Nun hat sich auch Werner Kogler ein Herz gefasst: Ja, na ja, natürlich sei ihm Rot-Grün – oder rechnerisch zumindest etwas realistischer: Rot-Grün-Pink – die liebste Koalitionsvariante, bekannte der Chef der Grünen diese Woche. Norbert Hofer flötet schon seit Beginn des Wahlkampfes, wie sehr sich die Freiheitlichen ein Wiederaufleben der türkis-blauen Koalition wünschen. Altkanzler Sebastian Kurz hält sich hingegen alles offen. Die Sozialdemokraten verweigern lediglich einen bundesweiten Pakt mit der FPÖ. Gleiches sagen im Grunde die Neos.

Türkis-Rot? Für viele Wähler ist es wahlentscheidend, auf welchen Gegner sich die präferierte Partei einlassen würde.
Foto: Apa/Robert Jäger

Aber was bedeuten Koalitionsansagen – oder ihr Ausbleiben – für die Zeit nach der Wahl? Und kann man sich darauf verlassen? Aktuelle Erhebungen mehrerer Parteien zeigen jedenfalls, dass die Wähler dieses Jahr ein besonders großes Interesse daran haben, was mit ihrer Stimme nach dem 29. September passiert. Es ist für viele wahlentscheidend, auf welchen Gegner sich die präferierte Partei einlassen würde.

Deshalb sind politische Äußerungen über die eigenen Vorlieben auch nicht nur Bekundungen, mit wem eine Partei inhaltlich gut kann. Es geht um strategische Überlegungen – und darum, wie man Wechselwähler für sich gewinnt. Die größte Schnittmenge teilen derzeit ÖVP und FPÖ sowie SPÖ und Grüne, erklärt Günther Ogris vom Wahlforschungsinstitut Sora. Zwischen SPÖ und FPÖ sei der Wähleraustausch inzwischen deutlich zurückgegangen.

  • Türkis-Blau
    Eine sichere Mehrheit haben ÖVP und FPÖ miteinander. Die Position der Freiheitlichen ist klar. Die ÖVP sendet unterschiedliche Signale. Kurz schließt eine Neuauflage seiner gescheiterten Regierung explizit nicht aus, momentan zeigt er sich in Hintergrundgesprächen aber eher ablehnend den Freiheitlichen gegenüber. Vor allem Herbert Kickl wird von türkisen Funktionären regelmäßig attackiert – damit will sich die Volkspartei vom rechten Flügel der Freiheitlichen abgrenzen. Für viele politische Beobachter ist eine ÖVP-FPÖ-Koalition trotz allem die am einfachsten durchsetzbare und damit wahrscheinlichste Variante nach der Wahl.

  • Türkis-Rot
    Die Gräben zwischen der Kurz-Truppe und den Sozialdemokraten sind enorm tief. ÖVP-Funktionäre streuen derzeit zwar, dass innerparteilich eine türkis-rote Koalition präferiert werde, doch das wäre eine ziemliche Aufgabe. Viele der entscheidungsmächtigen Protagonisten in SPÖ und ÖVP können einander seit der Ausrufung von Neuwahlen durch Kurz 2017 schlicht nicht mehr ausstehen. Allerdings ist die ÖVP aller Voraussicht nach die einzige Option für die SPÖ, wieder in eine Regierung einzuziehen. Eine Versöhnung ist somit nicht völlig ausgeschlossen.

  • Rot-Blau
    Die ÖVP warnt im Wahlkampf gerne vor Rot-Blau, realistisch ist diese Koalitionsvariante aber nicht. Chefsozialdemokratin Pamela Rendi-Wagner schließt sie aus. Die SPÖ müsste dafür also jedenfalls einen Obfrauwechsel vollziehen. Darüber hinaus wäre dieses Experiment innerhalb der SPÖ kaum durchsetzbar. Auch die Freiheitlichen zeigen wenig Interesse an der Konstellation. Ob es sich rechnerisch überhaupt ausginge, ist zudem unklar.

  • Türkis-Grün, Türkis-Pink, Türkis-Grün-Pink
    Gegen all diese Varianten spricht, dass die beiden Kleinparteien in derartigen Koalitionen vermutlich nicht viel zu gewinnen hätten. Aus pinken wie auch grünen Kreisen ist zu hören, dass man in diesen Szenarien befürchtet, völlig von der übermächtigen ÖVP zerrieben zu werden. Kurz müsste wohl deutliche Zugeständnisse machen, um die beiden für sich zu gewinnen. Eine Mehrheit gäbe es vermutlich ohnehin nur in einer Dreierkoalition.

  • Rot-Grün-Pink
    Rot-Grün wie in der Bundeshauptstadt Wien würde wohl Rendi-Wagner wie auch Kogler gut gefallen. Womöglich könnte man selbst die Neos dafür gewinnen – das Problem: die Wähler wohl nicht, glaubt man aktuellen Umfragen.

  • Türkise Minderheitsregierung
    Gleich nachdem die türkis-blaue Koalition wegen des Ibiza-Videos geplatzt war, dachten einige in der ÖVP eine künftige Minderheitsregierung an. Aus türkiser Sicht wäre eine solche womöglich sogar genial: Migrationsvorhaben mit der FPÖ umsetzen, Klimaschutzmaßnahmen mit den Grünen ausverhandeln, Unternehmer stärken mit den Neos. Der Haken: Die anderen spielen dabei nicht mit.

  • Expertenregierung
    Sollte sich die nächste Regierungsbildung so schwierig gestalten, wie manche befürchten, wird auch in mehreren Parteien bereits über die Weiterführung einer Expertenregierung nachgedacht. Die aktuelle genießt immerhin hohe Beliebtheitswerte. Einer wird daran allerdings sicher kein Interesse haben: der Wahlgewinner.

(Katharina Mittelstaedt, 31.8.2019)