Es ist eine dieser Geschichten, die man viel zu oft hört: "15-jähriger Bursch misshandelte Mitschüler". Dieser Fall sorgte allerdings ob seiner Schwere doch für Aufsehen. Der noch minderjährige Täter wurde verhaftet, saß seit April in U-Haft und bekam jetzt, kurz vor Schulbeginn, eine teilbedingte Strafe aufgebrummt.

Er hatte den Kleineren, Schwächeren über Monate in der Schule, einem polytechnischen Lehrgang in Wien, malträtiert. Niemand griff ein, zwei andere Buben machten mit. Die Mutter zeigte den Täter erst nach Monaten des Martyriums ihres Kindes an.

Der Fall ist in jeder Hinsicht tragisch – für das jugendliche Opfer, das von den fortgesetzten Attacken mit Sicherheit traumatisiert ist. Und für den ebenfalls jugendlichen Täter, dessen zunehmende Entgleisung offenbar niemand verhindern konnte oder wollte. Dieses offenkundige Unvermögen, gegen Mobbing an dieser Schule etwas zu unternehmen, muss die Schulbehörden auf den Plan rufen. Nach den Vorfällen an einer Wiener HTL ist dies ein weiterer Fall, in dem ein Lehrer einer weiterführenden Schule aggressiven Pubertierenden offensichtlich hilflos gegenübersteht.

Weniger Sozialarbeiter

Am Sonntag, dem letzten Ferientag im Osten Österreichs, dann eine Meldung, die angesichts dieses Falles noch empörender wirkt: Die Zahl der Sozialarbeiter an Bundesschulen sinkt von (ohnehin schon lächerlichen) 107 auf 76 – weil der Bund sie nicht mehr zur Gänze aus dem Integrationstopf bezahlen will. Weil: Es gibt nicht mehr so viele neue Flüchtlinge. Also müssen die Länder ran – und die müssen halt auch sparen. Pech gehabt.

Das ist schlicht verantwortungslos. Glaubt ernsthaft jemand, erst die Flüchtlingsbewegung von 2015 habe ein Integrationsproblem ausgelöst? Aggression, Mobbing, Abrutschen und Scheitern am Schulsystem sind keine neue Entwicklung.

Entgleisungen im adoleszenten Gehirn passieren nicht von heute auf morgen. So etwas baut sich über Jahre auf. Und es gibt gute Instrumente, um "schwierige" Schüler zu unterstützen: Verhaltenstherapie, Anti-Aggressivitäts-Training, Einzelförderung, Logopädie, Ergotherapie, sensorische Integration etc. Das alles ist vorhanden, das bietet etwa auch der Fonds Soziales Wien Kindern aus sozial schwachem Elternhaus an. Allerdings muss es jemanden geben, der erkennt, dass ein Kind Förderung braucht – und jemanden, der dann dranbleibt, damit es diese Förderung auch bekommt.

Mehr gut geschulte Pädagogen

Denn auch das ist eine Realität: In Zeiten immer knapperer öffentlicher Budgets wartet man aus Spargründen häufig so lange zu mit dem Fördern, bis es (fast) schon zu spät ist. Besonders die Bundesschulbehörde spielt hier im Pflichtschulbereich eine unrühmliche, bremsende Rolle.

Österreich braucht mehr aufmerksame, gut geschulte Pädagogen und jedenfalls mehr Sozialarbeiter. Mobbing darf an keiner Schule geduldet werden. Und man sollte sich auch nicht scheuen, Eltern zu sanktionieren, die ihre Kinder vernachlässigen und/oder taub sind für Ratschläge und Hilfsangebote. Fördermaßnahmen, die es auf dem Papier gibt, sollen auch in der Praxis eingesetzt werden dürfen.

An Kindern zu sparen ist das volkswirtschaftlich Unintelligenteste, das ein Staat tun kann. Kein Kind darf zurückbleiben, keines in seiner Schulkarriere traumatisiert werden. Das wäre ein gutes Motto für das neue Schuljahr – und auch ein guter Slogan im anlaufenden Wahlkampf. (Petra Stuiber, 1.9.2019)