Die Zahl der Masernerkrankungen in Europa ist zuletzt stark gestiegen. Vier europäische Länder, in denen die Masern eigentlich als ausgerottet galten – Albanien, Tschechien, Griechenland und Großbritannien – haben nun ihren Status als masernfrei verloren.

"Wir sind zurück auf dem falschen Weg", sagt Kate O'Brien vom Immunization Department der WHO. Alle vier europäischen Länder hätten eine hohe nationale Durchimpfungsrate. Doch das sei nicht genug, es brauche eine "hohe Rate in jeder Gemeinde und jeder Familie", so O'Brien. Demnach gibt es auf lokaler Ebene immer noch Impflücken, die eine Infektion mit Masernviren begünstigen.

Als von Masern frei gilt ein Land, wenn dort über einen Zeitraum von zwölf Monaten keine Übertragung der Krankheit festgestellt wird. Nicht gezählt werden alle Neuerkrankungen die von Menschen verursacht wurden, die außerhalb des Landes gereist waren oder von Touristen, die ins Land eingereist sind.

Fälle in 48 von 53 Ländern

Insgesamt zählen 53 Länder zu dem von der WHO auf die Verbreitung von Masern und Röteln untersuchten Gebiet. Davon sei es in 48 Ländern im ersten Halbjahr 2019 zu Masernfällen gekommen. Besonders betroffen seien die Ukraine, Kasachstan, Georgien und Russland gewesen. 78 Prozent aller Masernfälle des ersten Halbjahrs sind dort aufgetreten.

Alleine in den ersten sechs Monaten des Jahres zählte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Europa rund 90.000 Fälle. Damit hat sich die Zahl der Erkrankungen gegenüber dem Vergleichszeitraum 2018 verdoppelt, berichtete die WHO am Donnerstag. In rund 60 Prozent der Fälle waren die Betroffenen jünger als 19 Jahre.

In Österreich wurden bis 1. August 136 Erkrankungen registriert. Zum Vergleich: 2018 waren es im gesamten Jahr nur 77 Fälle. Hierzulande gilt die Erkrankung weiterhin als ausgerottet. In zwölf Ländern gelten die Masern als endemisch, etwa in Deutschland und Frankreich. Das bedeutet, dass die Erkrankung dauerhaft gehäuft in einer begrenzten Region oder Population vorkommt

100 Todesfälle seit 2018

"Die Rückkehr der Masern ist besorgniserregend", so der WHO-Experte Günter Pfaff. Eine solche Entwicklung habe es seit Beginn der genauen Überwachung 2012 nicht gegeben. Zu den Symptomen der Erkrankung zählen Fieber, Husten und Hautausschläge, in manchen Fällen kommt es zu einer Erblindung oder bei Schwangeren zu einer Fehlgeburt.

Seit Jänner 2018 seien rund 100 Menschen in Europa an der Infektionskrankheit gestorben, so die WHO. Bei Röteln sei die Lage besser. Hier gelten laut WHO 39 Länder als frei von der Infektionskrankheit, damit zwei mehr als 2017.

Die jahrelangen Anstrengungen hätten die Masern fast ausgerottet. "Aber die Ausbrüche zeigen, dass noch mehr Mühe nötig ist", so die WHO-Regionaldirektorin für Europa, Zsuzsanna Jakab. Jetzt sei es Zeit, alles anzusprechen, was dazu geführt habe, dass sich das mitunter tödliche Virus weiter hartnäckig halten könne. Es sollte jede Gelegenheit genutzt werden, Kindern die Routine-Impfung zu geben, Erwachsene über ihren Impfstatus aufzuklären und gegebenenfalls zu impfen.

Extrem ansteckend

Die Masern sind eine hochansteckende Erkrankung. 98 von 100 Personen, die nicht geimpft sind und mit dem Virus in Kontakt kommen, stecken sich an. Masern werden beim Husten, Niesen aber auch beim Sprechen übertragen – selbst auf einige Meter Entfernung.

Die Ansteckung kann durch eine Impfung vollständig verhindert werden. Für einen umfassenden Schutz sind zwei Impfungen im Abstand von vier Wochen nötig. Diese können frühestens mit dem vollendeten neunten Lebensmonat und sollten spätestens vor Ende des zweiten Lebensjahres verabreicht werden.

Die BBC erklärt in einem Video, wie der Herdenschutz funktioniert.
BBC News

Ohne eine verbreitet hohe Impfrate würden Kinder wie Erwachsene unnötig leiden oder sogar sterben, so die WHO. Denn Impfungen schützen auch diejenigen, die selbst nicht geimpft werden können – weil sie zu jung, krank oder schwanger sind. Je mehr Menschen geimpft sind, desto geringer ist das Risiko für Ungeimpfte, sich anzustecken. Liegt die Durchimpfungsrate mit zwei Dosen über 95 Prozent, kann die Krankheit ausgerottet werden, der sogenannte Herdenschutz ist gesichert.

Ängste von Impfgegnern

Gesundheitsexperten warnen, dass Lügen über die Masernimpfung die Ausbreitung der Krankheit in bestimmten Gemeinden und Gemeinschaften befördern würden.

Immer wieder gibt es Impfgegner, die sich darauf verlassen, dass ihre Mitmenschen geimpft sind und sie von diesem Herdenschutz profitieren. Oder sie argumentieren, eine durchstandene Erkrankung stärke den Körper. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Nach der Erkrankung ist das Immunsystem so geschwächt, dass über mehrere Jahre das Risiko für den Tod durch andere Infektionskrankheiten erhöht ist.

Auch die Nebenwirkungen von Impfungen sind statistisch unerheblich, denn das Risiko für eine Gehirnhautentzündung nach einer Impfung liegt bei einem von einer Million Fälle. Zum Vergleich: Eine Folge von Masern kann in einem von 1.000 Fällen die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE), eine lebenslange Behinderung, sein. (APA, bere, 29.8.2019)