Die Fronten waren rasch abgesteckt. Nachdem die SPÖ am Dienstag im Wahlkampf lautstark ihre alte Forderung nach der Einführung einer Erbschaftssteuer erneuert hatte, waren am Mittwoch gleich Industriellenvereinigung (IV) und FPÖ ausgerückt, um den Vorschlag abzulehnen.

Die IV sprach davon, dass der SPÖ-Vorschlag Arbeitsplätze gefährde, weil ja auch Unternehmen zur Kasse gebeten werden sollen. Die FPÖ argumentierte, dass Vermögenssteuern sinnlos wären, weil Reiche ihr Geld sowieso ins Ausland bringen. Anbei ein kleiner Reiseführer, um sich in der Debatte zurechtzufinden.

1. Der Vorschlag erklärt

Der SPÖ-Vorschlag sieht einen "Lebensfreibetrag" von einer Million Euro vor. Erbschaften, und um Umgehungen zu verhindern auch Schenkungen über 10.000 Euro, würden eingerechnet werden. Ist die Freigrenze überschritten, greift die Erbschaftssteuer. Der Steuertarif soll zunächst 25 Prozent für Vermögen bis zu fünf Millionen Euro betragen und steigt auf bis zu 35 Prozent für Vermögen über zehn Millionen Euro.

Ein Beispiel: Frau X erbt 1,2 Millionen Euro von ihrem Vater Y. Sie müsste 50.000 Euro Steuern an den Staat zahlen.

Ein häufiger Einwand lautet, dass dieses Geld bereits versteuert wurde – Y zahlte sein Leben lang brav Einkommenssteuer. Das ist prinzipiell richtig, aber das ist kein Einzelfall. Einfachstes Beispiel: die Umsatzsteuer. Wenn Herr Y im Supermarkt Tomaten gekauft hat, erwarb er diese auch mit versteuertem Einkommen. Außerdem: Die Steuerpflicht trifft die Erben, nicht die Erblasser.

2. Wenige wären betroffen

Die verlässlichsten Daten zum Vermögen in Österreich stammen aus Haushaltsbefragungen über Finanzen und Konsum, die unter Schirmherrschaft der Europäischen Zentralbank stattfinden. Publiziert werden diese Daten von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Das Problem: Richtig reiche Menschen werden im Rahmen der Befragungen kaum erfasst, sie machen meist nicht mit. Sicher ist, dass Menschen mit Vermögen von mehr als einer Million Euro zu den top fünf Prozent in Österreich zählen, was die Vermögensverteilung betrifft. Das Medianvermögen liegt bei rund 83.000 Euro, die Hälfte besitzt also mehr, die andere Hälfte weniger. Auf mehr als eine Million Euro kommen sehr wenige.

Dem Sonnenuntergang entgegen. Ist es Zeit, der Konzentration von Vermögen gegenzusteuern? Darüber wird auch in Österreich diskutiert

In einer separaten Studie haben zwei Ökonomen der OeNB analysiert, wer die Vermögenden sind: Zu den fünf reichsten Prozent gehören vor allem Menschen, die Unternehmen oder Unternehmensanteile besitzen, Immobilieneigentum allein verhilft seltener zu so großen Vermögen.

Mehr Einblick geben Statistiken aus Deutschland, wo es eine Erbschaftssteuer bereits gibt. Das Land ist interessant, weil die Vermögensverteilung in der Bundesrepublik jener in Österreich nicht ganz unähnlich ist. Auch diese Zahlen zeigen, dass Erbschaften in einer kleinen Gruppe stark konzentriert sind. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat in einer Studie 2016 errechnet, dass bei etwa der Hälfte der Erbfälle weniger als 50.000 Euro vermacht wird. Lediglich um die 1200 Fälle gibt es im Jahr, bei denen mehr als fünf Millionen Euro vererbt werden. Diese machen zwar nur 0,08 Prozent aller Erbinnen und Erben aus, sie erhalten aber 21 Milliarden Euro laut DIW, was 14 Prozent des gesamten Erbvolumens entspricht.

3. Heikle Unternehmensfrage

Große Vermögen sind bei Unternehmern konzentriert. Bei großen Vermögen will die SPÖ richtig zugreifen. Ein Beispiel: Wer eine Firma im Wert von 31 Millionen von seinen verstorbenen Eltern übernimmt, müsste rund zehn Millionen Euro an den Fiskus abführen.

Die Industriellenvereinigung sieht darin eine Gefahr, weil hier in die Substanz von Unternehmen eingegriffen wird. So könnten Unternehmer das Geld investieren und neue Jobs schaffen. Produktives Kapital werde auf diese Weise zerstört. Ein anderer Einwand: Was passiert mit Unternehmen, die schlecht dastehen? Was, wenn jemand eine große Firma erbt, diese aber kaum Geld abwirft – führt eine Erbschaftssteuer zu mehr Betriebspleiten? Gegenargument: In Österreich existieren Verfahren, um diesen Umstand zu berücksichtigen.

Bei börsennotierten Konzernen richtet sich der Unternehmenswert nach Kursen. In diesen sind Gewinnerwartungen abgebildet. Bei anderen Unternehmen wird der Firmenwert nach dem "Wiener Verfahren" ermittelt: Dabei werden der Wert des Firmenvermögens und die Ertragserwartungen berücksichtigt. Letzteres auf Basis der vergangenen Geschäftsjahre. Die Ertragslage wird bei der Ermittlung der Steuerhöhe also berücksichtigt. Der SP-Plan sieht bei der Übergabe von Betriebsvermögen Ausnahmen vor. Die Zahlungen dürfen auch gestundet werden.

4. Wer kann, würde gehen

Innerhalb der EU gilt der freie Kapitalverkehr. Große Unternehmer könnte nichts davon abhalten, ihre Zentralen ins Ausland zu verlagern und in Österreich erst recht keine Erbschaftssteuern zu zahlen. Zu diesem Punkt findet sich im SPÖ-Vorschlag nichts. Ein Beispiel: In Schweden wurde die Erbschaftssteuer 2004 abgeschafft, das Land böte sich als Ausweichstandort an. Ebenso kann Finanzvermögen abgezogen werden, übrig blieben nur einige wenige Immobilienbesitzer.

5. Clash der Ideologien

Dass die Erbschaftssteuer so hitzig diskutiert wird, liegt an den vielen berührten Sachverhalten. Es geht um die Besteuerung im Rahmen enger Verwandtschaftsverhältnisse: Für Gegner der Steuer greift der Staat in das Familienvermögen ein, schmälert die dort geschaffenen Vermögenswerte.

Für Befürworter zählt dieses Argument nicht. Erben bedeutet, leistungsfrei Vermögen zu erhalten. Wie könne es sein, dass erarbeitete Einkommen von Unternehmern und Arbeitnehmern mit zum Teil mehr als 40 Prozent besteuert werden, während Erben gratis ist? Gegner der Erbschaftssteuer betonen, wie hoch die "Steuerlast" ohnehin schon sei, der Staat solle also nicht noch mehr nehmen. Mit einer Abgabenquote von über 42 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt Österreich tatsächlich im Spitzenfeld der Industriestaaten.

Eine Diskussion über zusätzliche Steuern sei demnach nicht angebracht, der Staat solle zuerst effizienter werden, so das wirtschaftsliberale Institut Agenda Austria.

Fakt ist auch: In kaum einem Industrieland sind Vermögen so niedrig besteuert. Die hohe Steuerlast kommt zustande, weil Arbeit stark belastet ist. Inzwischen beinhaltet jedes Konzept für eine Erbschaftssteuer eine Senkung anderer Abgaben.

6. Menschen sagen Nein

Die Unterstützung für die Erbschaftssteuer ist überschaubar. Laut der erwähnten Untersuchung der Nationalbank sagen gerade 20 Prozent der Befragten in Österreich, dass sie dafür sind. Bei internationalen Organisationen hat zuletzt ein Wandel eingesetzt. Die Industriestaatenorganisation OECD hat zur Stärkung der Mittelschichten gefordert, Arbeit weniger zu belasten und im Gegenzug Erbschaften zu besteuern. Das solle zu mehr Aufstiegschancen für die junge Mittelschicht führen. (András Szigetvari, Leopold Stefan, 29.8.2019)