Ende Juli zeigten viele heimische Flüsse hohe Pegelstände – hier im Bild schäumt die Salzach.
Foto: APA/BARBARA GINDL

Wien – Mehr Hochwasserereignisse in Mittel- und Nordwesteuropa, weniger Überschwemmungen in Südeuropa: So sieht laut einer aktuellen Studie die Prognose für die kommenden Jahre und Jahrzehnte aus.

Diese gegenläufigen Trends klingen auf den ersten Blick nicht danach, als könnten sie eine gemeinsame Ursache haben. Und doch sei genau das der Fall, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachjournal "Nature". Beide Trends werden vom Klimawandel angetrieben, der sich in unterschiedlichen Regionen auf verschiedene Weise auswirkt.

Riesiger Datensatz

Die Folgen von Überschwemmungen sind weltweit jährliche Schäden in Milliardenhöhe. Ihre Ursachen hingegen sind nicht so schnell zu überblicken: Klassische Faktoren wie die übermäßige Regulierung von Flüssen spielen ebenso eine Rolle wie die Wetter- und längerfristig die Klimaverhältnisse. Ein Verbund von 30 Forschungsgruppen hat sich nun daran gemacht, aufzuklären, wie groß in diesem komplexen Zusammenspiel die Rolle des Klimas ist – insbesondere für geänderte Häufigkeiten von Hochwasserereignissen.

Dafür wurde ein Datensatz von 3.738 Hochwassermessstationen an europäischen Flüssen zwischen 1960 und 2010 ausgewertet. Zudem wurde bewertet, wie sich wichtige Faktoren für Überschwemmungen verändern, etwa maximale Niederschläge, Bodenfeuchte und Lufttemperatur. Federführend war dabei der Hydrologe Günter Blöschl vom Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie der Technischen Universität (TU) Wien, Erstautor der Studie.

Regionen mit unterschiedlichen Trends

Blöschl fasst das Ergebnis der Auswertung so zusammen: "Der Einfluss des Klimawandels auf das Ausmaß von Hochwasserereignissen ist eindeutig erkennbar." Es würden sich klare regionale Muster sowohl beim Anstieg als auch beim Rückgang der beobachteten Flusshochwasser in den vergangenen fünf Jahrzehnten in Europa zeigen. Und diese spiegeln stets die Klimaentwicklung in den jeweiligen Regionen wider.

+ So nimmt in Mittel- und Nordwesteuropa, zwischen Island und Österreich, das Ausmaß von Hochwasserereignissen zu, weil in dieser Großregion die Niederschläge speziell im Herbst und Winter zunehmen und die Böden feuchter werden.

+ Dagegen geht in Südeuropa das Ausmaß von Überschwemmungen eher zurück, weil der Klimawandel zu Rückgängen bei den Niederschlägen und zunehmender Verdunstung führt. In dieser Region gab es aber wegen häufiger Gewitter und Abholzung der Wälder häufiger Überschwemmungen durch kleinere Flüsse.

+ Auch in Osteuropa geht das Ausmaß von Überschwemmungen zurück. Grund dafür ist der Studie zufolge die abnehmende Schneedecke, bedingt durch wärmere Temperaturen.

"Wir sind bereits mittendrin"

"Es gibt also kein europaweit einheitliches Bild – aber die regionalen Entwicklungen entsprechen alle den vorhergesagten Klimaveränderungen. Das zeigt uns: Wir sind bereits mittendrin im Klimawandel", so Blöschl. Bei einer ungebremsten Fortsetzung dieser Trends sei mit drastischen Auswirkungen auf das Überflutungsrisiko in vielen Regionen Europas zu rechnen.

Die Wissenschafter fordern, diese Erkenntnisse in allen Ländern Europas in zukünftige Hochwasserschutz-Überlegungen miteinzubeziehen und den Klimawandel zu berücksichtigen. "Das Hochwassermanagement muss sich an diese neuen Realitäten anpassen, sonst werden die jährlichen Hochwasserschäden noch schneller steigen als bisher", so Blöschl. Immerhin gibt es auch einen tröstlichen Aspekt: Österreich sei in diesem Bereich bereits gut aufgestellt. (red, APA, 28. 8. 2019)