In der Klimapolitik ist eine supergroße Koalition eine g'mahte Wiesn. Kein Blatt Papier passt zwischen ÖVP, SPÖ und FPÖ, wenn es gilt, das Publikum einzulullen. Das einhellige Versprechen: Wir retten euch vor der Klimakatastrophe – und niemandem wird's wehtun.

Eine CO2-Steuer, um fossile Brennstoffe zu verteuern, damit die Bürger weniger Auto fahren oder auf umweltfreundlichere Heizsysteme umsteigen? Nur keine Strafen, tönt es in Türkis, Rot und Blau. Stattdessen sollen es diverse Förderkonzepte richten, garniert mit dem ewigen Glauben an die technologische Rettung. "Wir müssen uns von alten Denkmustern lösen", antwortete FPÖ-Chef Norbert Hofer als Verkehrsminister einmal auf die Frage, wie sein Ruf nach Tempo 140 auf Autobahnen zum Klimaschutz passe: "In Zukunft werden wir mit Wasserstoff fahren."

Der Verkehrslawine, die stetig mehr Treibhausgase produziert, ist schwer beizukommen.
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Dass eine flächendeckende Revolution dieser Art ohne rasches Verbot von Verbrennungsmotoren, wie es die Großparteien ja auch nicht wollen, Jahrzehnte auf sich warten lassen wird, unterschlug Hofer – womit über die Schlagkraft dieser Politik auch schon viel gesagt ist. Der Verkehrslawine, die stetig mehr Treibhausgase produziert, ist niemals beizukommen, wenn nicht auch der einzelne Normalbürger von alten Gewohnheiten abrückt. Ausbau der Öffis hin, Belohnungen für den Umstieg her: Viele werden das geliebte Auto erst stehen lassen, wenn die Fahrerei zwangsweise eingeschränkt oder empfindlich teurer wird.

Ökobonus oder Abgabensenkungen

Zumindest in der SPÖ und ÖVP – und das macht die Linie der Bundesparteien umso ärgerlicher – gibt es Politiker, denen das im Grunde längst klar ist. Um den Verkehrsinfarkt zu verhindern, haben rotgeführte Stadtregierungen Wien nach und nach zur kostenpflichtigen Kurzparkzone gemacht – ohne dafür mit dem nassen Fetzen aus dem Amt gejagt worden zu sein. Mittlerweile gerieren sich auch Bezirksvertreter der ÖVP, die das Parkpickerl früher gern als Abzocke verdammt haben, als Anhänger.

Natürlich sind solche Ideen keine aufgelegten Wahlkampfschlager. Doch von Parteien mit Regierungsanspruch darf schon verlangt werden, auch einmal für unpopuläre Maßnahmen zu werben – zumal die Debatte in Zeiten, wo das Klima zum Thema Nummer eins avancierte, keinesfalls aussichtslos ist. Experten liefern reihenweise Argumente gegen soziale Bedenken: Die CO2-Steuer könnte üppig mit Ökobonus oder Abgabensenkungen kompensiert werden, ohne dass der Anreiz verloren geht.

ÖVP, SPÖ und FPÖ lieben allerdings simplere Erzählungen. Die Sozialdemokraten etwa packen einmal mehr das Klischee des geschundenen Pendlers aus, obwohl ein nicht kleiner Teil davon aus gut verdienenden Speckgürtelbewohnern besteht. Kein Wunder, dass führende Klimaökonomen eine "Schein- und Showpolitik" attestieren und sich mit den Grünen verbünden. Es gab Wahlkämpfe, da warben Kandidaten damit, die geballte Expertenschaft an ihrer Seite zu haben. In der Klimapolitik haben die Großparteien den Rückhalt der Fachwelt weitgehend verloren. (Gerald John, 3.9.2019)