Fast zehn Jahre dauert die Niedrigzinsphase in Europa nunmehr an, zumindest weitere zehn werden nach Ansicht von Andreas Treichl, Chef der Erste Group, noch dazukommen. Durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank sei mit "Zinsen nichts mehr zu verdienen", fügt er hinzu. Das mag zwar für weite Teile des Bankgeschäfts gelten, aber wohl kaum für überzogene Girokonten – in diesem Bereich langen die Institute noch immer mit teilweise zweistelligen Zinssätzen zu.

"Es ist kaum Bewegung im Markt", sagt Benedikta Rupprecht von der Arbeiterkammer. Gemäß einer Auswertung ihres Hauses sind die Sollzinsen heimischer Banken seit Jänner 2014 im Median gerade einmal von 11,22 auf derzeit 10,63 Prozent gesunken. Die Habenzinsen auf Guthaben verringerten sich im selben Zeitraum übrigens von 0,13 auf 0,01 Prozent.

Aber wieso ist trotz jahrelanger Zinsflaute kaum Bewegung im Markt? Wieso wechseln Betroffene nicht einfach zu einem günstigeren Anbieter? "Es ist schwer, mit einer Kontoüberziehung einen anderen Anbieter zu finden", erklärt Rupprecht. Sprich, der Wettbewerb zwischen den Banken funktioniert in diesem Bereich nicht wirklich. Und den wiederholten Forderungen nach einem gesetzlichen Zinsdeckel wurde bisher nicht entsprochen, ergänzt Rupprecht.

Neue Informationspflicht

Dafür besteht seit dem Vorjahr eine Informationspflicht: Banken müssen Kunden ein Beratungsgespräch und günstigere Kreditprodukte anbieten, sobald ein Konto länger als ein Vierteljahr mit mehr als dem Eineinhalbfachen der monatlichen Kontoeingänge überzogen ist.

"Es gibt viele Leute, bei denen am Ende des Geldes noch viel Monat übrig ist", sagt Verbraucherschützer Bernd Lausecker vom Verein für Konsumenteninformation (VKI). Betroffenen, die sonst über keine Möglichkeit verfügen, das Konto auszugleichen, empfiehlt er, das Gespräch mit der Hausbank zu suchen. Und zwar so früh wie möglich, dann sei die Verhandlungsposition gegenüber der Bank für eine Umschuldung besser. In diesem Fall rät Lausecker dringend, den Überziehungsrahmen anschließend auf null setzen zu lassen.

Wer finanziellen Spielraum hat, sollte diesen zum Ausgleich des Kontos nutzen – etwa indem das Geld von de facto unverzinsten Sparbüchern transferiert wird. "Das günstigste Sparen ist, einen Kredit zurückzuzahlen", erinnert Lausecker, "weil Kreditzinsen grundsätzlich höher sind."

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Mit einem überzogenen Konto ist der Wechsel zu einer anderen Bank laut Konsumentenschützern schwierig. Deshalb funktioniert der Wettbewerb zwischen den Banken bei Überziehungszinsen nur sehr eingeschränkt.
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Zwar hält er die Möglichkeit, Konten zu überziehen, im Grunde für sinnvoll – kritisiert aber ebenfalls die anhaltend hohen Sollzinsen: "In einer Nullzinsphase sind zweistellige Zinssätze nicht verständlich." Auch Lausecker führt die Situation auf mangelnden Wettbewerb zurück. Laut Daten der Oesterreichischen Nationalbank betrug im Juni das Gesamtvolumen an Kontoüberziehungen von Haushalten 3,6 Milliarden Euro. "Da kommt für die Banken ein schönes Körberlgeld rein", folgert Lausecker.

Laut dem Onlinebankenrechner der Arbeiterkammer, der Bankkonditionen heimischer Institute vergleicht, verlangt das Bankhaus Schellhammer & Schattera mit 5,38 Prozent die niedrigsten Überziehungszinsen bei Gehaltskonten, verlangt aber stattliche Kontoführungsgebühren von 222 Euro pro Jahr für ein Basiskonto. Keine jährlichen Kontokosten verrechnet die Dadat Bank, die Überziehungszinsen liegen bei 6,625 Prozent.

Variable Berechnung

Ebenfalls 6,625 Prozent verlangt die Bank Austria. Man habe schon vor Jahren die Überziehungszinsen auf ein variables System umgestellt, erklärt ein Sprecher. Fix werden demnach sieben Prozent verrechnet, von denen der derzeit negative Referenzzinssatz abgezogen wird.

Die höchsten Überziehungszinsen weist laut Bankenrechner derzeit die Sparkasse Herzogenburg-Neulengbach mit 14 Prozent auf. "Das ist der Höchstzinssatz, der nur selten verrechnet wird", erklärt Vorstand Walter Dörflinger auf Anfrage. Es gebe großen Verhandlungsspielraum, zumeist kämen Zinssätze von fünf Prozent aufwärts zur Anwendung. (Alexander Hahn, 1.9.2019)