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Robert Holzmann hat sich bei seinen Antrittsinterviews kein Blatt vor den Mund genommen. Für einen Notenbanker eher unüblich artikulierte er im ORF seine Unzufriedenheit mit der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Dass der oberste Euro-Währungshüter Mario Draghi trotz Nullzins über weitere Stimuli nachdenkt, geht dem neuen Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank ordentlich gegen den Strich.

"Ich bin skeptisch gegenüber einer weiteren Ausweitung der Geldmenge, einer Senkung des Einlagezinssatzes", sagte der auf einem FPÖ-Ticket in die Notenbank eingezogene Ökonom. Noch bemerkenswerter war sein Nachsatz in der ZiB Sonntagabend. "Wenn, sollte es eher in die andere Richtung gehen." Damit outet sich der Österreicher selbst unter den Falken als Ausreißer, meint der EZB-Experte in der Frankfurter Deka-Bank, Kristian Tödtmann, im Gespräch mit dem STANDARD. Zuvor hatten schon andere Verfechter einer Hartwährungspolitik die neuen Lockerungsübungen Draghis hinterfragt.

Straffere Geldpolitik

Zu ihnen zählen der niederländische Notenbankchef Klaas Knot, sein deutscher Kollege Jens Weidmann und die EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger, die sich alle gegen einen allzu tiefen Griff ins geldpolitische Arsenal aussprachen. Doch hat keiner der Falken – so nennt man Anhänger einer straffen Geldpolitik – in den letzten Monaten einer Zinsanhebung das Wort geredet. Das blieb dem Neo-Ratsmitglied Holzmann vorbehalten.

Seine genannten Mitstreiter wollen tendenziell verhindern, dass die EZB das Programm zum Ankauf von Staatsanleihen hochfährt. Der Widerstand gegen eine weitere Zinssenkung hält sich hingegen in Grenzen. Sie sehen das Drehen am Einlagenzinssatz als geringeres Übel als den Erwerb von Staatsanleihen und anderen Papieren an, weil letzteres Instrument von Kritikern als verbotene Hilfe für Euro-Mitgliedsländer erachtet wird. Von dem her beurteilt der Volkswirt Tödtmann Holzmanns Äußerungen als "befremdlich", weil eine Zinswende gar nicht zur Diskussion stehe.

Spaltung in der EZB

Das ändert freilich nichts daran, dass Holzmann die Situation Draghis und seiner designierten Nachfolgerin Christine Lagarde, die im November übernehmen soll, nicht gerade erleichtern wird. Beide sehen die Notwendigkeit gegeben, sich mit neuen Maßnahmen gegen die Abkühlung der Wirtschaft und sinkende Inflationsraten zu stemmen. Im Juli verkündete der Italiener, entsprechende Optionen ausarbeiten zu lassen. Nun gelten Beschlüsse oder konkrete Ankündigungen bei der nächsten EZB-Sitzung am 12. September als wahrscheinlich. So dürfte der Strafzins auf Guthaben der Banken bei der Zentralbank von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent gesenkt werden.

Noch strittiger ist eben die Ausweitung der Wertpapierkäufe. Zwar hat die EZB den Neuerwerb von Staats- und Unternehmensanleihen ausgesetzt, der Bestand bereits übernommener Papiere liegt dank der Reinvestition auslaufender Schuldverschreibungen aber weiterhin bei 2,6 Billionen Euro.

Nachdem die Äußerungen von Knot und anderen Kritikern bereits gezeigt hatten, dass die Meinungen in der EZB weit auseinandergehen, könnte Holzmann Draghi noch stärker in die Bredouille bringen. Sehr zur Freude der Sparer, die ihre Guthaben schon seit Jahren dahinschmelzen sehen. (Andreas Schnauder, 3.9.2019)