Mirga Grazinyte-Tyla leitete den Klangkörper.

Foto: Vern Evans

Wolkengebirge und grauschwarze Gewitterzellen ließen es schon ahnen: Das erste Konzert des City of Birmingham Symphony Orchestra musste ins Auditorium verlegt werden. Was vielleicht gar nicht so schlecht war. Denn Mirga Grazinyte-Tyla, die den Klangkörper leitet, ist eine Filigranarbeiterin.

So schlank wie der Körper der 33-Jährigen war auch der Klang, Transparenz und feinnervige Agilität betörten das Ohr. Nach Oliver Knussens The Way to Castle Yonder kamen diese Qualitäten bei Brittens Quatre chansons françaises zum Tragen. Kaum zu glauben, dass Britten diese stimmungszarten, an Debussy und Korngold erinnernden Vertonungen von Gedichten Hugos und Verlaines im zarten Teenageralter von 14 Jahren gelungen sind.

Liebevoll, aber harmlos

Mit beseelter Akribie setzte Grazinyte-Tyla dann die unzähligen Angaben zu Dynamik und Tempo(wechseln) um, die Mahler in seiner 4. Symphonie vermerkt hat. Der Litauerin gelang so Orchesterdressursport auf allerhöchstem Niveau, dem eine Tendenz zur Manieriertheit innewohnte. Die klingenden Karikaturen des Komponisten wurden in liebevoller, aber etwas harmloser Weise nachgezeichnet.

À la longue gelang ihr allerdings nur bedingt, die Sätze zu einer Erzählung zu formen. Da waren viele glitzernde Mosaiksteine, die aber keine Bilderfolge ergeben wollten. Begeisterter Applaus für die Gäste wie auch für Solistin Christiane Karg, deren schlanker, zurückhaltend-eleganter Sopran bei den Britten-Liedern und im Schlusssatz der Mahler-Symphonie dann ideal mit der Slim-Fit-Linie der Engländer harmoniert hatte. (Stefan Ender, 31.8.2019)