Das Verteilzentrum in Großebersdorf: Was die Lieferlogistik betrifft, könnten sich manche eine Scheibe von Amazon abschneiden.

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Raues Klima, schlechte Arbeitsbedingungen, maximale Effizienz. Diese Assoziationen stellen sich ein, wenn man an Amazon denkt. Der Online-Riese aus den USA ist aber nicht nur in Sachen Produktivität Benchmark für viele; auch in puncto Kundenorientierung können ihm wenige das Wasser reichen. So umstritten Amazon sei, manches könnten sich selbst die kleinsten Unternehmen abschauen, auch und gerade in Österreich.

Die das sagen, haben sich erst im April mit einer eigenen Firma, der Tengler Gluttig Consulting GmbH, selbstständig gemacht. Bis 2018 standen Andreas Tengler (Jahrgang 1968) und Gregor Gluttig Jahrgang 1981), die beiden Geschäftsführer, in Diensten der international tätigen Managementberatung Barkawi.

"In den letzten 30 Jahren gab es einen Trend, und der hieß, die Produktion optimieren", sagte Tengler dem STANDARD. "Das ist großteils auch gelungen. Die Technologie, die zum Einsatz kommt, ist gut, auch die Mitarbeiter sind es. Ein paar Prozentpunkte an Effizienz lassen sich immer noch herausholen. Weit mehr ist aber in der Logistik zu gewinnen, in der Optimierung der gesamten Lieferkette."

Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten

Mit Einzug der Digitalisierung auch in die Unternehmen sei es plötzlich möglich, Daten, die früher isoliert zur Verfügung standen, zusammenzuführen. "Jetzt können Lieferantendaten, Produktdaten, Vertriebsdaten und Finanzdaten ohne großen Aufwand miteinander verknüpft und optimiert werden", sagte Tengler. "Wer das im Griff hat, kontrolliert die Lieferkette."

Ein Blick zu Amazon sei dabei durchaus lohnend. Der US-Online-Händler bietet in ausgewählten Städten für tausende Produkte eine ultraschnelle Auslieferung von einer oder zwei Stunden (Prime Now), am Folgetag oder ein paar Tage später an. Die Versandgebühren sind, sofern nicht im Preis der Lieferung schon inkludiert, nach Dringlichkeit gestaffelt. Zudem weiß man zu jeder Zeit, wo sich die erwartete Lieferung gerade befindet. "Diese Art von Service, den man aus dem privaten Bereich kennt und schätzt, wird verstärkt auch im Businessbereich Einzug halten", ist Gregor Gluttig, Co-Geschäftsführer von TenglerGluttig Consulting, überzeugt. Das sei auch eine Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzuheben, ohne in einen preislichen Wettkampf zu treten.

Selektieren

Dabei sei zu bedenken, dass nicht alle einen Service à la Amazon Prime bräuchten. "Manchen Unternehmen reicht auch die Zustellung in fünf Tagen; wenn das zugesagt ist, muss es dann aber auch halten", sagte Tengler.

Laut einer Studie, bei der nur Unternehmen aus Deutschland Berücksichtigung fanden, haben bis jetzt nur zwei von zehn Unternehmen mit einem Digitalisierungsprojekt in der Lieferkette begonnen. Österreich, für das keine gesonderten Umfragen vorliegen, weiche erfahrungsgemäß nicht stark von Deutschland ab. Gluttig: "Es gibt also auch hierzulande noch Luft nach oben, was die Digitalisierung in der Lieferkette betrifft."

Bau und Stahlsektor

Ein Grundverständnis für die Vorteile, die eine flexible Lieferkette mit sich bringt, orten Tengler und Gluttig im Bau und im Stahlsektor – beides Bereiche, die besonders stark die gestiegene Volatilität auf den Märkten spürten.

Wer sich hingegen "null flexibel" zeige, sei die Logistikbranche selbst, obwohl diese bei jeder Schnittstelle mit drinhänge. "Die verspüren noch nicht den Druck, sich anzupassen", sagte Tengler. Spätestens dann, wenn die Zinsen steigen und Cash wieder King wird, werde wohl auch dort ein Umdenken einsetzen. (Günther Strobl, 28.8.2019)