösterreich werden Vögel schon seit 25 Jahren mit Ringen versehen.

Fast 140 Jahre lang gab es in Hohenau-Ringelsdorf eine Zuckerfabrik. Für das Waschen der Zuckerrüben benötigt man große Mengen an Wasser, das danach in Absatzbecken gereinigt wird. Wie einige Ornithologen Ende der 1980er-Jahre herausfanden, dienen diese Becken aber nicht nur der Zuckererzeugung, sondern auch zahlreichen Zugvogelarten als Rastplatz. Es waren so viele, teils seltene Arten, dass die Vogelkundler gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung den Verein "Auring" gründeten, um diesen Lebensraum zu schützen. "Diese Kombination ist in Österreich einzigartig", wie der Ornithologe und Auring-Mitarbeiter Matthias Schmidt erklärt, "und die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend."

Zucker für die Zugvögel

Der Lebensraum aus zweiter Hand bei der 2006 geschlossenen Zuckerfabrik ist auch deshalb so wichtig, weil ziehende Wasser- und Watvögel seit langem unter der zunehmenden Verbauung von Flüssen und der Trockenlegung von Feuchtgebieten leiden. Für ihre anstrengende Reise brauchen sie nahrungsreiche Orte, an denen sie sich erholen und Energie für den Weiterflug anfressen können. Diese werden jedoch immer weniger. Gleichzeitig eignen sich solche Stellen, an denen sich Hunderte Vögel auf einmal einfinden können, gut für Beringungsaktionen. Seit 1994 werden diese auch in Hohenau in der von Auring errichteten biologischen Station durchgeführt.

Die Vögel werden vorsichtig beringt, ...
Verein Auring/Benjamin Seaman

Dabei wird Jedes Jahr von Juli bis Oktober an vier Tagen pro Woche beringt. Das geschieht mittels sogenannter Japannetze, deren Maschen die Vögel kaum wahrnehmen können. Die Netze werden für eine bestimmte Zeit aufgestellt und laufend kontrolliert, wobei die darin gefangenen Vögel vorsichtig daraus befreit werden. Danach werden sie vermessen, gewogen und bekommen einen Aluminiumring ans Bein, auf dem eine individuelle Nummer sowie das Kürzel der zuständigen Beringungszentrale stehen.

Routen-Rekonstruktion

Wer einen solchen Ring findet, wird gebeten, den Fund bei der Österreichischen Beringungszentrale (klivv.at) zu melden, die alle Ringfunde zentral für Österreich verwaltet. Und natürlich gehen auch immer wieder Vögel ins Netz, die bereits einen Ring am Bein haben. Mit Hilfe dieser Methode ist über die letzten 120 Jahre ein enormes Wissen über die Routen und das Verhalten von Zugvögeln zusammengetragen worden. In Hohenau sind in den letzten 25 Jahren rund 87.000 Vögel aus mehr als 120 Arten mit einem Ring versehen worden.

Wieder gefunden wurden bislang 129 eigene Ringe und 85 Ringe anderer Stationen. Dabei fanden sich auch echte Überraschungen, wie etwa ein Sumpfrohrsänger, der mehr als 6000 Kilometer entfernt in Kenia beringt worden war, oder ein anderer, der zwölf Jahre alt war und damit eines der ältesten nachgewiesenen Individuen dieser Art weltweit.

"Manchmal gehen uns auch echte Raritäten ins Netz", erzählt Schmidt, "zum Beispiel hatten wir vor einigen Jahren einen Feldrohrsänger. Das ist eine Art, deren nächstes Brutgebiet am Nordrand des Schwarzen Meeres und deren Überwinterungsgebiete in Indien liegen. Das war damals erst der zweite Nachweis dieser Art für Österreich."

Von solchen Superlativen abgesehen, lässt sich auch die Bestandsentwicklung vieler Arten im Zuge der Beringung verfolgen. So verzeichnen etwa der gefährdete Wendehals und der Bienenfresser in den letzten Jahren einen erfreulichen Aufwärtstrend. Andere Arten, wie das streng geschützte Braunkehlchen oder die Goldammer, haben hingegen abgenommen. Besonders stolz ist man bei Auring außerdem auf die Population des seltenen Blaukehlchens an den ehemaligen Absetzbecken: Sie kommt in guten Jahren auf mehr als 15 Brutpaare und stellt damit die größte Population in Niederösterreich dar.

... sorgfältig untersucht und abgemessen.
Verein Auring/Benjamin Seaman

Neben der Beringung werden an der Station Hohenau-Ringelsdorf auch Glasscheibentypen auf ihr Kollisionsrisiko für Vögel geprüft – ein für den Vogel- und Naturschutz hoch relevantes Thema: Jedes Jahr prallen mehrere Millionen Vögel an Glasscheiben und verenden. In einem gemeinsam mit der Wiener Universität für Bodenkultur entwickelten Flugtunnel werden in Hohenau seit Jahren verschiedene Glas-Markierungen getestet. Die Idee ist, die Scheiben durch verschiedene Muster für die Vögel sichtbar zu machen und dadurch den Anprall zu verhindern.

Testgelände für Glasscheiben

Der Flugtunnel ist ein rund acht Meter langer Metallkasten, an dessen einem Ende zwei Glasscheiben nebeneinander angebracht sind. Eine davon trägt das Test-Muster, die andere eine Referenz-Scheibe aus unmarkiertem Glas. Am anderen Ende wird ein Vogel eingesetzt. Beim Versuch, aus dem dunklen Tunnel zu entkommen, wählt er diejenige der beiden Scheiben, die ihm als hindernisfreie Öffnung erscheint. Ein feines Netz verhindert dabei, dass er gegen das Glas fliegt. Wenn sich weniger als zehn Prozent der Testvögel für die markierte Scheibe entscheiden, darf das Glas als "Vogelschutzglas" deklariert werden. Circa 200 Scheiben wurden auf diese Weise bis jetzt untersucht, unter Mithilfe von rund 20.000 Vögeln, die danach – und nach ihrer Beringung – wieder in die Freiheit entlassen wurden. (Susanne Strnadl, 31. 8. 2019)