Zwei deutsche Polizisten eskortieren einen Mann in den Abschiebeflieger. Aus Wien soll am Dienstag ein Transport nach Kabul gehen.

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Wien – Hossein K. (21) ist Lehrling im Diakonissen-Krankenhaus Schladming. Dort mache er sich gut, heißt es bei der evangelischen Diakonie. Einem positiven Abschluss seiner Ausbildung stehe fachlich nichts im Weg.

Nach Österreich kam K. als Flüchtling, doch sein Asylantrag wurde abgelehnt, auch in der Berufung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Also legte er beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) Beschwerde ein. Bis zur Entscheidung, ob das Höchstgericht seine rechtskräftige Ausweisung aufschiebt oder nicht, dauert es in einem solchen Fall erfahrungsgemäß nicht lang.

Höchtsgerichtsentscheid nicht abgewartet

Dennoch steht K.s Namen auf einer Liste afghanischer Staatsbürger, die offenbar am Dienstag nach Kabul abgeschoben werden sollen – samt einer Notiz, dass es gültige Einreisepapiere nach Afghanistan für ihn gibt. Die Fremdenpolizei ist in seinem Fall nicht bereit, den zeitnah bevorstehenden VfGH-Entscheid abzuwarten.

Auch dass K. einer jener jungen Asylwerber ist, die in Österreich eine Lehre beginnen konnten und für deren Verbleib bis zum Abschluss ihrer Ausbildung inzwischen auch die ÖVP plädiert, hemmt den Abschiebewillen nicht.

Moser: "Gefährdet Grundrechte"

"Hier schafft die Behörde durch Abschiebung Fakten, bevor die Gerichte entschieden haben. Das gefährdet Grundrechte und ist nicht im Sinne unserer Verfassung", sagt Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie.

Die Menschenrechtssprecherin der Neos, Stephanie Krisper kritisiert das Vorgehen als "Respektlosigkeit vor den Höchstgerichten" und als "Ignoranz gegenüber dem Rechtsstaat".

Einreisepapiere für alle 154

Die oben genannte geleakte Liste sorgt unterdessen in den afghanischen Communitys, bei Flüchtlingshelfern und Asylexperten für große Aufregung. Auf neun Seiten sind 154 Personen vermerkt, mit Namen, Geburtsdatum und Geschlechtszugehörigkeit. Für alle gebe es gültige Einreisepapiere nach Afghanistan. Aus dem dem STANDARD vorliegenden Papier ist zudem zu entnehmen, dass es sich um ein Personenverzeichnis für eine Afghanistan-Rückkehr am Mittwoch handelt.

145 der Aufgelisteten sollen aus Österreich, fünf aus Ungarn, drei aus Bulgarien, einer aus Slowenien nach Kabul gebracht werden.

Eineinhalbjährige mit dabei

Für besondere Kritik sorgt der Umstand, dass sich laut der Liste unter den aus Österreich wegzubringenden Personen fünf Familien mit kleinen Kindern befinden. Die Jüngste dabei ist ein eineinhalbjähriges Mädchen, das offenbar mit einem Bruder und zwei weiteren männlichen Verwandten nach Afghanistan zurückgeschickt werden soll.

Auch ein laut Namen und Geburtsdatum alleinreisender Minderjähriger kommt in dem Verzeichnis vor. Aus Kreisen von Flüchtlingshelfern hieß es am Sonntag außerdem, in den vergangenen Tagen seien Afghanen mit psychischen Erkrankungen festgenommen worden.

Krisper: "Abschiebestopp"

Bisher hat Österreich dem Vernehmen nach auf Rückführungen unter 18-Jähriger und von Frauen mit Kindern in das von Anschlägen und Überfällen der Taliban geprägte Land verzichtet. Krisper forderte am Sonntag einen "Abschiebestopp nach Afghanistan, insbesondere bei Kindern".

Der Abschiebeflug am Dienstag soll laut Informanten von der europäischen Grenz- und Küstenwache Frontex durchgeführt werden. Bestätigt wurde das dort auf STANDARD-Anfrage nicht.

Innenministerium: Keine Massenabschiebung geplant

Aus dem Innenministerium hieß es, eine Abschiebung in einer der Liste entsprechenden Größe sei nicht geplant. Nicht eine beim Höchstgericht eingelegte Beschwerde, sondern erst eine gewährte aufschiebende Wirkung stoppe die Abschiebung. Kinder, Kranke und andere vulnerable Personen würden vor dem Abflug ärztlich auf ihre Flugtauglichkeit hin überprüft. (Irene Brickner, 2.9.2019)