Arancha González, spanische Wirtschaftswissenschafterin und Leiterin des Internationalen Handelszentrums, befürchtet durch die Konfrontation der USA mit China ein Handelschaos.

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Der Schlagabtausch zwischen den USA und China im Handelskonflikt könnte die Weltwirtschaft in eine Rezession stürzen. Probleme wie die Abfederung von Jobverlusten werden durch die Auseinandersetzung nicht gelöst, sagt die Ökonomin Arancha Gonzáles. Chaos im internationalen Handel wäre für europäische Betriebe besonders schädlich.

STANDARD: Wie stark belastet der Handelskonflikt zwischen den USA und China die Weltwirtschaft?

González: Die Entwicklung ist besorgniserregend. China und die USA gehen nach der Devise vor: wie du mir, so ich dir. Das führt zu großer Unsicherheit bei den Unternehmen, die schon die globale Konjunktur massiv belastet. Am Horizont zieht deshalb schon die nächste Rezession auf.

STANDARD: Aber die Wirtschaft in den USA erweist sich als erstaunlich robust. Sind die negativen Einschätzungen nicht übertrieben?

González: Nicht, wenn man einen Blick hinter die makroökonomischen Zahlen wirft. Wenn man die Zahl der Personen sieht, die nicht in der Arbeitslosenstatistik aufscheinen, weil sie keinen Job mehr suchen; wenn man die steigende Ungleichheit betrachtet oder die Lohnentwicklung oder die sich verschlechternde Stimmung. Ich finde nicht, dass das Bild rosig ist.

STANDARD: Teilen Sie die Meinung vieler Experten, wonach China wegen der größeren Exportabhängigkeit stärker unter dem Handelsstreit leiden wird als die USA?

González: China verfolgt eine Taktik der Nadelstiche. Nehmen Sie die Strafzölle auf US-Agrarprodukte. Das trifft Bevölkerungsschichten, denen Donald Trump seine Wahl zu verdanken hat. Die USA packen hingegen die Bazooka aus. Eine riesige Waffe, die viel Lärm macht. Doch die USA fühlen schon die Schmerzen. Die Bauern, die weniger exportieren, werden schon mit massiven Hilfspaketen unterstützt. Für mich ist eines klar: Es gibt keine Gewinner im Handelsstreit.

STANDARD: Nächstes Jahr ist die Präsidentschaftswahl in den USA. Warum riskiert Trump mit Strafzöllen eine Rezession und steigende Arbeitslosigkeit?

González: Der Konflikt hat einen tieferen Hintergrund. Trump geht es um geopolitische Fragen und um die Vormachtstellung im 21. Jahrhundert. Sein Tenor lautet: Alle leben auf Kosten der USA. Der Präsident streicht zuerst die negative Situation hervor, um dann die Lösung des Problems zu präsentieren.

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Die Exporte Chinas und der USA schwächeln wegen des Handelskonflikts bereits.
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STANDARD: Hat Trump nicht einen Nerv getroffen, indem er das Aussterben ganzer Industrien mit den wachsenden Einfuhren aus China in Verbindung setzt?

González: Was Trump richtig gemacht hat, ist, die Verlierer der US-Wirtschaft zu identifizieren. Es gibt Verlierer, die wir manchmal vergessen. Die USA haben ihnen keine Aufmerksamkeit geschenkt. Die zweite Frage ist, ob Handel, technologischer Wandel oder veränderte Konsumgewohnheiten dazu geführt haben, dass es so viele Verlierer gibt. Dazu gibt es viel Forschungsarbeit, die im Wesentlichen zum Schluss kommt, dass die Jobverluste zu 80 Prozent durch den technologischen Fortschritt verursacht wurden. Der entscheidende Punkt ist, wie wir mit den Verlierern umgehen. Dänemark und andere Länder geben im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung das Zehnfache der USA für die Umschulung von Leuten aus, die ihre Jobs verloren haben. Die USA engagieren sich auf dem Gebiet nicht ausreichend. Die einseitigen Maßnahmen gegen China werden nichts daran ändern, dass gewisse Gruppen verlieren.

STANDARD: Europa verhält sich in dem Konflikt eher passiv, manche meinen, die EU könnte sogar vom Handelsstreit zwischen den USA und China profitieren.

González: Es ist richtig, dass europäische Firmen einige der mit Zöllen belegten Lieferungen aus China ersetzen. Das ist aber eine kurzfristige Betrachtung. Langfristig wird der Konflikt die Welthandelsordnung schwächen. Und das sind schlechte Nachrichten für die EU. Die Frage ist nicht, ob wir aufseiten Chinas oder der USA stehen. Die Frage ist, ob wir Ordnung oder Chaos haben. Europa kann im Chaos nicht florieren. (Andreas Schnauder, 29.8.2019)