Der Hinweis kommt sicherheitshalber gleich am ersten Schultag: Wer freitags für den Klimaschutz auf die Straße geht, statt in der Klasse zu lernen, dem drohen Konsequenzen. Bildungsministerin Iris Rauskala verweist im STANDARD-Interview auf die bestehende Gesetzeslage. Das Anliegen der jungen Umweltaktivisten will sie lieber im Unterricht behandelt sehen: Demnächst soll dazu österreichweit eine Kooperation gestartet werden, die Forscherinnen und Forscher an die Schulen bringt.

STANDARD: Die Fridays-for-Future-Demos haben vergangene Woche wieder an Fahrt aufgenommen. Ihr Vorgänger Heinz Faßmann hat per Erlass geregelt, dass das Demonstrieren kein Entschuldigungsgrund ist. Man könnte aber auch argumentieren, die Teilnahme an Demonstrationen gehört zum Bildungsauftrag der Schule. Wie sehen Sie das?

Rauskala: Streik ist eine Verletzung der Schulpflicht. Der Bildungsauftrag kann auch in der Schulzeit erbracht werden. Da gibt es genug Möglichkeiten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen – etwa in Form von Exkursionen.

STANDARD: Und wenn Klassen dann öfter einmal freitags eine Exkursion machen?

Rauskala: Dafür müssten sie darlegen können, dass auf diesem Weg das Unterrichtsziel "mehr Umweltbewusstsein" erreicht werden soll. Aber selbst wenn das gelingt, geht das sicher nicht jede Woche.

Große Themen will Rauskala lieber der nächsten Regierung überlassen.
Foto: Corn

STANDARD: Als Klassenvorstand oder Schulleitung kann ich unter bestimmten Gründen auch die Erlaubnis zum Fernbleiben erteilen, oder?

Rauskala: Das gilt nur für ganz bestimmte Situationen. Ich weiß, das steht in Widerspruch zu Greta Thunberg, aber: Wir orientieren uns am gesetzlichen Rahmen. Den können wir nicht einfach so aufbrechen, nur weil uns das Thema Klima plötzlich wichtig ist. Nächstes Jahr könnte es dann ein anderes Thema sein: Menschenrechte, Migration, Tierschutz – es gibt tausend Gründe, die wichtig sind, um dafür zu streiken.

STANDARD: Was droht, wenn man unerlaubterweise demonstrieren geht?

Rauskala: Da greifen die Regeln für unerlaubtes Fernbleiben. Das kann ab dem vierten Tag unentschuldigten Fehlens auch mit einer Geldstrafe enden.

STANDARD: Apropos Strafen, die ÖVP will das Kopftuchverbot, das ab heuer für Volksschülerinnen gilt, bis zum Alter von 14 Jahren ausweiten. Ist das sinnvoll?

Rauskala: Das ist wohl dem Wahlkampf geschuldet. Die Parteien beziehen jetzt Position. Eine künftige Regierung kann dann entsprechende Vorlagen ausarbeiten, sofern das gewünscht ist.

STANDARD: Ein solches Verbot soll laut ÖVP auch für Pädagoginnen gelten.

Rauskala: Wenn, dann sollte man über eine solche Regelung für den gesamten Bundesdienst diskutieren. Als Repräsentanten des Staates sollten Beamte insgesamt neutral auftreten. Aber auch das ist ein gesellschaftspolitischer Diskurs, den man erst führen muss.

STANDARD: Müsste dann nicht auch über das Kreuz im Klassenzimmer diskutiert werden?

Rauskala: Eine grundsätzliche Debatte über Laizismus im Staatsdienst würde wohl beim Kopftuchverbot beginnen. In weiterer Folge stellt sich dann vielleicht auch diese Frage.

STANDARD: Diesen Diskurs wollen Sie nicht anleiern?

Rauskala: Für den öffentlichen Dienst ist das entsprechende Ministerium zuständig.

STANDARD: Zuständig sind Sie für die Einführung des Ethikunterrichts. Für den gibt es zwar einen Beschluss im Ministerrat, aber keinen Gesetzesentwurf. Wann kommt der?

Rauskala: Mit Beginn dieses Schuljahres werden die Pädagoginnen und Pädagogen dafür ausgebildet. Die gesetzliche Verankerung des Unterrichts wird dann nachgezogen, sobald die nächste Bundesregierung im Einsatz ist.

STANDARD: Der Plan von Türkis-Blau war ja, ab 2020 in den AHS-Oberstufen und polytechnischen Schulen zu beginnen ...

Rauskala: ... das geht sich noch aus ...

STANDARD: Soll es auch dabei bleiben, dass nur diejenigen den Ethikunterricht besuchen sollen, die sich vom regulären Religionsunterricht abgemeldet haben?

Rauskala: Aus jetziger Sicht ja, eine entsprechende Gesetzesinitiative wird vorbereitet. Sollte der Ethikunterricht für alle gelten, würde das bedeuten, dass man über den konfessionellen Religionsunterricht gesellschaftspolitisch breit diskutieren müsste. Diese Diskussion ist jetzt in dieser Übergangsphase nicht zu schaffen.

STANDARD: Was ist Ihre persönliche Meinung dazu?

Rauskala: Das Thema Ethikunterricht wurde jahrelang unzufriedenstellend diskutiert. Jetzt gibt es einen ersten Schritt.

"Das Thema Ethikunterricht wurde jahrelang unzufriedenstellend diskutiert", sagt Ministerin Rauskala.
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STANDARD: Eine Dauerbaustelle im österreichischen Schulsystem ist das fehlende Unterstützungspersonal, vor allem im psychosozialen Bereich. Das hat eine internationale Studie vor kurzem wieder belegt. Wie ist dieses Strukturproblem zu lösen?

Rauskala: Es stimmt, die im internationalen Vergleich überdurchschnittlich gute Ausstattung im pädagogischen Lehrerbereich geht zulasten von administrativem oder psychologisch-sozialem Personal. Hier gibt es ganz bestimmt einen höheren Bedarf, aber den können wir aufgrund der Kompetenzverteilung nicht allein stemmen. Auf Bundesseite haben wir derzeit nur die Übersicht über das pädagogische Personal. Wir wünschen uns hier mehr Einblick. Das sollte bei den nächsten Bund-Länder-Gesprächen über den Finanzausgleich geregelt werden.

STANDARD: Nehmen wir den Bereich Schulpsychologie, da ist ja der Bund zuständig. Reichen die rund 160 Stellen?

Rauskala: Wir haben ja nicht nur Schulpsychologen, sondern auch die Schulärzte ...

STANDARD: ... die der Gemeindebund gerade abschaffen will.

Rauskala: Wir wollen sie aber nicht abschaffen. Im Interesse der Schülerinnen und Schüler müssen wir alle Ressourcen nutzen, die wir haben.

STANDARD: Faßmanns letztes Vorhaben war die Schaffung von sogenannten Time-out-Gruppen, in denen "Problemschüler" über einen bestimmten Zeitraum vom Rest der Klasse separiert werden sollten. Was wird jetzt daraus?

Rauskala: Ein pädagogisches Konzept dazu wird gerade erarbeitet, danach wollen wir mit Pilotprojekten starten. Aber das ist sicher kein Allheilmittel. Bevor es eine solch drastische Maßnahme setzt, gibt es andere Formen der Deeskalation. Alle Schulen werden demnächst einen Leitfaden bekommen, wie sie im Krisenfall vorgehen sollen.

STANDARD: Wien wünscht sich dringend einen Ausbau von AHS und berufsbildenden höheren Schulen. Kommt der?

Rauskala: Im neuen Schulentwicklungsplan haben wir dafür in den kommenden zehn Jahren ein Budget von über 500 Millionen Euro vorgesehen. Das wären acht vom Bund finanzierte Neubauten für Wien und eine Reihe von Erweiterungs- und Sanierungsmaßnahmen. Das Ganze muss aber erst von der neuen Regierung im Ministerrat beschlossen werden. (Peter Mayr, Karin Riss, 2.9.2019)