Loden begleitet ihn von Kindheit an: Johannes Steiner, Chef des gleichnamigen Familienunternehmens.

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Zu seinen Kunden gehören Größen der Mode wie Yves Saint Laurent, Gucci, Hugo Boss oder Ralph Lauren. Arnold Schwarzenegger kommt einkaufen, wenn er in Schladming weilt. Johannes Steiner versucht als Chef des gleichnamigen Familienunternehmens den Spagat zwischen Tradition und Moderne.

STANDARD: Jemals bereut, Unternehmer geworden zu sein?

Steiner: Nein, noch nie. Es gibt logischerweise auch da Freud und Leid. Aber die Freiheit, Unternehmer zu sein, wiegt das voll auf. Das ist in meinen Augen ein hohes Gut.

Standard: Hatten Sie denn die Wahl, etwas anderes zu machen?

Steiner: Der Weg war in gewisser Weise schon vorgezeichnet. Es ist aber nicht so, dass mich mein Vater gezwungen hätte, in das Unternehmen einzusteigen. Ich habe nach der Ausbildung bereits mit 22 begonnen mitzuarbeiten und bin unter anderem ein ganzes Jahr an der alten Hammerwalke gestanden. Die gibt es seit Gründung des Unternehmens im Jahr 1888, und sie funktioniert immer noch.

STANDARD: Das Image, das Unternehmer in Österreich haben, ist nicht das beste. Woran liegt das?

Steiner: Möglicherweise daran, dass Unternehmern unterstellt wird, sich immer wieder Freiräume herauszunehmen, die andere nicht haben, und dass andererseits Entbehrungen, die Unternehmer in Kauf nehmen müssen, geflissentlich übersehen werden. Mit einer 40- oder 45-Stunden-Woche ist es nämlich nicht getan. Als Unternehmer muss man auch abends, in der Nacht oder am Wochenende herhalten.

STANDARD: Manche führen den wenig ausgeprägten Unternehmergeist in Österreich auf die Monarchie zurück. Damals hieß es, dem Kaiser dienen, aber ja nicht selbst etwas aufbauen.

Steiner: Das kann auch sein. Was den Unternehmer auszeichnet ist ja, dass er etwas unternimmt und nicht unterlässt.

STANDARD: In die Monarchie fällt aber auch die Blütezeit jenes Materials, mit dem Ihr Unternehmen groß geworden ist – der Loden.

Steiner: Absolut. Gerade Erzherzog Johann hat den Loden am Hof salonfähig gemacht. Von da an ist Loden nicht nur von einfachen Leuten getragen worden, als Funktionskleidung beispielsweise von den Holzknechten. Loden wurde plötzlich auch in höheren Kreisen geschätzt.

STANDARD:Parallel waren auch Bergsteiger und die Jägerschaft von den Materialeigenschaften des Lodens angetan. Mittlerweile hat sich das etwas gewandelt, neue Einsatzgebiete sind dazugekommen.

Steiner: Loden ist substituiert worden durch neue Hightechmaterialien, auch deshalb, weil Wolle bzw. Loden bei Bekleidung kaum eine Lobby hat. Dafür wurde Loden etwa als Bezugsstoff in Hotels oder in Privatwohnungen entdeckt, aber auch für Accessoires wie Schuhe oder Taschen.

Neben dem traditionellen Loden gibt es zunehmend auch moderne Versionen. Bei dieser sportlichen Jacke etwa wird Schladminger Loden mit Ärmeln aus Strickloden kombiniert.
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STANDARD: Zuletzt ist es auch in geworden, Loden in der Stadt zu tragen, zumindest im Alpenraum. Was sagt uns das?

Steiner: Dass Stadtbewohner Naturmaterialien schätzen und sich das Landerlebnis, das sie möglicherweise in der Sommerfrische hatten, quasi in die Stadt holen. Als Hersteller darf man nicht stehenbleiben bei den klassischen Mustern und Farben. Man muss sich um ansprechende Designs bemühen, sonst werden die Lodenprodukte, auch wenn sie gut sind, nicht gekauft.

STANDARD: Trotz Weiterentwicklung ist dem Loden, anders als dem Jeansstoff, ein Siegeszug um die Welt versagt geblieben. Warum?

Steiner: Weil zu wenige an das Material Loden geglaubt haben. Auch die preisliche Entwicklung von Wolle, die sehr teuer geworden ist, hat verhindert, dass daraus ein Massenprodukt geworden ist.

STANDARD: Könnte sich das ändern, wenn es gelänge, die Produktionskosten drastisch zu senken?

Steiner: Schwer. Wolle ist drei- bis viermal teurer als klassische Baumwolle, und da ist die Arbeit noch gar nicht berücksichtigt. Klar kann man noch eine Spur mehr rationalisieren, die Arbeitsschritte von über 40 auf vielleicht 36 reduzieren; Baumwollstoff benötigt aber maximal die Hälfte.

STANDARD: Sie müssten Rückenwind verspüren – der Trend geht Richtung Nachhaltigkeit, naturbelassene Produkte, Regionalität.

Steiner: Richtig, ein Megatrend, aber noch nicht bei der Bekleidung. Beim Essen wird regional gekauft und geschaut, welche Zertifizierungen es gibt und ob tatsächlich in Österreich produziert wird. Bei der Bekleidung entscheidet der Konsument noch stark nach dem Geldbörsel und nicht danach, von wo das Produkt kommt und wie es gemacht wird.

STANDARD: Loden made in China – fürchten Sie sich davor?

Steiner: Das gibt es schon.

STANDARD:Fake-Loden oder doch Stoff, der unseren Qualitätsvorstellungen entspricht?

Steiner: Sowohl als auch. Es zeigt auch, dass westliche Technologie längst in chinesischer Hand ist. Wo wir aber noch einen Vorsprung haben, das ist die Farbgebung. Da ist das Know-how noch in unseren Händen.

STANDARD: Finden Sie genug junge Leute, die lernen wollen, wie man Loden macht?

Steiner: Einfach ist es nicht. Es hat sehr viel mit Befindlichkeiten zu tun, ob es mir taugt, ob ich dort arbeiten möchte. Es wird zunehmend herausfordernder, junge Leute dafür zu begeistern.

STANDARD: Die ganze Welt spricht von Digitalisierung, Industrie 4.0, zuletzt auch verstärkt über Klimawandel, Erderwärmung. Sind das Themen, die auch Sie beschäftigen?

Steiner: Absolut. Digitalisierung und ökosoziale Marktwirtschaft, die Herausforderung, möglichst nachhaltig zu produzieren – das sind Themen, die uns in Zukunft stärker beeinflussen werden. Wie im Übrigen auch das Thema Web-Verkauf oder Kommunikation mit den Kunden. Auch stellt sich die Frage, wie man mit Produktions- und Verkaufsdaten umgeht und diese für die Entwicklung neuer Produkte nützt. Was den ökologischen Fußabdruck betrifft, muss ich beim Loden kein neues Mascherl draufgeben. Wir haben ein super Naturprodukt, das wir versuchen, so schonend wie möglich in Österreich zu produzieren und auch im Umkreis weiterzuverarbeiten.

STANDARD: Wann wird es bei Loden Steiner die ersten Roboter geben, die miteinander kommunizieren?

Steiner: Gute Frage (lacht). Am ehesten sehe ich ein Einsatzgebiet für künstliche Intelligenz an der Kundenschnittstelle, wo es darum geht, Wünsche von Kunden zu erfassen und auszuwerten. Das wird zwar noch dauern, aber auszuschließen ist es nicht, dass es in fünf Jahren welche gibt.

STANDARD: Auf den Weltmärkten matchen sich die USA mit China, decken sich gegenseitig mit Zöllen ein. Berührt Sie das, oder trifft Sie das gar nicht?

Steiner: Wer sagt, dass uns das gar nicht trifft, liegt falsch. Wir sind bei Produkten des täglichen Bedarfs so vernetzt und verstrickt, dass wir die Auswirkungen im Detail noch gar nicht abschätzen können. Auf unseren Loden wird das vordergründig wenig Einfluss haben, weil es kein Massen-, sondern ein Premiumprodukt ist.

STANDARD: In welchem Radius vertreiben Sie Ihre Produkte?

Steiner: Die Kernmärkte sind Deutschland, Österreich, die Schweiz und ein bisschen Südtirol. In dieser Region machen wir 90 Prozent unseres Umsatzes. Darüber hinaus liefern wir noch in das restliche Italien sowie nach Frankreich. Internationale Exporte nach Asien und Amerika machen maximal zwei bis drei Prozent des Umsatzes aus.

STANDARD: Haben Sie jemals an eine Partei gespendet?

Steiner: Vor zehn Jahren 100 Euro.

STANDARD:Aus einer Laune heraus?

Steiner: Weil der Bürgermeister von Schladming bei mir angeklopft und gefragt hat, ob ich ihn nicht unterstützen möchte. Wir waren gut bekannt, und so habe ich das gemacht.

STANDARD: Welche Wünsche hätten Sie an die Politik, ohne mit Geld nachzuhelfen?

Steiner: Es ist vor allem die überbordende Bürokratie, mit der nicht nur ich, sondern alle Unternehmer sehr zu kämpfen haben, neben all den Überlegungen, wie wir etwas neu entwickeln, besser verkaufen und unsere Kosten senken können. Es sind die vielen neuen Gesetze, die hauptsächlich wegen großer Industriebetriebe gemacht wurden – Stichwort Geldwäsche, Digitalsteuer, solche Sachen. Auch wir Kleinen müssen all das umsetzen, und das kostet viel Geld.

STANDARD: Sie sind nicht der Erste, der das beklagt. Warum ist die Bürokratie in den vergangenen Jahren eher mehr als weniger geworden, obwohl es vonseiten der Politik durchaus Verständnis für die Anliegen der Unternehmer gibt?

Steiner: Es gibt in der Politik, auch in der Führung der Republik, zu wenig unternehmerisches Denken. Stattdessen gibt es einen mächtigen Beamtenapparat. Niemand traut sich, den anzutasten, weil Beamte auch Wähler sind.

STANDARD: Sie haben im vorigen Winter in Obertauern den weltweit ersten Lodenlift in Betrieb genommen. Was bringt das, und welche anderen Einsatzmöglichkeiten für Loden schweben Ihnen noch vor?

Steiner: Wir haben uns in den Gondeln die Sitzheizung erspart, weil Loden an sich warm ist. Darüber hinaus könnte ich mir den Einsatz von Lodenstoff auch bei Autositzen gut vorstellen, und im Bereich Wohnen gibt es ebenfalls noch vielfältige Einsatzmöglichkeiten. (Günther Strobl, 1.9.2019)