Ein "Kompass" im Maßstab von Bakterien.
Illustration: Philipp Weber, Universität Wien

Wien – Schon seit einigen Jahren beschäftigt sich eine Wiener Forschergruppe mit einer ganz speziellen Symbiose, die man in seichten tropischen Gewässern finden kann. Einer der Partner ist der bis zu einen Zentimeter lange Fadenwurm Laxus oneistus, der andere ist ein stäbchenförmiges Bakterium mit der vorgeschlagenen Bezeichnung Candidatus Thiosymbion oneisti. Diese Bakterien sitzen dicht an dicht auf der Körperoberfläche des Wurms wie die Stacheln eines Igels.

Die Bakterien haben offenbar einige bemerkenswerte Anpassungsleistungen erbracht, um diese Lebensgemeinschaft aufrechterhalten zu können. Vor einigen Jahren bereits haben die Wissenschafter um Silvia Bulgheresi vom Department für Ökogenomik und Systembiologie der Uni Wien herausgefunden, dass sich die Bakterien – anders als andere Stäbchenbakterien – längs statt quer teilen, um beiden Tochterzellen eine feste Bindung zum Wurm zu ermöglichen.

Bakterielle Kompassnadel

In einer neuen Arbeit konnten die Wissenschafter nun zeigen, dass das noch nicht alles ist. Als sie die Ausrichtung des Erbguts der Bakterien unter die Lupe nahmen, stellten sie fest, dass die Mikroben ihre Chromosomen so an die Tochterzellen weitergeben, dass deren Ausrichtung zum Wirt am Ende der Zellteilung immer die gleiche ist. Erstautor Philipp Weber vergleicht dies mit einer Kompassnadel, die immer zum Nordpol zeigt.

Auch darin unterscheidet sich das untersuchte Bakterium von anderen. Üblicherweise liegt der Replikationsursprung der Tochterzelle genau am gegenüberliegenden Pol von jenem der Mutterzelle. "Bei unserem Bakterium liegt dieser Ort auf dem DNA-Molekül, an dem die Replikation des Erbguts beginnt, in der Mitte der Zelle und bleibt dort über Generationen", sagt Bulgheresi. Dadurch bleibe die Orientierung der Chromosomen in allen Zellen gleich, Mutter und Töchter haben die gleiche Ausrichtung.

Die Wissenschafter vermuten, dass diese Art der Zellteilung für die Bakterien von Vorteil ist. Denn dadurch würden jene Gene, die für die Interaktion mit dem Wurm relevant sind, nahe an dessen Oberfläche liegen. Umgekehrt würden jene Gene, die für die Wechselwirkung mit der Umwelt nötig sind, auf der gegenüberliegenden Zellhälfte, also außen, positioniert sein. (APA, red, 1. 9. 2019)