Das Wiener Kunsthistorische Museum ist ab November Arbeitsstätte von Eike Schmidt.

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Kunst und Kultur als Spielball der Politik: Das gab es, auf die eine oder andere Weise, immer schon. In der von Italien exerzierten Deutlichkeit überrascht es dann doch. Wem auch immer im Zuge der aktuellen Regierungsverhandlungen das zuständige Ministerium zufällt, für eine Reihe von deutschen und öster reichischen Museumsdirektoren ändert das nichts mehr.

Sie wurden direkt oder indirekt dazu gezwungen, ihre beruflichen Zelte abzubrechen. Etwa Peter Assmann, Leiter des Museums Palazzo Ducale in Mantua, der ab November die Geschäftsführung der Tiroler Landesmuseen übernimmt. Weiters Peter Aufreiter, der von der Galleria Nazionale delle Marche in Urbino mit Jänner 2020 an die Spitze des Technischen Museums in Wien wechselt.

Peter Aufreiter wechselt von Urbino ans Technische Museum in Wien. Derzeit arbeitet er noch an einer großen Ausstellung zu Raffael.
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Und dann wäre da noch Eike Schmidt, der – trotz anhaltender Mutmaßungen in lokalen italienischen Zeitungen – nach vier Jahren in Florenz Ende Oktober das Kunsthistorische Museum (KHM) übernimmt, wie er jetzt einmal mehr auf STANDARD-Anfrage bestätigt. Vergangenen Herbst hatten italienische Medien berichte für Irritationen gesorgt. Demnach liebäugle Schmidt mit einem Verbleib in Italien, schon seiner privaten Verbundenheit zu Florenz wegen. Er sei falsch zitiert worden, stünde dem KHM und dem Kulturministerium im Wort, dazu habe es seitens Italien kein Angebot für seine Vertragsverlängerung gegeben, erläuterte er damals.

Eike Schmidt lebt gerne in Florenz. Dort steht er den Uffizien vor. Obwohl er ab November zum Direktor des Wiener Kunsthistorischen Museums bestellt wurde, liebäugelte er mit einem Verbleib am Arno. Erst vor drei Wochen soll es ein Angebot für eine Vertrags verlängerung in Florenz
gegeben haben. Schmidt dementiert.
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Einem aktuelleren Bericht des Corriere Fiorentino zufolge soll Eike Schmidt jetzt quasi in letzter Minute doch der Verbleib in Florenz angeboten worden sein. Das sei reine Spekulation, die er nicht weiter kommentieren wolle, erklärt er. Er werde Ende Oktober nach Wien übersiedeln.

Vorbildlich, aber abgesetzt

Cecilie Hollberg, eine deutsche Kollegin vor Ort, blickt dagegen in eine unsichere Zukunft. Bis vergangene Woche leitete sie die Gallerie dell’Academia in Florenz, die gemäß der Ende August in Kraft getretenen Reform in den Verwaltungsbereich der Uffizien wechselte. Hollbergs Vertrag wäre jedenfalls bis Ende November gelaufen, dazu habe man ihr eine Verlängerung in Aussicht gestellt, wie sie im Gespräch mit dem Handelsblatt betonte. So vorbildhaft ihre Bilanz im Hinblick auf Einnahmen (eine Steigerung um zwei Millionen in drei Jahren) und die Steigerung der Besucherzahlen um 22 Prozent auf 1,7 Mio. auch waren, am Ende waren sie nicht von Belang. Anfang August wurde sie telefonisch über ihre vorzeitige Entlassung informiert.

Ein fragwürdiger Stil, der Kritiker der italienischen Kulturpolitik allerdings kaum verwundert. Kaum war die Fünf-Sterne -Bewegung in der Regierung und hievte mit Alberto Bonisoli im Juni 2018 einen der ihren in das Amt des Kulturministers, stand eine mit "Prima L’Italia" verknüpfte Nationalisierung auf dem Programm.

Damit war die von seinem sozialdemokratischen Vorgänger Dario Franceschini betriebene Internationalisierung, im Rahmen derer Direktorenposten an Nichtitaliener vergeben wurden, vom Tisch.

"Ausländer nicht mehr erwünscht"

"Italiener zuerst" gelte auch für museale Personalpolitik, ließ Bonisoli unmissverständlich durchblicken. "Wir Ausländer sind nicht mehr erwünscht", brachte es Peter Assmann jüngst in einem Spiegel-Interview auf den Punkt.

Peter Assmann leitete ein Museum in Mantua, im November wechselt er nach Innsbruck. "Wir Ausländer sind in Italien nicht mehr erwünscht", sagt er.
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Der 56-jährige gebürtige Tiroler ortet in Italien einen wachsenden Nationalismus, der eindeutige Parallelen zum Faschismus aufweise. Er erlebe dort "eine Zentralisierung der Politik, wie wir sie aus diktatorisch oder autokratisch regierten Staaten kennen". Unter Franceschini gab es Bestrebungen zur stärkeren Autonomie von Regionen und damit lokalen Institutionen. Unter Bonisoli war das schnell Geschichte.

"Der pure Hass"

Dass 20 der demnächst zu besetzenden Direktorenstellen im Kulturbereich international ausgeschrieben wurden, hält er für reine Show. Das wisse man in der europä ischen Museumslandschaft, weshalb es nur wenige ausländische Bewerbungen gebe. Die grundsätzliche Skepsis gegenüber "den fremden Eindringlingen" sei seiner Meinung nach "nie gewichen und kommt nun klar zum Vorschein". Und Assmann hat ein Beispiel parat: Hermann Nitschs Gastspiel in Mantua im heurigen Frühjahr.

Die Reaktionen auf diese Ausstellung hätten seine Vorstellungskraft gesprengt. "Nitsch schlug der pure Hass entgegen. Der eine hässliche Österreicher hole den anderen hässlichen Österreicher in den Palazzo Ducale", schildert Assmann die Stimmung rückblickend. Das besondere Übel daran: Die Polemiken seien nicht aus den Reihen der üblichen Verdächtigen gekommen, sondern aus dem staatlichen Kulturbetrieb. (Olga Kronsteiner, 3.9.2019)