Die australische Band Teskey Brothers versenkt sich in die Gefühle des Southern Soul. Das klingt phänomenal.

Decca / Universal

Es ist so super. Wie die Teskey Brothers in den ersten Song schlendern, besitzt eine Lässigkeit, die man sich nicht aneignen kann. Dieses Gefühl hat man oder eben nicht. Dazu passt sogar, dass sie sich beim Einzählen verhaspeln und noch einmal beginnen. Dann geht das Fenster auf, es ist ein Zeitfenster.

Die Teskey Brothers spielen Soulmusik. Es stapelt tief, wenn man ihren Sound klassisch nennt, aber ein treffenderes Wort ist dafür noch nicht erfunden. Nachdem sie 2018 mit ihrem Debüt Half Mile Harvest bereits eine der Soulsensationen des Jahres waren, schicken sie sich mit dem nun erschienenen Folgewerk Run Home Slow an, auch die heurige Soulsensation zu werden. Dabei sind sie nachgerade Exoten.

Exoten

Im historischen Normalfall kommt so eine Band mit so einer Musik aus dem Umland des unteren Mississippi. Von dort, wo sich weiße Countrymusik mit dem Blues der Afroamerikaner vermischte, der Rock 'n' Roll weltweit vernehmbar detonierte und aus dem Gospel und Rhythm 'n' Blues der elegantere Soul wurde.

Dabei kommen die Teskey Brothers aus Australien, müssen also ganz schön weit schwimmen, wenn sie an den Mississippi wollen. Natürlich kommt da eine gewisse Skepsis auf. Ist das bloß aus der Ferne perfekt, aber doch gefühllos nachgebaut? Man darf Entwarnung geben. Es fällt einfach alles richtig, die Teskeys klingen nicht nach Soulstrebern, die tragen das Gefühl hörbar in sich. Und sie haben Josh Teskey.

Erhärteter Genieverdacht

Der spielt Gitarre und singt und klingt dabei wie ein wiederauferstandener Eddie Hinton. Hinton war ein Genie aus der zweiten Reihe, der in den 1960ern und 1970ern als Studiomusiker und Songwriter für viele Stars gespielt und geschrieben hat: Elvis Presley, Aretha Franklin, die Box Tops, Otis Redding, Bob Dylan, Waylon Jennings, Cher, Gerry Goffin, Percy Sledge oder Dusty Springfield.

Sein Gesang brachte ihm die Zuschreibung ein, ein weißer Otis Redding zu sein. Doch als er 1978 endlich selbst ins Rampenlicht trat und sein Debüt Very Extremely Dangerous veröffentlichte, waren Zeitgeist und Publikumsgeschmack längst woanders. 1995 starb er frühzeitig und weitgehend vergessen als ein von seinen persönlichen Dämonen heimgesuchter Einzelgänger. Über die Jahre wurde er wiederentdeckt und unveröffentlichtes Material zugänglich gemacht, das den geltenden Genieverdacht umfassend bestätigte.

Eddie Hinton: Can't Beat The Kid.
Eddie Hinton - Topic

Dieser Exkurs zeigt auch, wie wenig marktschreierisch diese Musik eigentlich ist. Hier will nicht jemand in die Charts, hier ist jemand auf Mission mit einer Musik, die ein Großteil der Welt vergessen hat, gar nie kannte oder nie kennen wird. Ihr Pech.

Anhaltendes Revival

Zugute kommt ihr zwar ein seit rund 20 Jahren anhaltendes Soul-Revival, das über einige wenige Phänomene wie Amy Winehouse gar die Massen erreicht hat, damit fix zu rechnen wäre aber verwegen. Doch darüber zerbrechen sich die Teskey Brothers eher nicht den Kopf. Es sind vier Durchschnittstypen, die überdurchschnittliche Musik machen.

The Teskey Brothers mit Let Me Let You Down.
The Teskey Brothers

Run Home Slow toppt das Debüt locker. Wenngleich orthodox im Southern Soul verhaftet, variiert es die Tempi mehr als noch am Erstling, gleichzeitig instrumentieren die Brothers nun reicher – ohne jemals Sättigungsgefühl zu erzeugen: Man will eindeutig mehr davon.

Zart spirituell

Satt im Midtempo groovt der Opener Let Me Let You Down, den ein Percy Sledge vor 50 Jahren wohl zu einem Welthit gemacht hätte. Oder Eddie Hinton eben nicht. In Man of the Universe nimmt der coole Vierer ein Juke-Joint-Piano mit herein, Hold Me reduziert die Band im Wesentlichen auf den Rhythmus von Handclaps und Basstrommel, bevor ihm ein Chor eine zart spirituelle Note verleiht.

The Teskey Brothers: Hold Me.
TheTeskeyBrothersVEVO

An Variationen dieser klassischen Formeln haben sich viele schon versucht, zumindest in Momenten reicht den Teskey Brothers dabei niemand das Wasser. Ein Album des Jahres. (Karl Fluch, 28.8.2019)