Das cremefarbene Bolerojäckchen mit Puffärmeln und passendem Seidenfutter, das im Mai beim Münchener Auktionshaus Hermann Historica zum Aufruf gelangte, hatte es Michael Wohlfart angetan. Weniger wegen der von Hand gestickten Bordüren in zarten Rosa- und Blautönen, die an Kragen, Revers und den Ärmelaufschlägen appliziert waren, als seiner einstigen Trägerin wegen: Elisabeth Amalie Eugenie, Herzogin in Bayern, Prinzessin aus dem Hause Wittelsbach, Ehefrau von Kaiser Franz Joseph I., von 1854 an Kaiserin von Österreich und apostolische Königin von Ungarn.

Shoppen auf dem Kunstmarkt: Das Ensemble mit Sommerkostüm und edler Wäsche wechselte 2012 via Hermann Historica für 32.000 Euro (exkl. Aufgeld) in das Sisi-Museum.
Foto: Hermann Historica

So weit die Namens- und Titelangaben der weit über die heimischen Grenzen hinaus Verehrten. Ihre Körpermaße? "91-52-88", Wohlfart, Kurator der Kaiserappartements, kennt sie auswendig, auch ihre einstigen Vorlieben für Pariser Seidenstrümpfe oder Brüsseler Spitze. Einzig der Spitzname "Sisi" geht ihm nicht von den Lippen. In Fachkreisen pflegt man das respektvolle "Kaiserin Elisabeth", auch in der Auktionsbranche wird das so gehandhabt. Die Verwendung der prägnanten Kurzform – in der historisch korrekten Schreibweise mit nur einem s – ist dagegen als Zugeständnis an die leichtere Vermarktung zu verstehen.

Zurück zur Versteigerung in München: Das laut Katalogangaben in Anlehnung an griechische Trachten gefertigte Jäckchen wechselt für 18.000 Euro und ein Muff aus Maulwurffell für 6200 Euro (jeweils exkl. Aufgeld) in den Besitz der Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H, wo Shoppen seit vielen Jahren Männersache ist.

Die Gemeinsamkeit der beiden Exponate: Gemäß der eingenähten Seidenetiketten mit dem Symbol eines gekrönten Delfins waren sie Teil der Achilleion-Kollektion, also jener Garderobe, die für Elisabeths Aufenthalte auf Korfu vorgesehen waren.

75.000 Euro für Stiefeletten

Solche authentische Gegenstände aus dem privaten Alltag der Kaiserin wecken seit jeher auch unter den weltweit verteilten Privatsammlern Besitzergelüste. Eine Konkurrenzsituation, die die oftmals deutlich über den ursprünglichen Schätzwerten erzielten Zuschläge erklärt, von denen das Dorotheum mitunter ebenfalls ein freudiges Lied zu singen weiß.

2018 ersteigerte man im Dorotheum den Sonnenschirm (18.750 Euro inkl. Aufgeld).
Foto: Dorotheum

Beispielhaft dafür stehen die mit weißer Spitze besetzten Seidenstiefeletten, die 2015 für Furore sorgten. Elisabeth hatte sie nur ein einziges Mal getragen und dann ihrem Kammermädchen geschenkt. Den Schätzwert bezifferte das Auktionshaus mit 8000 bis 14.000 Euro, ein heftiges Bietgefecht später lag der Kaufpreis für das Sisi-Museum bei stolzen 75.000 Euro (inkl. Aufgeld).

Ähnlich verlief es im Juni vergangenen Jahres, als man sich um einen Sonnenschirm aus schwarzer Seide mit floraler Stickerei matchte: Entgegen der angesetzten Taxe (2500 bis 5000) bekam Michael Wohlfart das erlösende "zum Dritten" erst bei 18.750 Euro (inkl. Aufgeld) zu hören.

Der Hype um die Monarchin, deren Todestag sich am 10. September jährt, ist auch 121 Jahre nach ihrem Tod ungebrochen. Befeuert wird er nicht nur auf fachlicher Ebene mit Ausstellungen, die unterschiedliche Aspekte ihrer Vita ausleuchten, sondern zeitweise auch mit Publikationen belletristischer Natur.

Ebenfalls 2018 ersteigerte man Satinschuhe (21.250 Euro).
Foto: Dorotheum

Eine solche erschien jüngst unter dem Titel Sisi und die Diamantsterne – ihr Schmuck, ihre Mode und warum so viel davon verschwunden ist. Sie stammt aus der Feder der ehemaligen STANDARD-Redakteurin Johanna Ruzicka, die sich in elf Kapiteln dem Mythos zu nähern versuchte und Antworten auf Fragen liefert, die sich manch ein Sisi-Groupie schon gestellt haben könnte.

Etwa was es mit den "intimen Bildern" auf sich hatte, die der Kaiser von Franz Xaver Winterhalter malen ließ: Konkret geht es um Porträtgemälde, die nicht der Repräsentation dienten, sondern die Kaiserin in unterschiedlichen Posen und mit offenem Haar zeigten. Letzteres galt als unsittlich, dazu habe der Maler "eine Idee von Nacktheit" erzeugt, worauf etwa die helle, meist weiße Farbe der Stoffe der Gewänder der Porträtierten hinwies. Zusammengefasst: Diese Bilder seien als Pornografie zu verstehen.

Johanna Ruzicka,"Sisi und die Diamantsterne".19,90 € / 180 Seiten.Verlag Dr. Snizek, Wien 2019
Foto: Verlag Dr. Snizek

Ein weiteres Streiflicht wirft Ruzicka auf die legendären Diamantsterne, jene Schmuckstücke, die Kaiserin Elisabeths Haarpracht im offiziellen Porträtbild Winterhalters zieren. Dieses Set von 27 Stück bekam später ihre Enkelin Erzherzogin Elisabeth Marie als Brautgabe. Die Originale wurden 1862 vom Juwelier Köchert entworfen und gefertigt. In weiterer Folge produzierten auch andere Häuser ähnliche Varianten.

1998 kam es während einer Ausstellung in Schönbrunn zu einem Diebstahl, dessen Ablauf bis heute ungeklärt zu sein scheint. Der als temporäre Leihgabe aus Privatbesitz dort gastierende und in einer Vitrine gezeigte Diamantstern war von einem Dieb gegen ein Replikat aus dem Museumsshop getauscht worden. 2007 tauchte das Schmuckstück im Besitz eines Bankräubers in Kanada auf.

Die in den Verhören kredenzte Version des Ablaufs klang abenteuerlich: Demnach habe er bei einem Besuch der Ausstellung von Aufsehern gänzlich unbemerkt mit einem Buttermesser aus seinem Hotel die Schrauben der Vitrine gelockert und die Fenster des Raumes geöffnet, um dort Tage später einsteigen zu können. Anschließend habe er einen Hubschrauberpiloten beauftragt, der ihn nächtens über Schönbrunn mit dem Fallschirm abspringen ließ. Reine Fiktion, wie es sich genau zutrug, scheint bis heute ungeklärt. Was zählt: Der Stern kehrte nach Österreich zurück.

Sisi goes China

Der Bestand der hauseigenen Kaiserin-Elisabeth-Sammlung wuchs in den vergangen 20 Jahren auf rund 650 Objekte, von denen nur Teile im 2004 eröffneten Sisi-Museum in der Hofburg zu sehen sind. Ein Selbstläufer übrigens, der 2018 stattliche 829.000 Besucher zählte, vor allem aus Deutschland, Italien und Frankreich.

Derzeit sind die Kuratoren und die wissenschaftliche Leiterin Elfriede Iby mit Vorbereitungen zu einer Ausstellung beschäftigt, die ab März (bis 20. 11. 2020) in Schloss Hof zu sehen sein wird und danach für ein Jahr nach China wandert: Mit rund 180 Objekten, größtenteils aus dem persönlichen Besitz der Kaiserin, die authentische Einblicke in ihr Leben gewähren sollen – und zwar abseits gängiger Klischees und diverser Mythen, die oftmals den Blick auf einen faszinierenden Menschen und eine von Schicksalsschlägen geprägte Vita der Kaiserin verstellen. (Olga Kronsteiner, ALBUM, 31.8.2019)