Irgendwas ist da schiefgelaufen. Egal wie schlecht die Sozialdemokraten auch abschneiden, nach einer Landtagswahl gibt es normalerweise für die Spitzenkandidaten am nächsten Tag im Willy-Brandt-Haus Blumen – auf offener Bühne, um zu zeigen: Wir stehen hinter euch.

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An ihnen führt kein Weg vorbei, glauben die AfD-Politiker Alexander Gauland, Andreas Kalbitz und Jörg Meuthen (von rechts). Die AfD kann sich über massive Zuwächse freuen.
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Doch der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke und Sachsens SPD-Mann Martin Dulig gehen zunächst leer aus. Manuela Schwesig, eine der drei kommissarischen SPD-Vorsitzenden, hat nichts mitgebracht außer mittelprächtige Laune.

Der Absturz in Sachsen auf den tiefsten Wert, den die SPD je bei einer Landtagswahl erreicht hat (7,7 Prozent), ist ein Schock. "Ich bin traurig und enttäuscht", sagt Dulig. Immerhin kann Woidke etwas zur Erhellung der Stimmung beitragen. "Dass wir es noch geschafft haben, verdanken wir einer großen Gemeinschaftsleistung", betont er. Noch vor einigen Wochen lag die SPD in Umfragen hinter der AfD, gleichauf mit CDU und Grünen. Doch dann schaffte sie doch noch Platz eins.

Woidke liest daraus durchaus eine Handlungsoption für den Bund heraus: "Ich stand immer für die große Koalition, das ist auch ein Ergebnis für die große Koalition. Die Menschen in Brandenburg haben sich entschieden für Verantwortung."

"Wir müssen liefern"

Das sieht der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach anders. Er ist einer der Bewerber für den SPD-Vorsitz und sagt: "Die Groko schadet mittlerweile allen außer der AfD. Wir verlieren nur wertvolle Zeit."

Doch Schwesig will den Blick jetzt zunächst auf die inhaltliche Arbeit richten: "Von gestern lernen wir, dass es nicht reicht, die Wahlergebnisse der AfD zu beklagen, sondern wir müssen viel vor Ort sein, und wir müssen jetzt liefern." Sie fordert nun rasch die Grundrente für Menschen, die trotz langer Arbeitszeit nur auf niedrige Zahlungen im Alter kommen: "Die Grundrente ist die Antwort auf soziale Verwerfungen nach der Wende." Auch Dulig betont, dass diese Leistung "750.000 Menschen in Ostdeutschland hilft".

Wenig später erklärt CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer dazu: "Wir wollen eine Lösung." In den nächsten Wochen solle in der Koalition eine "wirklich gute, zielführende und vertretbare Lösung" ausgearbeitet werden.

"Nicht einfacher Wahlsonntag"

Das Problem dabei: Ein Gesetzesentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) liegt seit Monaten vor. Aber Union und SPD streiten über eine mögliche Bedürftigkeitsprüfung. Die Union will sie, die SPD nicht.

Auch Kramp-Karrenbauer spricht von einem "nicht einfachen Wahlsonntag" und sieht "ein schwieriges Ergebnis". Wie die SPD verlor auch die CDU massiv, in Sachsen jedoch konnte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sich mit seiner Partei auf Platz eins behaupten. Das, lobte Kramp-Karrenbauer, sei allein Kretschmer zu verdanken. Sie räumte auch ein, dass die CDU in den vergangenen Monaten über manche Hürden "nicht so elegant" gegangen sei – "auch ich persönlich".

Tiefe Enttäuschung

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) rät seiner Partei zu einem Kurswechsel. "Es gelingt uns nicht, einen Teil der Menschen gerade in den neuen Bundesländern an uns zu binden", sagte er. "Wir haben es zweifellos mit einer tiefen Enttäuschung zu tun, die man nicht durch ein, zwei schnellere Maßnahmen aus der Welt bekommt."

Kramp-Karrenbauer kündigte die Fortsetzung des Reformkurses an. Nach dem Werkstattgespräch zur Asylpolitik soll es jetzt eines zur Klimapolitik geben.

Einmal mehr betonte sie, dass die CDU für eine Koalition mit der AfD nicht zur Verfügung stehe. In Sachsen könnte es eine "Kenia-Koalition" aus CDU, SPD und Grünen geben, in Brandenburg ist ein rot-rot-grünes Bündnis möglich – oder ebenfalls "Kenia". Ministerpräsident Woidke will diese Woche noch mit der CDU reden.

AfD-Chef Alexander Gauland glaubt nicht, dass seine Partei noch lange von Koalitionsgesprächen ausgeschlossen werden kann. "Wir bestimmen die Themen im Lande", sagt er und ist zuversichtlich, dass sich "mittelfristig eine bürgerliche Mehrheit durchsetzen kann".

Zu den großen Verlierern in Sachsen zählt übrigens auch die ehemalige AfD-Chefin Frauke Petry. Sie erreichte mit ihrer neuen "blauen Partei" nur 0,4 Prozent der Stimmen. (Birgit Baumann, 2.9.2019)