Wollte die "volle Macht" – und stürzte wie ein moderner politischer Ikarus: Matteo Salvini.

Man sollte sich keine Illusionen machen: Die neue Regierungskoalition aus der populistischen Anti-System-Bewegung der Fünf Sterne und den Sozialdemokraten des PD ist ein reines und zudem prekäres Zweckbündnis. Es wurde nicht "zum Wohle des Landes" geschlossen, wie die neuen Partner nun sicherlich beteuern werden, sondern einzig, um Neuwahlen und damit einen absehbaren Sieg des rechtsradikalen bisherigen Innenministers und Lega-Chefs Matteo Salvini zu verhindern.

Für Italien und Europa ist die neue Koalition dennoch eine gute Nachricht, denn ein Durchmarsch des europafeindlichen und Putin-freundlichen Salvini und seiner postfaschistischen Partnerin Giorgia Meloni hätte viele bisherige Gewissheiten im Belpaese infrage gestellt: die Zugehörigkeit zum Euro, die atlantische Bündnistreue, wahrscheinlich auch die Grundlagen des liberalen demokratischen Rechtsstaats. Eine gute Nachricht ist die neue, gelb-rote Regierung von Giuseppe Conte freilich nur, wenn sie bis zum Ende der Legislaturperiode, also bis 2023, durchhält. Denn sonst ist das Problem Salvini bloß aufgeschoben, nicht aufgehoben.

Der Lega-Chef ist bereits dabei, eine Dolchstoßlegende zu basteln: Die Fünf Sterne und der PD hätten einen von langer Hand vorbereiteten "Umsturz" herbeigeführt, um Italien an die EU und an Angela Merkel zu verkaufen und wieder "mit Migranten zu füllen". Doch den angeblichen Umsturz hat er selber verschuldet: Mit seinem Misstrauensantrag gegen Conte hat er das geschafft, was seinen schwachen Gegnern wohl in vielen Jahren nicht gelungen wäre: ihn aus dem Sattel zu katapultieren und in die Opposition zu verbannen.

Berauscht von sich selber und von sagenhaften Umfragewerten wollte Salvini nach der "vollen Macht" greifen – und hat sich dabei grandios verkalkuliert. Er stürzte wie ein moderner, populistischer Ikarus. Die Italiener reiben sich immer noch die Augen – die einen konsterniert und frustriert, die anderen erleichtert und schadenfroh. (Dominik Straub aus Rom, 28.8.2019)