Nach Erscheinen des Ibiza-Videos kündigte Hans Peter Haselsteiner im Mai im Gespräch mit dem STANDARD an, "alle Aufträge des vergangenen Jahres, die wir verloren haben", genau zu analysieren.

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ÖBB-Konkurrent Westbahn sieht sich bei jüngsten Vergaben von Bahnleistungen durch das Verkehrsministerium benachteiligt und geht nun strafrechtlich dagegen vor. Angriffspunkt ist die im Ibiza-Video gefallene Aussage, dass "der Haselsteiner" keine Aufträge mehr bekommen werde, wenn die FPÖ in die Regierung komme. Das Unternehmen hat daher eine Untreueanzeige gegen unbekannt eingebracht. ÖBB und das Verkehrsministerium weisen alle Vorwürfe zurück.

Der Industrielle und Neos-Finanzier Hans Peter Haselsteiner hält an der Westbahn 49,9 Prozent. Nachdem das 2017 getätigte Ibiza-Zitat des inzwischen zurückgetretenen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache ruchbar geworden war, ließ er alle Vergabeverfahren prüfen, die seine Firmen und Beteiligungen betreffen, schilderte Westbahn-Geschäftsführer Erich Forster in einer Pressekonferenz am Freitag.

Privatgutachten: Vergabe gesetzes- und verfassungswidrig

Für das Bahnunternehmen liegt das Privatgutachten der Kanzlei Heid & Partner jetzt vor, und es sieht durchaus Unregelmäßigkeiten, wie deren Vergaberechtlerin Kathrin Hornbanger ausführte. Die Conclusio: Auch wenn in diesem Bereich Direktvergaben bis Ende 2023 gemäß EU-Recht erlaubt sind, hätten aus Gründen der Wirtschaftlichkeit Vergleichsangebote eingeholt werden müssen, was aber nicht passiert sei.

Die Vergaben seien daher gesetzes- und verfassungswidrig erfolgt, und es gebe eine persönliche Verantwortung vom damaligen Verkehrsminister Norbert Hofer von der FPÖ dafür. Hofers Vorgänger Jörg Leichtfried von der SPÖ ist aus Westbahn-Sicht aus dem Schneider, weil die betreffenden Vergaben sämtlich im Jahr 2018 erfolgten.

Initiativangebote der Westbahn seien einfach negiert worden, obwohl man für Vorarlberg um 25 Millionen Euro günstiger angeboten habe und in Oberösterreich und Salzburg die ÖBB um zehn Prozent unterboten hätte, so Hornbanger. Forster rechnete vor, dass bei Einrechnung des auf zehn Jahre abgeschlossenen Verkehrsdienstevertrags für den Bund rund 1,5 Milliarden Euro einzusparen wären.

Untreueanzeige bei WKStA

Aufgrund all dessen haben die Rechtsanwälte der Westbahn Freitagfrüh Anzeige bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erstattet, und zwar gegen unbekannte Tatverdächtige wegen Untreue. Dies deshalb, weil man die internen Zusammenhänge und Hintergründe im Ministerium nicht kenne, so Forster. Klar sei aber, dass 2018 die FPÖ bereits die entsprechenden Amtsträger gestellt habe.

Dass der Konnex zu Ibiza vielleicht eine gewagte Annahme sei, weil ja auch schon früher direkt an die ÖBB vergeben wurde, wiesen beide zurück. Heute würden andere Voraussetzungen als vor zehn Jahren gelten, und die Direktvergabe-Ausnahme laufe 2023 aus, so Forster.

Zur Frage, ob er beim nunmehrigen designierten FPÖ-Chef Hofer einen Vorsatz erkenne, die Westbahn nicht zum Zug kommen zu lassen, sagte der Geschäftsführer: "Für uns ist es zumindest sehr eigenartig, wie die Dinge abgelaufen sind." Es sei möglich, "dass Dinge nicht einflussfrei gelaufen sind". Die WKStA müsse das nun klären.

Ministerium und ÖBB weisen Vorwürfe zurück

Das Verkehrsministerium (in dem mit Andreas Reichhardt nun der frühere Generalsekretär von Norbert Hofer an der Spitze steht) sieht den Sachverhalt anders und betonte am Freitag in einer Aussendung, dass sich das Instrument bewährt habe und die Entscheidung zu 2018 besiegelten Direktvergaben schon 2016 beziehungsweise 2017 unter dem damaligen Verkehrsminister Leichtfried getroffen worden sei.

Festzuhalten sei auch, dass die Entscheidung für diese Direktvergaben im Ministerium nicht nur auf rechtlichen, sondern auch auf wirtschaftlichen Grundlagen erfolgt sei. Es sei mit Gutachten unterlegt worden, dass der Zuschlag an die ÖBB für die Steuerzahler die gesamtwirtschaftlich beste Lösung sei.

ÖBB sieht Wahlkampfgeplänkel

Das BMVIT erinnerte auch daran, dass die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Direktvergabe in Vorarlberg in allen Instanzen bis zum Verwaltungsgerichtshof bestätigt und sämtliche Einsprüche und Anträge der Westbahn ab- beziehungsweise zurückgewiesen hätten. Genau daran erinnerten auch die ÖBB, die in einer schriftlichen Stellungnahme an die APA die Westbahn-Position scharf zurückwiesen. "Die politische Diskussion über die Direktvergabe von Verkehrsdiensteverträgen ist vermutlich dem aktuellen Wahlkampf geschuldet, aber sollte nicht auf dem Rücken eines funktionierenden Bahnsystems ausgetragen werden", wurde erklärt.

Höchst erbost wegen der Kritik am geschäftsführenden FPÖ-Chef Hofer war dessen Partei. Generalsekretär Christian Hafenecker zeigte sich in einer Aussendung "fassungslos über die Einmischung" von Westbahn-Miteigentümer und Neos-Financier Hans Peter Haselsteiner in den laufenden Nationalratswahlkampf: "Seine Agitation nimmt schön langsam pathologische Züge an. Die heute via Westbahn vorgebrachten Vorwürfe entbehren jeder Grundlage – das wusste Haselsteiner freilich schon vorher, trotzdem nützt er jede Chance, um der FPÖ Schaden zuzufügen. (APA, 30.8.2019)