Mit wachsendem Wohlstand verändern sich auch die Todesursachen, wie zwei aktuelle wissenschaftliche Analysen gezeigt haben.

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An Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben weltweit die meisten Menschen, rund 40 Prozent aller Todesfälle gehen auf das Konto von Herzinfarkt und Co. Auf hochindustrialisierte, wohlhabende Länder trifft das allerdings nicht mehr zu, dort sterben mittlerweile rund doppelt so viele Menschen an Krebs wie an kardiovaskulären Leiden. Das ist das zentrale Ergebnis von zwei Berichten, die nun in der medizinischen Fachzeitschrift "Lancet" veröffentlicht wurden.

In der sogenannten prospektiven Pure-Studie analysierten Forscher die Daten von knapp 163.000 Menschen im Alter zwischen 35 und 70 Jahren aus 21 Ländern und über einen medianen Zeitraum von 9,5 Jahren (zwischen 2005 und 2016). Üblicherweise werden solche Studien retrospektiv, also im Nachhinein, durchgeführt. Die untersuchten Länder können nach ihrem Wohlstand in drei Gruppen eingeteilt werden. Die vier Länder mit dem höchsten BIP waren Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kanada und Schweden. In der Gruppe der Staaten mit mittlerem Einkommen befanden sich etwa Polen, Kolumbien, China und Argentinien, die Gruppe der ärmsten Länder machten Tansania, Bangladesch, Indien, Simbabwe und Pakistan aus.

Es zeigte sich, dass in Ländern mit geringen Einkommen die Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen etwa 2,5-mal so hoch ist wie in reichen Ländern. Dieses Ergebnis mag zunächst paradox klingen, denn Übergewicht und Adipositas – die zu den größten Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen zählen – sind in armen Nationen deutlich weniger stark ausgeprägt als in westlichen Industrieländern. Die Studienautoren führen das Ergebnis darauf zurück, dass die Qualität der Gesundheitsversorgung und der Zugang zu Medikamenten sowie Arztpraxen und Spitälern in armen Ländern deutlich geringer ist als in wohlhabenden. Zudem ist der Anteil der Raucher in ärmeren Ländern signifikant höher als in reichen.

Wohlhabend versus arm

Auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen entfielen in den vier reichen Staaten rund 23 Prozent der Todesfälle, auf Krebs etwa 37 Prozent. In den zwölf Staaten mit mittlerem Einkommen waren 41 Prozent der Mortalität auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen und 30 Prozent auf Krebserkrankungen. In den fünf Staaten mit dem geringsten BIP betrug der Anteil der Herz-Kreislauf-Leiden an der Gesamtsterblichkeit rund 43 Prozent, die Krebssterblichkeit lag bei etwa 17 Prozent.

Weltweit wurden 2017 rund 55 Millionen Todesfälle registriert. 17,7 Millionen davon waren auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen. Das dürfte sich aber in den kommenden Jahrzehnten – gemäß der Entwicklung in den reicheren Staaten – ändern. "Die Welt erlebt einen neuen epidemiologischen Übergang hinsichtlich nichtübertragbarer Krankheiten", sagt Hauptautor Gilles Dagenais von der Laval University in Quebec, Kanada.

Das Risiko beeinflussen

Besonders für Herzinfarkt und Schlaganfall als häufigsten Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind zu einem großen Teil klassische Risikofaktoren verantwortlich: So sind etwa sechs Prozent der dadurch verursachten Todesfälle in den reichsten Staaten auf Bluthochdruck zurückzuführen, in Ländern mit mittlerem BIP und bei den ärmsten Staaten sind es hingegen um die 13 Prozent. Rauchen bedingt in den reichsten Staaten etwa acht Prozent der Herz-Kreislauf-Todesfälle, in den Staaten mit mittlerem BIP etwa zwölf Prozent und in den ärmsten Ländern etwa 18 Prozent. Die Forscher betonen, dass etwa 70 Prozent der Todesfälle durch kardiovaskuläre Ereignisse mit beeinflussbaren Risikofaktoren – etwa Lebensstil, psychosoziale Gesundheit oder Umweltverschmutzung – assoziiert sind.

Wie sehr die Menschen in den ärmsten Staaten benachteiligt sind, zeigen folgende Zahlen, so die Studienautoren: "Die Gesamtmortalität in den Staaten mit niedrigem BIP lag bei 13,3 Todesfällen pro 1.000 Lebensjahre doppelt so hoch wie in den Staaten mit mittlerem Bruttoinlandsprodukt (6,9 Todesfälle pro 1.000 Lebensjahre) und viermal höher als in den reichsten Staaten (3,4 Todesfälle pro 1.000 Lebensjahre)."

In Österreich dominieren Herz-Kreislauf-Leiden

Die Forscher betonen, dass von den Ergebnissen der 21 Staaten nicht auf alle Länder weltweit geschlossen werden kann. Zudem enthalte die Pure-Studie keine Daten über West- und Nordafrika sowie über Australien.

In Österreich sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen weiterhin die häufigste Todesursache. 2018 starben hierzulande laut Statistik Austria 83.975 Personen. Bedingt durch die stetig steigende Lebenserwartung erliegen sowohl Männer als auch Frauen häufiger Krankheiten, die im Alter vermehrt vorkommen. Die häufigsten Todesursachen waren Erkrankungen des Kreislaufsystems (38,9 Prozent) und Krebs (24,5 Prozent), auf sie entfielen damit knapp zwei Drittel der Sterbefälle. (red, APA, 3.9.2019)