Martin Sellner mit Mikrofon bei einer Demo seiner Identitären.

Foto: sum

Das virtuelle Aufmarschgebiet für Rechtsextremisten wird kleiner. Derzeit wirft Youtube zahlreiche einschlägige Videos aus seinem Angebot – dementsprechend wurden auch Beiträge von Identitären-Chef Martin Sellner gelöscht. Wie kaum ein anderer österreichischer Rechtsextremist nutzt dieser die Plattform, um rassistische Verschwörungstheorien über einen "Austausch der Bevölkerung" zu verbreiten oder bei seiner Gefolgschaft um Spenden zu keilen.

In seinen Videos bezeichnete Sellner die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis als "Schuldkult" und sprach in diesem Zusammenhang auch von einem "Holocaust-Mythos". Seine Fangemeinde zählt auf Youtube über 100.000 Nutzer. Sellner und ihm nahestehende Medien beschweren sich lautstark über die Löschungen.

Verschärftes Vorgehen

Youtube hat Anfang Juni angekündigt, verschärft gegen Propagandavideos von Rassisten und anderen Extremisten vorzugehen. Das Unternehmen erklärte im Juni, es ergreife damit einen weiteren Schritt, um "Hassreden" von seiner Plattform zu verbannen. "Spezifisch verboten" würden Videos, "die behaupten, dass eine Gruppe überlegen ist, um Diskriminierung, Abtrennung und Ausschluss auf der Basis von Eigenschaften wie Alter, Geschlecht, Rasse, Kaste, Religion, sexueller Orientierung oder Veteranenstatus zu rechtfertigen".

Youtube und andere Plattformen sind in den vergangenen Jahren unter verstärkten Druck politischer und gesellschaftlicher Gruppen geraten, Verschwörungstheorien und andere Falschinformationen sowie aufwiegelnde und extremistische Botschaften von ihren Plattformen zu verbannen. Mitte Mai verpflichtete sich Youtube zusammen mit acht anderen Internetriesen – darunter der Youtube-Mutterkonzern Google, Facebook und Twitter – dazu, gegen Online-Propaganda von Extremisten vorzugehen.

ÖVP fordert Verbot

Diese auch von mehreren Regierungen in Paris unterzeichnete Selbstverpflichtung wird als "Christchurch-Aufruf" bezeichnet – nach der neuseeländischen Stadt, in der ein rechtsextremer Attentäter im März bei einem Angriff auf eine Moschee 51 Menschen getötet hatte. Aufnahmen von seiner Tat veröffentlichte der Mann live im Internet.

Nach dem Terroranschlag wurde bekannt, dass der Christchurch-Attentäter Identitären-Chef Sellner eine beachtliche Geldsumme gespendet hatte. Die ÖVP fordert auch deswegen ein Verbot der Gruppierung, die vom Verfassungsschutz seit Jahren beobachtet wird und über gute Kontakte zu Burschenschaften verfügt. Die FPÖ ging in den vergangenen Wochen verstärkt auf Distanz.

Youtube und seine Regeln

Youtube macht schon länger Ernst. Das Unternehmen verbietet nun auch solche Videos, die "gut dokumentierte gewalttätige Ereignisse" leugnen. Als Beispiel nannte das Unternehmen neben dem NS-Völkermord an den Juden das Massaker mit 26 Toten im Jahr 2012 an der Sandy-Hook-Grundschule im US-Staat Connecticut. Der US-Verschwörungstheoretiker Alex Jones behauptet, das Blutbad sei von Schauspielern vorgetäuscht worden, um eine Verschärfung der Waffengesetze zu erreichen.

Das Unternehmen betonte, dass es schon seit langem interne Richtlinien gegen "Hassreden" habe. Bereits 2017 seien die Regeln gegen Videos, welche die Überlegenheit einer Rasse propagierten, verschärft worden. Dadurch seien die Aufrufe solcher Videos um durchschnittlich 80 Prozent gesenkt worden.

Auch wurden die Regeln gegen Hassbotschaften präzisiert oder erweitert. So soll Betreibern von Youtube-Kanälen, die wiederholt die Regeln gegen die Verbreitung extremistischer Inhalte verletzen, die Erlaubnis zum Schalten von Anzeigen entzogen werden. Youtube erklärte allerdings, dass es die weltweite Umsetzung der neuen Regeln nicht unverzüglich bewerkstelligen könne, sondern in den kommenden Monaten graduell steigern werde. (red, 28.8.2019)