Eine frisch geschlüpfte Echse der Art Anolis sagrei. Durch die Gen-Schere CRISPR/Cas9 wurde sie zum Albino.

Foto: Rasys et al./Cell Reports

Die "Gen-Schere" CRISPR/Cas9 wurde in den vergangenen Jahren in unzähligen Organismen eingesetzt. Das molekularbiologische Verfahren, das unter die Bezeichnung "Genome Editing" fällt, hat sich als besonders effektives und günstiges Werkzeug zur gezielten Manipulation von Genen entpuppt. An Anwendungen in der Landwirtschaft und Medizin wird weltweit gearbeitet – freilich unter sehr unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen.

Jetzt präsentierten Forscher erstmals Reptilien, die mithilfe von CRISPR/Cas9 verändert worden sind. Konkret schufen Doug Menke und Kollegen von der University of Georgia Albino-Echsen, die für die Erforschung von Augenkrankheiten bedeutend sein könnten.

Innere Befruchtung

Die Studie im Fachblatt "Cell Reports" ist trotz der breiten Anwendung der "Gen-Schere" bemerkenswert: Denn bisher standen Forscher bei der genetischen Manipulation von Reptilien vor Schwierigkeiten. Bei den meisten tierischen Modellorganismen wird Genome Editing an frisch befruchteten Eiern oder Zygoten (also jenen Zellen, die bei der Verschmelzung einer Eizelle mit einem Spermium entstehen) durchgeführt.

Bei Schuppenkriechtieren, zu denen 96 Prozent der bekannten lebenden Reptilienarten zählen, ist das jedoch nicht ohne weiteres möglich: Sie haben eine innere Befruchtung, deren genauer Zeitpunkt schwer vorhersagbar ist. Ein einzelliger Embryo lässt sich auch kaum verpflanzen, daher ist es fast unmöglich, eine Genveränderung außerhalb des Tieres vorzunehmen.

Albino-Echsen

Menke und Kollegen haben nun einen Ausweg gefunden. Sie injizierten CRISPR/Cas9 in noch unbefruchtete Eier im Eierstock von Weibchen der Spezies Anolis sagrei, die zu den Leguanartigen zählt. "Da wir unbefruchtete Eier veränderten, dachten wir, damit nur die von der Mutter vererbten Erbanlagen zu verändern, denn die väterliche DNA befindet sich ja nicht in unbefruchteten Eizellen", sagte Menke.

Nach drei Monaten des Wartens schlüpften schließlich die ersten Jungen – und widerlegten die Annahme der Forscher: Bei knapp der Hälfte der Echsen waren auch die väterlichen Erbanlagen mutiert, offenbar blieb das Gene-Editing-Werkzeug über längere Zeit hinweg in den Eiern aktiv. Die Tiere wurden durch die genetischen Veränderungen als Albinos geboren.

Netzhaut-Forschung

Wozu aber ausgerechnet Albino-Echsen? Menke nennt zwei Gründe für die Entscheidung, die betreffenden Gene für die Studie auszuwählen: Zum einen seien die Folgen für die Echsen nicht lebensbedrohlich, zum anderen könnten Albino-Echsen interessante Modellorganismen für die medizinische Forschung sein: Häufig leiden Menschen mit Albinismus unter schweren Sehstörungen, was unter anderem an Fehlbildungen der Fovea centralis liegt – eine auch Sehgrube genannte Einsenkung der Netzhaut, die für das Scharfsehen zuständig ist.

"Die Fovea fehlt in vielen Tiermodellen, Echsen aber besitzen sie." Studien an den Reptilien könnten dabei helfen, den genetischen Entwicklungsprozess der Sehgrube besser zu verstehen oder vielleicht sogar in andere Arten zu übertragen. "Wir können nie vorhersehen, woher die nächsten großen Einsichten kommen werden", so Menke. "Die genetischen Eigenheiten jeder Spezies haben etwas zu erzählen." (dare, 1.9.2019)