In einem sind sich alle Parteien einig: In der Justiz mangelt es an Personal, auch Probleme bei der Infrastruktur orten fast alle. Was die Gründe der Misere sind und welche Lösungen sich anbieten, darüber gehen die Meinungen aber teils deutlich auseinander. An Ideen gibt es beispielsweise die Forderung nach einem neuen Gefängnis im Großraum Wien und einer verstärkten Digitalisierung im Justizapparat.

Bei der Frage zur Renovierung des Landesgerichts für Strafsachen in Wien klaffen die Meinungen auseinander.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER
1.
Planen Sie, die Zahl der Planstellen im Allgemeinen Verwaltungsdienst der Justiz zu erhöhen? Falls ja, um wie viel Prozent?

Sebastian Kurz, ÖVP:
Die Justiz ist eine wesentliche Säule für das Funktionieren der Rechtsstaatlichkeit. Eine ausreichende personelle und budgetäre Dotierung ist daher wichtig und unabdingbar.

Pamela Rendi-Wagner, SPÖ:
Das Justizwesen als zentrale Säule unserer Demokratie darf nicht kaputtgespart werden. Wir brauchen genügend Personal für eine gut funktionierende Justiz. Wir fordern 100 zusätzliche RichterInnen, 100 neue StaatsanwältInnen und 400 neue MitarbeiterInnen im nichtrichterlichen Bereich.

Norbert Hofer, FPÖ:
Wir halten die Schaffung von Planstellen in Abhängigkeit von den jeweiligen Erfordernissen für treffsicherer als das Festhalten an starren Prozentpunkten. An dieser Stelle möchten wir auf die von der FPÖ vorangetriebene Digitalisierungsoffensive "Justiz 3.0" hinweisen.

Beate Meinl-Reisinger, Neos:
Seit 2013 wurde unter den ÖVP-Justizministern massiv gekürzt, und in den nächsten zehn Jahren gehen rund 40 Prozent in Pension. Die Digitalisierung bringt zwar mehr Effizienz, Kanzleikräfte werden jedoch immer notwendig sein. Der Bedarf muss mit den Gerichten geklärt werden.

Peter Pilz, Liste Jetzt:
Der Rechtsstaat ist uns besonders wichtig. Deshalb fordern wir 50 zusätzliche Richter und wissenschaftliche Mitarbeiter am Bundesverwaltungsgericht. Weiters braucht es zusätzliche Planstellen im Kanzleibereich und die Nachbesetzung der 400 eingesparten Planstellen.

Werner Kogler, Grüne:
Der Personalnotstand ist unübersehbar. Richter kritisieren das Fehlen von zumindest 400 Stellen im Allgemeinen Verwaltungsdienst. Das sind etwa zehn Prozent. Die funktionierende Justiz ist ein Merkmal moderner Demokratien. Fehlendes Personal zu ergänzen ist daher unabdingbar.


2.
Planen Sie, die Zahl der Planstellen bei der Justizwache zu erhöhen? Falls ja, um wie viel Prozent?

Sebastian Kurz, ÖVP:
Es wird Aufgabe des nächsten Justizministers sein, Details wie Personal und Prioritätensetzungen zu verhandeln.

Pamela Rendi-Wagner, SPÖ:
Als Sofortmaßnahme sollen die 200 offenen Stellen im Justizwachebereich besetzt werden. Außerdem wollen wir die Arbeitsbedingungen der Justizwache verbessern und strukturelle Schritte gegen Gewalt setzen, die Häftlingszahlen senken und Jugendkompetenzzentren errichten.

Norbert Hofer, FPÖ:
Das von der ÖVP geführte Justizministerium hat es leider verabsäumt, im Zusammenhang mit den Justizanstalten effektive sicherheitsfördernde Maßnahmen zu ergreifen. So besteht etwa hinsichtlich der Erhöhung der Zahl der Justizwachebeamten nach wie vor dringender Handlungsbedarf.

Beate Meinl-Reisinger, Neos:
Der akute Personalmangel und der hohe Anteil an Drittstaatsangehörigen führt immer wieder zu Problemen. Mehr Planstellen sind aber nicht genug. Es braucht eine Modernisierung des Dienstrechts. Derzeit finden wir selbst für die unbesetzten Planstellen nicht genügend Bewerber.

Peter Pilz, Liste Jetzt:
Wir fordern ausreichend Ressourcen und Reformen im Straf- und Maßnahmenvollzug. Bei effektiven Reformen könnten wir möglicherweise ohne zusätzliche Planstellen auskommen. 36 Justizbeamte für 1200 Häftlinge in der Josefstadt ist eine Gefahr für Insassen und Beamte.

Werner Kogler, Grüne:
Abgesehen davon, dass derzeit etwa 200 Planstellen unbesetzt sind, bedarf es zusätzlichen Personals, um vernünftige Arbeitsbedingungen, aber auch eine menschengerechte Unterbringung zu gewährleisten. Außerdem bedarf es anderer Mittel für die Erreichung einer effektiven Strafjustiz.


3.
Sehen Sie einen Bedarf für eine Renovierung des Landesgerichts für Strafsachen Wien? Falls ja, ab wann?

Sebastian Kurz, ÖVP:
Selbstverständlich sollte ein so wichtiges Gebäude wie das Landesgericht für Strafsachen in Wien zeitgemäßen Standards entsprechen. Eine Prioritätensetzung, wann mit etwaigen Renovierungen begonnen wird, soll dem jeweils verantwortlichen Ministerium überlassen sein.

Pamela Rendi-Wagner, SPÖ:
Seit langem steht die sachliche Notwendigkeit einer umfassenden Sanierung des Landesgerichts für Strafsachen außer Zweifel. Diese Sanierung sollte raschest passieren.

Norbert Hofer, FPÖ:
Eine langjährige Forderung der FPÖ ist die rasche Renovierung des Landesgerichts für Strafsachen. Dieser finanziell sehr aufwendige Punkt wurde auch bei den Regierungsverhandlungen angesprochen. Die konkreten Verhandlungen waren jedoch zwischen Finanz- und Justizminister zu führen.

Beate Meinl-Reisinger, Neos:
Der Zustand und die Infrastruktur des Grauen Hauses entsprechen nicht mehr den Anforderungen für einen modernen Amtsbetrieb. Eine Modernisierung benötigt gute Vorbereitung, Zeit und Geld. Die Vorbereitung für eine Renovierung sollten ehestbald in Angriff genommen werden.

Peter Pilz, Liste Jetzt:
Keine Priorität bei dieser Frage.

Werner Kogler, Grüne:
Der Bedarf besteht akut. Dabei sind auch neue Erfordernisse an die Unterbringung von Untersuchungsgefangenen zu berücksichtigen.


4.
Reicht die Zahl der Haftplätze in Österreich aus? Falls nein, was sind Ihre diesbezüglichen Pläne?

Sebastian Kurz, ÖVP:
Die Häftlingszahlen haben einen Höchststand erreicht. Es ist wichtig, auch über alternative Formen der Haft nachzudenken. Die Fußfessel hat sich bewährt, und eine Ausweitung unter strengen Bedingungen ist denkbar. Auch das Projekt "Haft in der Heimat" gehört forciert.

Pamela Rendi-Wagner, SPÖ:
Wir wollen die Häftlingszahlen senken, indem der Fußfesseleinsatz erhöht wird und Strafverbüßungen verstärkt im Heimatland erfolgen. Zusätzlich sind bauliche Maßnahmen notwendig, um z. B. den eklatanten Überbelag in der Justizanstalt Josefstadt zu entschärfen.

Norbert Hofer, FPÖ:
Die Belastung des Strafvollzuges hat ihre Ursache vor allem darin, dass mehr als die Hälfte der Häftlinge Ausländer sind. "Haft in der Heimat" muss umgesetzt werden, als weitere Maßnahme wäre die Erweiterung des elektronisch überwachten Hausarrests zu nennen.

Beate Meinl-Reisinger, Neos:
Die Überbelegung von 20 bis 30 Prozent führt zu prekären Situationen. Daher fordern wir eine zusätzliche Justizanstalt im Großraum Wien, damit Inhaftierte unter menschenwürdigen Bedingungen angehalten werden können und die Resozialisierung der Straftäter gesichert wird.

Peter Pilz, Liste Jetzt:
Das kommt darauf an, wie viele Personen aufgrund von Buwog-Prozess und Ibiza-Gate ins Gefängnis müssen.

Werner Kogler, Grüne:
Die Zahl der Haftplätze reicht an sich aus. Es bedarf der Schaffung zusätzlicher Möglichkeiten des Strafvollzugs jenseits der Gefängnisse unter intensiver Betreuung. Klar ist jedoch auch, dass gesellschaftliche Fehlentwicklungen nicht zulasten der Justizwache gehen dürfen.