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PRO: Ja zu Fairness, ja zu Leistung

von András Szigetvari

Es geht um Tod, Familie, Geld und Gerechtigkeit. Da ist es verständlich, wenn bei Debatten über Erbschaftssteuern auf allen Seiten Emotionen hochkochen. Aber rational betrachtet ist die Sache simpel: Alles spricht dafür, Erbschaften in Österreich zu besteuern.

Unsere Gesellschaft ist gespalten. Die Hälfte der Bevölkerung verfügt abgesehen von Pensionsansprüchen über kein nennenswertes Vermögen. Ein großer weiterer Teil besitzt nur ein Eigenheim und ein Sparbuch. Die großen Vermögen sind konzentriert auf die reichsten fünf Prozent der Bevölkerung. Nur wer zu dieser Gruppe gehört, profitiert von Wertsteigerungen bei Aktien, Unternehmen und Grundbesitz. Das ist das gute Recht jedes Eigentümers und Investors. Bloß führt die Kluft in der Verteilung dazu, dass das Gefälle stetig steiler wird: Weil Lohneinkommen stagnieren, kann die Mehrheit nie ein Vermögen aufbauen. Eine Erbschaftssteuer, die voll dazu genutzt wird, den Faktor Arbeit zu entlasten, kann diese Entwicklung korrigieren.

Das andere Argument lautet: Leistung. Unternehmer und Arbeitnehmer zahlen bis zu 45 Prozent Steuern auf ihre Einkommen, während Erben nichts kostet. Das widerspricht dem Grundgedanken unseres Wirtschaftssystems, wonach Fleißige mehr bekommen sollen. Deshalb fordern nicht nur Linke eine Erbschaftssteuer. Erste-Chef Andreas Treichl und Strabag-Boss Hans Peter Haselsteiner sind dafür. Sie haben die Zeichen der Zeit erkannt. (András Szigetvari, 30.8.2019)

KONTRA: Psychologisch schwierig

von Petra Stuiber

Eines kann man der SPÖ diesmal ja nicht vorwerfen: dass sie sich die Sache nicht gründlich überlegt hätte. Das rote Konzept zur Wiedereinführung der Erbschaftssteuer ist differenziert. Allerdings ignoriert die SPÖ das psychologische Moment: Neue Steuern einführen – das war schon immer Pfui für die österreichische Seele. Erbschaftssteuer einführen – noch mehr Pfui.

Tatsächlich ist eine Erbschaft von mehr als einer Million Euro nicht so aus der Welt, wie man zunächst meinen könnte: Wer etwa mit Mitte dreißig eine Familienwohnung in einer mittelteuren Gegend in Wien gekauft hat, diese in monatlichen Raten brav bis zur Pension abgezahlt und dann Teile seiner Pensionsabfertigung in eine weitere kleine Wohnung oder ein Grundstück investiert hat, kann dem einzigen Kind schon etwas hinterlassen. Etwas von einigem Wert: Immerhin haben Immobilien in den Ballungszentren in den vergangenen Jahren stark an Wert gewonnen.

Viele Erblasser empört der Gedanke, ihre Kinder müssten für ihr Erbe Steuern zahlen. Immerhin wurde dieses durch fleißige (versteuerte) Arbeit der Eltern redlich erworben. Die SPÖ verärgert so ältere Semester einer Mittelschicht, die sie bei anderen Themen – etwa Bildung – durchaus für sich gewinnen könnte. Und die Erben selbst? Sie mögen theoretisch Verständnis haben. Praktisch wird niemand erfreut sein, wenn nach dem Tod eines nahen Verwandten neben Kondolenzbesuch auch das Finanzamt an die Tür klopft. Erben ist auch ohne Steuer psychologisch schwierig genug. (Petra Stuiber, 31.8.2019)