Rom, Piazza Colonna am Dienstagabend: Giuseppe Conte nimmt einen Anruf entgegen.

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PD-Chef Nicola Zingaretti vor Beginn der Vehandlungsrunde.

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Luigi Di Maio wird nachgesagt, Matteo Salvini als Innenminister nachfolgen zu wollen.

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Am Dienstagabend hellten sich die Mienen der Unterhändler etwas auf, die Töne wurden versöhnlicher. "Wir haben begonnen, an einer programmatischen Plattform zu arbeiten", erklärte der Fraktionschef des Partito Democratico, Andrea Marcucci, nach einem Treffen mit Vertretern der Fünf Sterne.

Die Verhandlungen werden am Mittwoch fortgeführt. Tatsächlich sind noch etliche Fragen offen, insbesondere bezüglich der personellen Zusammensetzung der (wahrscheinlichen) künftigen Regierung. Staatspräsident Sergio Mattarella wird die Vertreter der Protestbewegung und des PD am Mittwochabend zu seiner zweiten Konsultationsrunde empfangen – und dem bisherigen Premier Giuseppe Conte möglicherweise sogleich den Auftrag erteilen, ein neues Kabinett zusammenzustellen.

Verhandlungen drohten zu scheitern

Conte war in den Verhandlungen lange der Stein des Anstoßes gewesen: PD-Chef Nicola Zingaretti forderte "Diskontinuität" und wehrte sich gegen ein Comeback des abtretenden Premiers. Die ohnehin zähen Verhandlungen über eine neue Regierung befanden sich deswegen zwischenzeitlich kurz vor dem Scheitern.

Die Fünf Sterne hatten die Wiederaufnahme der Gespräche gestern zunächst ausgesetzt: "Solange der PD nicht ja zu Giuseppe Conte als Premier sagt, hat es keinen Sinn, sich nochmals zu treffen", erklärte der Politikchef der "Grillini", Luigi Di Maio. Die Sozialdemokraten konterten, dass das Problem nicht Conte sei. Das Problem seien vielmehr "die Ambitionen von Di Maio", der darauf bestehe, Innenminister zu werden. Die Fünf Sterne dementierten ihrerseits eine solche Forderung ihres Chefs.

Di Maio sorgt sich um Einfluss

Der Politikchef der Fünf Sterne hatte aber in den letzten Tagen tatsächlich den Eindruck erweckt, dass er die Verhandlungen mit dem PD am liebsten platzen ließe. Di Maio – und mit ihm der ganze rechte Flügel der Protestbewegung – tut sich schwer, den bisherigen rechtsradikalen Regierungspartner, Matteo Salvinis Lega, gegen den linken PD auszutauschen.

Di Maio befürchtet, in einer neuen, nach links orientierten Koalition an Einfluss einzubüßen und an den Rand gedrängt zu werden. Die Sorgen des bisherigen Vizepremiers und Wirtschaftsministers sind berechtigt: PD-Chef Nicola Zingaretti betont unablässig, dass eine neue Koalition nur einen Sinn habe, wenn sie einen "klaren Kurswechsel im Vergleich zur gescheiterten populistischen Regierung" herbeiführe.

Letztlich war es nur der Selbsterhaltungstrieb, der die beiden ehemaligen politischen Erzfeinde gestern bewog, die Gespräche zur Regierungsbildung wieder aufzunehmen. Denn sowohl Di Maio als auch Zingaretti wissen ganz genau, dass ein Scheitern ihrer Verhandlungen direkt zu Neuwahlen im Herbst führen würde.

Fünf-Sterne droht bei Neuwahl ein Debakel

Vor allem die Protestbewegung, die nach ihrem Wahlsieg im März 2018 im aktuellen Parlament mit großem Abstand die meisten Abgeordneten und Senatoren stellt, würde dabei ein Debakel riskieren: Laut aktuellen Umfragen würden etwa zwei von drei Fünf-Sterne-Parlamentarier bei Neuwahlen ihren Sitz verlieren. Auch zahlreiche Abgeordnete des PD müssten um ihre Mandate zittern. Obwohl die Lega in Umfragen nach dem von ihrem Chef Salvini verschuldeten Regierungssturz rund 5 Prozentpunkte einbüßte, wäre sie nach wie vor die große Favoritin bei etwaigen Neuwahlen.

Das ist eine wichtige Motivation für die künftigen Regierungspartner, über politische Differenzen und persönliche Animositäten hinwegzublicken. Eine weitere Motivation zur Rettung der Legislatur ist auch die im Jahr 2022 stattfindende Wahl eines Nachfolgers für Staatspräsident Mattarella, dessen siebenjährige Amtszeit dann ablaufen wird.

Rechte in der Minderheit

Im heutigen Parlament befinden sich die rechtsradikalen Nationalisten von Salvinis Lega sowie die postfaschistischen Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni in der Minderheit; die Fünf Sterne und der PD können sich das neue Staatsoberhaupt also mehr oder weniger selber aussuchen. Mit einem neuen Parlament befänden sich wahrscheinlich Salvini und Meloni in dieser Position – mit möglicherweise fatalen Folgen für die demokratischen Institutionen Italiens. (Dominik Straub aus Rom, 27.8.2019)