Der durch Cum-Ex-Trickserein entstandene Schaden soll sich europaweit Medienberichten zufolge auf bis zu 55 Milliarden Euro belaufen.

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Frankfurt – Erstmals seit Bekanntwerden der Trickserein mit Aktiengeschäften ("Cum-Ex") befasst sich ein deutsches Gericht mit Händlern und Banken. Ab Mittwoch nächster Woche sitzen auf der Anklagebank am Landgericht Bonn zwei ehemalige Banker der Hypovereinsbank, die sich später mit einer Investmentfirma auf Cum-Ex-Deals spezialisiert haben sollen.

Zudem müssen sich fünf Geldhäuser vor der 12. Großen Strafkammer verantworten. Bei den mutmaßlich illegalen Aktiengeschäften soll der deutsche Fiskus um mehr als 440 Millionen Euro geprellt worden sein. Den Angeklagten droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren.

Steuer mehrfach erstatten lassen

Bei den sogenannten Cum-Ex-Geschäften ließen sich Anleger die einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden mit Hilfe von Banken mehrfach erstatten. Dazu verschoben sie um den Stichtag der Dividendenzahlung herum untereinander Aktien mit (lateinisch: "cum") und ohne ("ex") Dividendenanspruch. Insgesamt geht es bei dem Skandal um Hunderte Fälle mit einem vermuteten Gesamtschaden von mehreren Milliarden Euro.

Die Staatsanwaltschaft Köln hatte Mitte Juni Anklage erhoben gegen zwei Briten, die zusammen mit weiteren Personen von Mitte 2006 bis Frühjahr 2011 Cum-Ex-Geschäfte getätigt haben sollen. Ihnen wird schwere Steuerhinterziehung in 33 Fällen angelastet, bei einem weiteren Fall soll es bei einem Versuch geblieben sein. Der 41-Jährige und der 38-Jährige haben umfassend ausgesagt und hoffen auf Milde.

Fünf Finanzhäuser wegen neuem Paragraf einbezogen

Das Landgericht will auch fünf Finanzhäuser, die an den Geschäften mitgewirkt haben sollen, an dem Verfahren beteiligen. Laut Insidern handelt es sich dabei um die Holdinggesellschaft der Hamburger Privatbank M. M. Warburg, deren Tochter Warburg Invest, Fondshäuser der französischen Bank Société Générale und des US-Instituts BNY Mellon sowie die Hamburger Kapitalverwaltungsgesellschaft Hansainvest.

Hintergrund für die Einbeziehung der Institute ist ein noch relativ neuer Paragraf im Strafgesetzbuch. Dieser regelt, dass illegal erzielte Gewinne auch von Akteuren einbezogen werden können, die die Tat nicht unmittelbar begangen haben, aber daran beteiligt waren. Als Ausgleich für den mutmaßlich entstandenen Schaden kann das Gericht Vermögen von den Banken einziehen.

Durchsuchungen bei Deutsche-Börse-Tochter

Zudem geriet die Deutsche-Börse-Tochter Clearstream ist ins Visier der Cum-Ex-Fahnder. Am Dienstag ließ die Staatsanwaltschaft Köln Räume in dem Gebäude des Unternehmens in Eschborn bei Frankfurt durchsuchen, wie ein Sprecher der Behörde bestätigte. Das "Handelsblatt" hatte zuerst über die Aktion berichtet. Ein Sprecher der Deutschen Börse erklärte, vollumfänglich mit den Behörden zu kooperieren. Die Durchsuchungen fänden im Rahmen von Cum-Ex-Ermittlungen gegen Kunden und Mitarbeiter statt.

Die Aktien der Deutschen Börse weiteten ihre Verluste aus und lagen zeitweise zwei Prozent im Minus. Immer wieder gibt es in Deutschland wegen des Cum-Ex-Skandals Durchsuchungen.

Legaler Steuertrick

Steuerexperten hatten Cum-Ex-Geschäfte lange als legalen Steuertrick erachtet. Seit einigen Jahren bewerten Ermittler und Strafverfolger das Vorgehen aber fast einhellig als Steuerhinterziehung und treiben ihre Ermittlungen voran. Allein die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt in zehn Verfahrenskomplexen, bei denen sie einen Steuerschaden von mehr als 810 Millionen Euro vermutet.

In dem Musterprozess in Bonn soll an 32 Verhandlungstagen bis zum 9. Jänner grundsätzlich geklärt werden, inwieweit die Cum-Ex-Geschäfte strafbar waren. Am Ende dürfte es wohl ein Fall für den Bundesgerichtshof oder das Bundesverfassungsgericht werden. (APA, red, 27.8.2019)