Rom – Fünf EU-Staaten nehmen die 104 Migranten des tagelang auf dem Mittelmeer blockierten Rettungsschiffs Eleonore auf. Deutschland, Frankreich, Irland, Portugal und Luxemburg beteiligten sich, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Dienstag. Die Kommission hatte die Lösung in den vergangenen Tagen koordiniert. Nun organisiere man die Verteilung der Migranten von Italien aus, sagte die Sprecherin.

Eleonore-Kapitän Claus-Peter Reisch hatte nach einer Woche Blockade auf dem Meer den Notstand ausgerufen und trotz eines Verbots der italienischen Regierung Kurs auf Sizilien genommen. Dieser Beschluss sei wegen eines schweren Gewittersturms erfolgt, teilte die NGO Lifeline mit, die das Schiff betreibt.

Schließlich durfte das Rettungsschiff im Hafen von Pozzallo einlaufen. Dort konnte Reisch überraschend rasch anlegen. Die 104 Migranten an Bord – darunter 30 Minderjährige – dürfen an Land gehen, berichtete Lifeline auf Twitter. Wie vom italienischen Innenministerium zuvor angekündigt, beschlagnahmte die Polizei das Schiff, sagte ein Sprecher der Finanzpolizei.

"Gesetze und nationale Grenzen müssen respektiert werden. Wenn jemand denkt, dass er ohne Folgen auf Italiens Gesetze pfeifen kann, täuscht er sich", sagte Innenminister Matteo Salvini laut Medienangaben. Doch der Chef der rechten Lega ist geschwächt und auf dem Weg in die Opposition. Derzeit verhandelt die populistische Fünf-Sterne-Bewegung mit den – migrationsfreundlicheren – Sozialdemokraten über eine neue Koalition.

Die Lage auf der Eleonore war schon seit Tagen heikel. Das als private Motoryacht registrierte Boot war viel zu klein für die vielen Menschen. In der Nacht auf Montag kam dann ein Gewittersturm dazu. "Es herrschte Lebensgefahr, so hoch waren die Wellen", sagte der SPD-Politiker und Vizepräsident des bayerischen Landtags, Markus Rinderspacher, der seit Sonntag an Bord war.

Auf Videos war zu sehen, wie Blitze in der Dunkelheit um das schaukelnde Schiff zucken. Die Migranten sitzen mit silber-goldenen Wärmedecken dicht gedrängt in jeder möglichen Ecke des Schiffs. Es hätten längst nicht alle Flüchtlinge unter Deck Schutz finden können, viele wurden nass bis auf die Haut, sagte Rinderspacher. "Die 104 Flüchtlinge sind durchnässt und nach sieben Tagen auf dem Schiff völlig erschöpft und ausgelaugt."

Vor einer Woche hatte die Eleonore die Migranten gerettet, während ihr Boot am Sinken gewesen sei, berichtete Lifeline.

Weitere Schiffe warten

Auch an Land gehen durften am Montag 31 Migranten von Bord des italienischen Rettungsschiffs Mare Jonio, das fünf Tage lang vor der Insel Lampedusa ausgeharrt hatte. Die Küstenwache werde aus hygienischen Gründen die verbliebenen Menschen von Bord übernehmen, erklärte die Hilfsorganisation Mediterranea Saving Humans. "Ihre Odyssee ist zu Ende, und am Horizont scheint ein bisschen Menschlichkeit durch", twitterte die Organisation. Das Schiff hatte tagelang auf die Einfahrt in einen Hafen gewartet. 67 Personen, darunter Frauen und Kinder, durften es bereits zuvor verlassen.

13 Personen an Bord des Rettungsschiffs Alan Kurdi warten unterdessen noch, bald an Land gehen zu können. Das Schiff, das die Migranten an Bord eines überladenen Holzboots entdeckt hatte, befindet sich vor Malta. "Die Einfahrt wurde uns erwartungsgemäß verboten", sagte der Sprecher der Hilfsorganisation Sea-Eye, Gorden Isler. "Wir befürchten, dass wir dort Tage, vielleicht sogar Wochen festzuhängen."

Das Schiff Cassiopea der italienischen Marine mit 29 Migranten an Bord traf indes in Pozzallo ein. Auch dieses Schiff wartet auf die Zuweisung eines Hafens, berichtete der Bürgermeister von Pozzallo, Roberto Ammatuna, laut Medienangaben.

Auch in Spanien wurden Schiffsbrüchige gerettet

Eine französische Fähre mit rund 2.000 Passagieren ist auf dem Weg von der algerischen Hauptstadt Algier nach Marseille auf ein kleines Motorboot in Seenot gestoßen und hat 18 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet. Die mehrheitlich afrikanischen Migranten wurden auf die spanische Insel Mallorca gebracht und sind am Montag im Hafen von Alcúdia an Land gegangen, erklärte die Fährgesellschaft Corsica Linea.

Die spanische Küstenwache hat am gleichen Tag 200 Migranten gerettet. In der Straße von Gibraltar seien 73 Menschen von drei Booten aufgenommen worden, darunter zehn Kinder, erklärte die Küstenwache. Weitere 110 Menschen seien von fünf Booten im Alboran-Meer zwischen Spanien und Marokko gerettet worden, die meisten von ihnen würden in die Hafenstadt Malaga gebracht. Dieses Jahr sind in Spanien nach Regierungsangaben bisher gut 18.000 Migranten aus Nordafrika angekommen, 39 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum 2018.

Griechenland bringt Flüchtlinge aufs Festland

In Griechenland sind Ende vergangener Woche so viele Flüchtlinge angekommen wie schon seit drei Jahren nicht mehr. Allein auf der Insel Lesbos sind am Donnerstag 16 Flüchtlingsboote mit rund 650 Menschen angelandet. Das Flüchtlingslager ist, wie andere im Osten der Ägäis, inzwischen überfüllt.

Die griechische Regierung hat am Montag damit begonnen, hunderte Asylsuchende aufs Festland zu bringen. In der Früh startete auf der Insel Lesbos eine Fähre mit 640 Personen, sie sollen nördlich der Hafenstadt Thessaloniki untergebracht werden.

Hunderte weitere Migranten sollen am Nachmittag mit einer anderen Fähre folgen, wie die Regierung mitteilte. Insgesamt sollten nach Berichten des Staatsfernsehens allein am Montag 1.500 Migranten die Inseln verlassen, überwiegend Minderjährige, Frauen und Familien sowie kranke Menschen.

25.000 Migranten auf griechischen Inseln

Auf den Inseln der Ostägäis sind zurzeit knapp 25.000 Menschen untergebracht. Die Lager auf den Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos haben aber nur eine Aufnahmekapazität für 6.338 Menschen. Als im März 2016 das Abkommen EU-Türkei zur Rückführung der Migranten in Kraft trat, lebten in den Lagern der Ägäisinsel nur etwa 5.800 Menschen.

Die EU hatte 2016 mit der Türkei vereinbart, dass alle Migranten, die aus der Türkei zu den Inseln übersetzen und kein Asyl in Griechenland bekommen, in die Türkei zurückgeschickt werden können, sollten sie kein Asyl in Griechenland bekommen. Die Asylanträge werden wegen Personalmangels aber nur schleppend bearbeitet.

Geschlossene Balkanroute

Westlich von Griechenland griff die Küstenwache vor der Insel Kefalonia am Montag 58 Migranten auf, die auf dem Weg nach Italien waren. Am Vortag hatte die Küstenwache 19 Migranten südlich der Hafenstadt Kalamata entdeckt, die ebenfalls nach Italien wollten. Die Migranten seien Kurden und Iraker, berichtete der Sender ERT.

Mit von Schleppern organisierten Überfahrten aus Griechenland oder der Türkei direkt nach Italien versuchen Migranten die weitgehend geschlossene Balkanroute zu umgehen und auf diesem Weg nach Westeuropa zu gelangen. (APA, 3.9.2019)