Im Gastkommentar widmet sich Autor Drehli Robnik dem Geschichtsbild der Freiheitlichen.

Während Menschen auf der Flucht aus den Trümmern von Kriegsregionen im Mittelmeer ertrinken, beschwört die FPÖ mit Monumentalkitsch eine Art Baden in Kriegstrümmern. Als das vom freiheitlichen Cajetan-Felder-Institut initiierte "Trümmerfrauen"-Denkmal am 1. Oktober 2018 auf Privatgrund an der Wiener Mölker Bastei enthüllt wurde, hieß dies Enthüllung im wörtlichen Sinn: Das Denkmal zeigt eine in Trümmern sitzende nackte Frauenfigur.

Gegen das Denkmal erhob eine kritische Zeithistoriografie geschichtspolitische Einwände: "Trümmerfrauen" seien ein Wiederaufbaumythos, basierend auf Kampagnen zur Imagehebung der großteils von Männern verrichteten Trümmerbeseitigungsarbeit in vom Bombenkrieg geschädigten Städten Deutschlands und Österreichs nach 1945.

Die "Trümmerfrau", gestaltet vom Bildhauer Magnus Angermeier nach seiner Skulptur "Die Badende".
Foto: Matthias Cremer

Allerdings: Einiges an dem FPÖ-Denkmal fungiert gar nicht im Sinn einer Mythologisierung der "Wiederaufbaugeneration". Da ist zunächst eine Orts- und Zeitangabe, die verquer ist und quer steht zu dem für die Zweite Republik halbwegs voraussetzbaren antifaschistischen Konsens. Eine große Inschrift fungiert als Titel und Widmung: "Österreichs Trümmerfrauen 1943-1954". Warum bis 1954? Gibt es etwa – parallel zur chauvinistischen Nationalfeiertagsfolklore vom "letzten Besatzer", der am 26. 10. 1955 Österreich verlassen habe – die Legende vom "letzten Trumm", das die Mizzi-Tant' aus Neulerchenfeld am 31. 12. 1954 weggeräumt hat? Endet deshalb 1954 das Wirken von "Österreichs Trümmerfrauen"?

Gewürdigte Kriegsleistungen

Und warum die Anfangsdatierung 1943? Meint das die erste urkundliche Erwähnung der "Trümmerfrauen" im "Völkischen Beobachter"? Nein. So sehr das Wort nach Goebbels-Propaganda klingt, ist es doch eine Nachkriegsprägung. Die FPÖ stützt sich wohl auf 1943 als Jahr, in dem Luftangriffe auf im heutigen Österreich gelegene Ziele begannen. Also räumten "Österreichs Trümmerfrauen" ab 1943 Trümmer weg – in seltsamer Versetzung: Das Land, dem die Tafel sie zuordnet, gab es erst ab Neugründung der Republik Österreich am 27. 4. 1945. Alles davor heißt Großdeutsches Reich. Den "Trümmerfrauen des Großdeutschen Reiches 1943–1945 und Österreichs 1945–1954" würden selbst in der FPÖ nicht viele ein Denkmal widmen wollen.

Das ist keineswegs spitzfindig. Immerhin verunziert das Denkmal einen zentralen Platz Wiens. Und es ist nicht nur ein Beispiel des Österreich-Opfermythos. Dass es "Trümmerfrauen", die 1943/44 in Wiener Neustädter Rüstungsfabriken nach Bombenabwürfen den Schutt wegräumten, rückwirkend zu Österreicherinnen umdeklariert, will mehr besagen: mehr als die Leugnung der siebenjährigen Zugehörigkeit Österreichs zu Nazideutschland und seiner Mordmaschinerie. Die Datierung erweitert den Geltungszeitraum ins "Dritte Reich" hinein – und zwar ohne Not: Wem außer einem rechten Hardcore leuchtet das 1943 intuitiv ein?. So vollzieht das Denkmal eine Ersetzung, die über das Feiern von Wiederaufbauheldinnen hinausgeht: Jene Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter, in großer Zahl nicht deutsch oder österreichisch, die zum lebensgefährlichen Trümmerräumen unmittelbar nach Luftangriffen genötigt wurden, macht es unsichtbar. "Trümmerfrauen", die Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache als endlich zu würdigende "Opfergruppe" verstanden wissen wollte, treten so an die Stelle von Opfern des mörderischen NS-Arbeitsregimes. Pikanterweise sind diese Opfer "Fremdarbeiterinnen und -arbeiter", viele aus Süd- und Osteuropa; solche Leute mag die FPÖ nach wie vor nicht.

Das Denkmal verbannt Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter (noch mehr) aus der Gedenkgeschichte; es überdeckt sie durch Österreicherinnen, die 1943/44 Deutsche waren. Damit beschwört es ein Bild deutschösterreichischer Frauen, die tapfer Kriegslasten schulterten: Durch auch ihren Heimatfrontbeitrag blieben trotz Bombenkriegs die Industrien, Frontverbände und Vernichtungslager des NS-Staates etwas länger in Funktion. Das ist (hoffentlich!) einzigartig in Europa: ein Denkmal als Verbeugung vor kriegswichtigen Leistungen für Hitler-Deutschland. Aber vielleicht lässt ja die AfD in ihrem "Stolz auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen" (Alexander Gauland 2017) bald mehr davon errichten. Vielleicht ein Monument für die Kampfkraft junger "Flakhelfer" – waren die nicht auch "Opfer"?

Rechte Kampfzone

So ergibt auch das für die FPÖ untypisch bildungsbürgerliche Hölderlin-Zitat auf der Denkmalstafel Sinn: "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch." Aus welcher Gefahr wäre 1950 oder 1954 zu retten? Die Gefahr ist ja nicht in Jahren nach einem "deutsch-österreichisch" begonnenen Krieg verortet, sondern im Krieg – wenn nicht in dem von 1943, dann in dem von 1683. Nicht umsonst steht das Denkmal auf der Mölker Bastei, dem prominentesten Resttrumm der Festungsmauer, die während der Zweiten Türkenbelagerung Wiens umkämpft war. Daran erinnert das vor der Bastei aufragende Liebenberg-Denkmal, das seit 1890 einen Stadtverteidigungsmitorganisator von 1683 ehrt: Diese Siegessäule mit barbusiger Victoria bildet nun mit der "Trümmerfrau" eine Kriegsskulpturengruppe.

Die Siegesgöttin verkörpert den Triumph gegen einen türkischen Angriff, auf den sich manch Sujet der FPÖ Wien mit Gegenwartsvergleichen bezieht. Komplementär zu ihr hockt die einer "Badenden" nachempfundene "Trümmerfrau" auf der Mölker Bastei: barbusig wie im zur Kampfzone erklärten Freibad, maskulinistischen Besitzansprüchen und Verlustangstprojektionen anheimgestellt – als Repräsentantin jenes Populationskonstrukts, das rechte Ritter "unsere Frauen" nennen. Die wollen sie ja vor den Gefahren einer "neuen Türkenbelagerung" retten. (Drehli Robnik, 27.8.2019)