Seit 2014 lässt Elite: Dangerous tausende Spieler Rolle eines Raumschiff-Kommandanten einnehmen

Foto: Frontier: Development

"Ich bin am Heimweg, bin in einer halben Stunde online", schreibt Marcus R. in seiner Playstation-Chat-Gruppe "Elite: Dangerous Deutsch". Er ist 37 Jahre alt und spielt seit zwei Jahren. Zuhause angekommen schaltet er seine Playstation 4 ein, setzt sich in das virtuelle Cockpit seines Raumschiffes, steckt das Headset an seinen Controller an und begrüßt seine Weltraum-Kollegen mit den Worten "Hallo, schönen Abend allerseits".

Seit dem Release des Games auf der Playstation 4 im Jahr 2017, schlüpft Marcus regelmäßig in die Rolle eines "Commanders" und hat sich online nicht nur ein Arsenal an gut ausgerüsteten Raumschiffen und viele Credits aufgebaut, sondern auch eine Gruppe von Spielkameraden, die sich regelmäßig online treffen. Manchmal spielt Marcus 10 bis 20 Stunden in der Woche, manchmal auch mehrere Monate lang gar nicht.

Ein Spiel aus den 80ern

Elite: Dangerous ist das vierte Spiel der Science-Fiction-Reihe, und das erste seit 1995. Die Entwickler hatten lange Zeit Probleme, einen Publisher zu finden – auf Kickstarter fanden sich jedoch zahlreiche Fans und Investoren, die die Finanzierung der Entwicklung ab 2012 ermöglichten.

2014 erschien der lang erwartete Science-Fiction-TItel für den PC – 2015 für Xbox, und 2017 schließlich für die Playstation 4. Der Erfolg blieb nicht aus, das Spiel wurde laut der im Februar veröffentlichten Geschäftszahlen von Frontier Developments bereits 4,3 Millionen Mal verkauft. Die Geschichte der Weltraumsimulation geht dabei bis in die 80er Jahre zurück: "Elite" hieß der erste Teil der Serie, geschaffen von den Spieleentwicklern David Braben und Ian Bell. Der Mix aus Wirtschafts- und Raumflugsimulation ist eines der ersten Games, die 3D-Grafik auf Bildschirmen nach Hause brachte.

Freiheit und unendliche Weiten

Aus der klobig aussehenden und technisch begrenzten Weltraumsimulation aus dem Jahre 1984 ist heute ein immersives Spieluniversum geworden. Es gibt 400 Milliarden Systeme zu entdecken, zahlreichen Raumschiffmodelle, die bis ins kleinste Detail justiert und verbessert werden können, und unterschiedlichste Rollen, die Spieler einnehmen können. Eine vorgeschriebene Handlung und ein übergreifendes Ziel gibt es nicht. Der Multiplayer-Modus haucht dem kalten und handlungsarmen Universum Leben ein und lässt Feind-, Freund- und Kameradschaften entstehen.

Online können Spieler gemeinsam auf Erkundungstour gehen
Foto: Frontier: Development

Für Spieler Marcus R. sind die absolute Freiheit und die fühlbaren unendlichen Weiten des Weltalls zwei der vielen Besonderheiten des Spiels. "Du entscheidest selber, wer du bist. Vom Spacepiraten, Händler, Raumschiffsammler oder Entdecker kannst du alles sein. Elite macht einem da überhaupt keine Vorgaben." Spieler müssen kreativ sein, und sich eigene Ziele setzen, so Marcus im Gespräch mit dem STANDARD. "Manche streben ein spezielles Schiff an, manche wollen gewisse Ränge erreichen, andere wollen bis ans andere Ende der Galaxie reisen." Die fehlende vorgeschriebene Handlung und die damit verbundene Freiheit hat zwar seinen Reiz, jedoch habe Marcus schon öfter Spieler getroffen, für die der Story-Mangel ein Ausscheidungskriterium gewesen ist.

Komplexes Spiel

Nicht nur in Sachen Handlung lässt Elite: Dangerous Spieler alleine – auch bei der Erklärung von verschieden Spielmechaniken, Funktionen und Möglichkeiten ist das Spiel alles andere als zugänglich. Das Game ist für seine steile Lernkurve und Komplexität bekannt und von Fans dafür geliebt.

Auch für Marcus R. ist der Umfang des Wissens, das für das Spiel gesammelt werden muss, etwas Einzigartiges: "Ich habe noch nie ein Spiel gespielt, bei dem ich mich extern so viel damit beschäftigt habe. Ich habe Stunden auf Foren, oder mit Youtube-Tutorials verbracht, um mich zu informieren." Besonders umfangreich sei die Mechanik rund um die Schiffe, denn an diesen könne so ziemlich jede Komponente des Systems ausgetauscht, neu kombiniert und verbessert werden.

Ein Raumschiff im Hangar einer Raumstation -
Foto: Screenshot/Oag_Jade

Marcus R. erinnert sich an 2017, und seine ersten Tage als Anfänger. Auch wenn die online Weltraumsimulation nicht das erstes Multiplayer-Game für ihn war, war es das erste, das ihn dazu gebracht hat, aktiv Kontakt mit anderen Spielern aufzunehmen.

Gleich am dritten Spieltag meldete sich Marcus bei zwei Communities für Playstation-Spieler an. Dort habe ein reger Informationsaustausch unter Spielern stattgefunden. Marcus hatte die Info, das in einem speziellen System Missionen verfügbar waren, die sich für Anfänger gut eigneten. "In der Community hat jemand gefragt, ob wir gemeinsam hinfliegen möchten, und das haben wir getan. Als wir dort angekommen sind, sind wir in eine Party (einem Voice-Chatroom auf der Playstation) gegangen, haben uns kennengelernt, und das erste halbe Jahr gemeinsam gespielt".

Community

Für Marcus sei es tatsächlich die Komplexität des Videospiels, die Spieler zum Austausch und Zusammenspielen treibe. Aus Marcus ersten Kontakten mit anderen Neulingen, habe sich eine Gruppe aus 35 deutschsprachigen Spielern entwickelt, die noch immer wächst. Das gegenseitige Unterstützen und gemeinsame Lernen sei für Marcus ein wichtiger Spaßfaktor gewesen: "Gerade am Anfang, ist es schön mit anderen zusammenzuarbeiten, und sich Stück für Stück mit verschiedenen Aspekten des Spiels befassen zu können." Hätte er keine Spielkameraden gefunden, wüsste er nicht, ob er seinen heutigen Fortschritt je erreicht hätte. "Ich glaube, wenn ich das alleine gespielt hätte, wäre ich vielleicht nicht so weit gekommen, und würde es vielleicht nicht mehr spielen", sagt er.

Der Multiplayer-Modus ist ein definierender Bestandteil der Weltraumsimulation
Foto: Screenshot/Oag_Jade

Mittlerweile habe sich die Gruppe rund um Marcus zu richtigen Kameraden entwickelt, die nicht nur Tipps und Tricks austauscht, sondern auch gemeinsam an Zielen arbeitet, oder Testschlachten im All durchführt. Für Marcus müsse man jedoch nicht immer zusammen spielen – auch mache es Spaß in einem Voice-Chat mit 5 anderen Spielern zu sein, die alle ihre eigenen Aufgaben erfüllen und währenddessen miteinander plaudern: "Es gibt einige Tätigkeiten im Spiel, die nicht sehr spannend sind, manchmal muss man Stunden lang fliegen oder Rohstoffe sammeln, da ist es einfach angenehm sich mit jemandem währenddessen zu unterhalten."

Negative Seiten

So schön auch online Freundschaften sein können, für Marcus kann jede positive Eigenschaft des Multiplayer-Modus auch als Schattenseite aufgefasst werden. Zum einen kann das gemeinsame Streben nach Verbesserungen und Errungenschaften in einer Gruppe zu einem gewissen Leistungsdruck führen: "Besonders in der Anfangsphase kann es einem passieren, dass wenn man mit fortgeschrittenen Spielern spielt, die schon viel In-Game-Geld besitzen oder alle möglichen Upgrades und Schiffe haben, unter Druck gesetzt wird und aufholen möchte. Das kann natürlich den Spaß verderben."

Auch wenn sich eine Gruppe von Spielern nur virtuell kennt, seien soziale Faktoren nicht zu unterschätzen: "Es kann natürlich sein, dass man vielleicht mal nicht zusammen spielen möchte, nebenbei ein Hörbuch hören oder einfach alleine sein möchte", erzählt Marcus. "Wenn dann fünf, sechs Leute online sind, bekommt man dann sicher eine Einladung in die Party. Dann muss man sich erklären, oder es wird nachgefragt. Für manche Leute könnte das als ein gewisser sozialer Zwang gesehen werden, man könnte sich denken ‘ja die Leute kenn ich und die erwarten jetzt dies und jenes von mir.’ Das darf man nicht unterschätzen."

Arbeitsintensives Spiel

Elite: Dangerous ist zweifelsohne ein zeitintensives Spiel. Für jede Verbesserung müssen mehrere Stunden Arbeit investiert werden und ohne In-Game-Geld kann kann man kaum etwas erreichen. Für gewisse Schiff-Upgrades müssen entfernte Systeme besucht und seltene Ressourcen abgebaut werden. Marcus kann es verstehen, wenn das ewige Arbeiten an den Nerven der Spieler zehren kann, doch ihn erfüllen die Fortschritte und Früchte seiner Hartnäckigkeit. "Es macht einfach Spaß sich in so ein umfangreiches Spiel einzuarbeiten, eben weil es so anspruchsvoll ist, da hat man wirklich das Gefühl, dass die Zeit, die man da reinsteckt, sich in Erfahrung und Können widerspiegelt. Sei das jetzt nun technisches Wissen oder Flugkünste im Kampf, man merkt, dass man besser wird."

Auf Planeten lassen sich Recourcen abbauen, die zum Handeln und Bauen von Raumschiffkomponenten gebraucht werden
Foto: Screenshot/Marcus

Auch wenn es kein "Ende" des Spiels gibt, könne jedoch schon ein Punkt erreicht werden, bei dem man als Spieler nichts mehr zu tun oder zu verbessern hat: "Irgendwann hat man alle Schiffe, die man haben wollte, und sehr viel In-Game-Geld – man startet mit 1.000 "Credits" und ich habe jetzt 6 Milliarden – natürlich verliert man dann die Lust am Spiel irgendwann und es wird öde. Da müssen sich dann die Spielentwickler neuen Content einfallen lassen, der die Spieler wieder reizt" – genau das hat das Entwicklungsstudio Frontier Developments bisher gemacht.

Kontinuierliche Weiterentwicklung

Das Unternehmen verfolgt bei Elite: Dangerous eine klare Strategie: stetige Weiterentwicklung des Spiels und Pflege der Community. Erkennbar wird dies an den kontinuierlichen inhaltlichen Erweiterungen, die größtenteils kostenlos zu Verfügung gestellt werden. Die Erweiterung "Horizons" aus dem Jahr 2015 ist die größte und einzige kostenpflichtige Expansion, die das Spiel erst zu dem macht, das es heute ist. Hinzugefügt wurden unter anderem Planetenlandungen und Fahrzeuge für Oberflächen.

Mit dem nächsten, kostenlosen Update "Beyond" wurden 2018 feindliche Aliens eingeführt – die "Thagoiden", die Raumstationen angreifen, welche wiederum von Spielern evakuiert werden können. Kurz vor diesem Update hatte Marcus eine längere Spielpause eingelegt – als er jedoch in einem Youtube-Video gesehen hatte, wie ein Spieler sein Raumschiff umrüstete, um es für den Kampf gegen Aliens zu optimieren, wurde er wieder vom Reiz der Weltraumsimulation erfasst.

So sieht die Alienrasse des Elite: Dangerous Universums aus
Foto: Screenshot/Marcus

Die jahrelangen Updates und kontinuierliche Hege und Pflege Frontier Developments, ist auch der Grund dafür, warum Marcus sogar Geld für Mikrotransaktionen ausgibt. Zu kaufen sind ausschließlich kosmetische Verbesserungen – Lackierungen und Verzierungen für Schiffe oder verschiedene Stimmen für den Bordcomputer. "Ich habe schon, bei vollem Bewusstsein, 40-50 Euro für das Aussehen meiner Lieblingsschiffe ausgegeben, das muss ich zugeben. Doch wenn es ein Raumschiff ist, auf das ich aufgrund der Einstellungen sehr stolz bin, dann gönne ich mir gerne eine schöne Lackierung dafür."

Elite Dangerous

Außerdem wisse er, dass das Geld einem relativ kleinen Studio zu Gute komme, das zumindest noch bis 2022 aktiv am Spiel weiterentwickeln wird. "Ich denke mir, bei den ganzen Spielstunden und Neuerungen, die ich von diesem Nischentitel bekommen habe, tut es mir nicht weh, ein bisschen etwas extra auszugeben." Die ersten 50 Euro, die er für das Basisspiel, inklusive der ersten Erweiterung ausgegeben hat, haben sich schon mehr als ausgezahlt, so Marcus. Auch freue es ihn, das Studio weiter unterstützen zu können: "Wenn ich ein bisschen dazu beitragen kann, dass das Spiel weiterentwickelt wird und ich es ein bisschen länger genießen kann, dann bin ich froh."

Großes Update auf Gamescom präsentiert

Im September wartet das nächste, große Update auf die Spieler von Elite: Dangerous. Auf der Gamescom 2019 präsentierte Frontier Developments Trägerschiffe (Fleet Carriers), die von Spielern gekauft werden können, und mit denen eine Reihe neuer Aktivitäten durchgeführt werden können: Kopfgeldjagd, regulärer Handel und das Schmuggeln sind ein paar Tätigkeiten auf der Liste.

Elite Dangerous

Das für 17. September angekündigten Update soll auch den holprigen Einstieg in das Spiel erleichtern: in einem neuen Tutorial werden in gesprochener Form alle Grundlagen des Kämpfens, Fliegens, Handelns und Scannens erklärt.

Wahrgewordener Kindheitstraum

Die Motivation und den Reiz eines solchen Spiels konnte Marcus in ganz verschiedenen Bereichen beobachten: manche Mitspieler seien mit dem ersten "Elite"-Titel aus 1984 aufgewachsen, und sehen in dem neuen Spiel einen wahr gewordenen Kindheitstraum.

Andere würden hingegen die Freiheit genießen, und die Faszination einer Weltraumsimulation, die Realität und Fiktion verschwimmen lässt, begrüßen. Man kenne die meisten Komponenten und Ideen aus Filmen wie Star Wars – für Science Fiction Fans sei es etwas anderes, diese Zukunftsvision auszuleben, anstatt sie in einem Film anzuschauen oder ein Spiel mit vorgefertigter Story zu verfolgen. (Tiana Hsu, 1.9.2019)