Meryl Streep ist in "The Laundromat" als wissbegierige Pensionistin unterwegs.


Netflix/ Filmfestspiele Venedig

Joaquin Phoenix begeistert als "Joker".

Foto: filmfestival venedig

Auf der Biennale in Venedig dreht sich gerade alles ums Geld. Da geht es oft echt surreal zu, als wären die Verhältnisse anders gar nicht mehr zu fassen. In The Laundromat begleitet man zwei flamboyante Anwälte anfangs durch die Wüste, vorbei an Neandertalern, hinein in einen unterirdischen Nachtclub. Direkt in die Kamera sprechend, klären sie uns auf, warum der Handel mit Kühen und Bananen irgendwann durch Papiergeld abgelöst wurde; und dass seitdem alles noch unendlich komplizierter wurde. Geld könne heute an den unmöglichsten Nicht-Orten geparkt werden. Doch wenn man es dringend braucht, ist es spurlos verschwunden.

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Steven Soderberghs Netflix-Produktion The Laundromat ist eine Satire rund um die 2016 geleakten Panama Papers. Als Lotsen durch die episodische Erzählung, die wie ein Leitfaden das Geschäft der Steuervermeidung umreißt, dienen die realen Übeltäter selbst. Gary Oldman und Antonio Banderas spielen die Herren Mossack und Fonseca, die zwei überkandidelten Firmenchefs in der oben beschriebenen Szene, die bei der Gründung von 300.000 Briefkastenfirmen mithalfen und kräftig absahnten. Ihren fadenscheinigen Ausreden, ihrer Zimperlichkeit, wenn es heiß hergeht, und nicht zuletzt ihrer Unbelehrbarkeit verdankt der Film seine ironische Schlagseite.

Rundherum gruppiert Soderbergh, der eindeutiger als Noah Baumbachs Marriage Story, dem zweiten Netflix-Film im diesjährigen Wettbewerb, das Fernsehformat bespielt, in neunzig Minuten Geschichten von Opfern und Tätern. In der zentralen Episode verkörpert Meryl Streep, souverän wie stets, eine wissbegierige Pensionistin, die bei einem Bootsunfall ihren Ehemann verliert, dann aber finanziell durch die Finger schauen muss.

Furor auf kleiner Flamme

Insgesamt bestimmt den Film jedoch der heitere Tonfall einer etwas zu zahnlosen Farce. Ob es um einen Milliardär geht, der seine Sexeskapaden mit Geld kompensieren will, oder einen erpresserischen Investor in China: Die Figuren bleiben etwas skizzenhaft, der Furor im Vergleich etwa zur kapitalismuskritischen Komödie The Big Short auf zu kleiner Flamme, um wirklich zu schmerzen.

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Die ungleiche Verteilung von Macht und Geld bleibt auch in Todd Phillips' Joker ein bestimmendes Thema. Die Wettbewerbspräsenz der Comic-Adaption um einen der schillerndsten Gegenspieler von Batman hat einige zunächst überrascht. Doch der von Warner und DC als eigenständiges Projekt geplante Film ist nichts weniger als die Antithese zum geläufigen Superheldenkino. Nämlich die traurig-düstere Charakterstudie eines Loners, der sich angesichts der Niedertracht und eklatanten Wohlstandsgefälle im Gotham City in einen Horrorclown verwandelt. "Liegt es an mir, oder geht es da draußen immer verrückter zu", fragt er seine Therapeutin. Schwer zu sagen.

"Jokers" schwarze Poesie

Phillips malt sich den langsamen Verfall seines Helden mit Bezügen auf die New-York-Filme Martin Scorseses aus den 70er-Jahren aus. Robert De Niro verweist als zynischer Host einer Talkshow auf seine Figur aus The King of Comedy, während ein bravouröser Joaquin Phoenix in die Rolle des Clowns schlüpft, dessen Komik das Tragische seiner Existenz nicht überdecken kann. Stärker als Jack Nicholson und Heath Ledger spielt er die Verzweiflung dieses Mannes in den Vordergrund. Sein schrilles Lachen wird zum Ausdruck einer zwanghaften Verhaltensstörung. Und einer tief zerrütteten Seele.

"Komödie ist subjektiv", wird er gegen Ende des Films einmal sagen, als auf den Straßen Menschen mir Clownmasken den Aufstand proben. Joker führt die Ambivalenz zwischen Spaß und Schrecken jedoch schon davor in melancholischen Bildern vor Augen. Der geschundene Mensch wird unbeabsichtigt zur Symbolfigur. Fast als eine Zumutung erscheint es nach diesem Film, dass man sich beim Zuschauen stets mit der anderen Seite identifizieren musste. Joker gibt dem Filmcomic endlich ein Stück schwarze Poesie zurück. (Dominik Kamalzadeh aus Venedig, 2.9.2019)