Im Gastkommentar widmet sich die Soziologin Karin Scaria-Braunstein den Geschlechterrollen in Gabaliers Songs: Auch wenn die Darstellung der Frau oft kritisiert wird, jene des Mannes findet wenig Beachtung. Sie ist ebenso problematisch, findet Scaria-Braunstein.

Andreas Gabalier, der selbsternannte Volks-Rock-'n'-Roller, füllte am Samstag das Wiener Ernst-Happel-Stadion, schwärmt von Bergbauernbuam, Bergkameraden, Heimatsöhnen, feschen Madln, Zuckerpuppen und Stewardessen. Die Geschlechterbilder in den Liedtexten sind dabei im Bildnis markant different beschrieben. Während der Mann in heroischen Farbschattierungen ausgeschmückt wird, bleibt die Frau ein gewöhnliches, wenngleich gemeines und sexualisiertes Wesen. Das zeigt eine geschlechterspezifische Analyse von sieben Liedtexten.

Der Musiker Andreas Gabalier verklärt Geschlechterrollen.
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Die Bergbauernbuam sind als geschnitztes Element (Holz) Teil der Naturordnung. Sie leben in tiefer Verbundenheit mit der Heimat. Darüber hinaus aber sind sie eine Volkserzählung und über die Gotteserzählung gestellt. Die Bergbauernbuam sind ein Mythos, ein Heldenepos, gekennzeichnet durch Stärke und das Bildnis des Stiers. Die Erzählung der Bergbauernbuam ist eine existenzielle Feststellung; sie sind, wie sie sind, unveränderlich.

Mein Bergkamerad ist einer der besonders nachdrücklich kritisierten Texte. Die Grundlage dieser Ideenpyramide bildet eine männliche Gegenseitigkeit: sich zu brauchen, zuzuhören, zu verstehen. Diese Kameraden müssen voreinander nichts verheimlichen, sie sind ehrlich, aufrichtig. Und sie halten zusammen, ein Leben lang, auch in stürmischen Zeiten. Sie berühren das Herz, sind einander Brüder und erobern gemeinsam den Gipfel, an dem das Eiserne Kreuz prangt.

Insbesondere im Aufbau der letzten drei Ebenen verbergen sich problematische Zusammenhänge. Das Herz, die Treue, das Blut – Stichwort Blut-und-Boden-Ideologie – und das Eiserne Kreuz, unter anderem Kriegsauszeichnung im Nationalsozialismus, führen zwangsweise zu einer einschlägigen Deutung. Und das transportierte Männerbild verbindet sich damit.

Auch in Heimatsöhne werden ähnliche Begrifflichkeiten und Zusammenhänge bemüht wie in "Mein Bergkamerad". In diesem Liedtext stehen der Boden, der Ursprung, die Wurzeln, die Erde am Fuße des Ideenbildes. Das ist die Basis für den Fleiß der Männerhände, das harte Handwerk ist in ihnen angelegt, fließt in ihrem Blut. Die Söhne der lieben, schönen Heimat sind sich ihrer Endlichkeit bewusst. Sie stehen zu ihrem Wort, verschmelzen mit der Heimat, mit dem Himmel, sind Adler und besitzen das höchste Gut: die Freiheit.

Verklärtes, altes Frauenbild

In Zuckerpuppen wird die sexuelle Ordnung aus der "guten Alten Zeit" mit Rollenbildern der 1950er-Jahre beschworen. Mädchen haben eine konkrete Absicht und demonstrieren diese Absicht über ihr Äußeres, über optische Reize. Röcke (Petticoat) etwa üben hierbei eine eindeutige Signalwirkung aus.

Diesem Äußeren beziehungsweise diesen speziellen Faktoren des Äußeren werden sexuelle Handlungsbereitschaften zugeschrieben. Etwa über die Farbe Rot oder das Lutschen von Eis. Die Naturlogik ist, dass Männer diesen Reizen verfallen und es zu sexuellen Annäherungen unbedingt kommen muss. In diesem Ideenbild hat die sexuelle Ordnung vergangener Tage das höchste Ideal, der dekorative Aufputz der Frauen bereitet dafür die Grundlage.

Die feschen Madln sind von einer grundlegenden Sehnsucht nach dem wahren Mann durchflutet. Dafür würden sie alles geben. Sie sind von diesem Lebensziel sowohl körperlich als auch emotional gefangen. Auch hier verläuft die Sexualisierung unter anderem über die Farbe Rot. Der Mann hingegen weiß über seinen natürlichen Trieb Bescheid – er steht fest in dieser Welt – und küsst die Frau aber auch, weil sie das denn so dringend braucht. Sie ist aufgrund ihrer weiblichen Eindimensionalität stets für ihn bereit, sie will und braucht das – ihn.

Meine Stewardess beschreibt das Frauenbild bereits besprochener Liedtexte ein weiteres Mal, fügt aber ein konkretes Attribut hinzu. Die ideale Frau ist in diesem Lied zuallererst und epochal die Dienende. Gekleidet im Bügelfaltenrock vergangener Tage ist sie gesund, besitzt einen kessen Augenaufschlag und ein liebliches Gesäß. Sie ist sodann aber vor allem untreu. Der Mann wird geschlagen zurückgelassen: der Mann als Opfer.

In Dahoam wird das Bodenständige beschworen, kulinarische Genüsse, natürliche Schönheit. Volkstümliche Musi(k) verbindet die Menschen, die auch zu feiern wissen, ganz traditionell, etwa am Kirtag. Alles läuft dann zusammen zu einer bodenständigen und zugleich feierlichen, volkstümlichen Sexualität, in der "Hiatamadln" und "Bergbauernbuam" sich vereinen.

Die Frau ist die Dienende, ihr ganzer Lebenssinn ist – gemäß einem verklärten Ideal vergangener Tage – der Mann, sie ist vornehmlich gekennzeichnet durch ihren optischen Reiz. Die Frau bleibt in den Texten einfältig und eindimensional stehen: nicht selbstreflektiert, durchaus durchtrieben, aber ohne ehrvollen Plan, ohne Bewusstsein und ohne Werthaltungen – jedenfalls nicht über das Sexuelle hinausgehend. Sie ist stets willig und fordert es heraus. Ihre Welt ist von der Sehnsucht nach dem wahren Mann bestimmt.

Der unveränderliche Mann ist verwurzelt mit der Heimat, er ist Teil der Naturschöpfung und -schönheit, seine Brüderlichkeit ist beschrieben durch gegenseitiges Verständnis. Er ist an und für sich schon eine existenzielle Feststellung. Er besitzt das höchste Ideal, die Freiheit, ist mit der Heimat auf ewig verbunden. Seine Werte sind heroisch. Der Mann ist treu, aufrichtig, sorgend, reif und gestanden. Nur die Frau kann ihm etwas anhaben, wenn er seinen natürlichen Trieben ausgeliefert ist, dann ist er das Opfer der Frau. Und dennoch – oder gerade deshalb: Er ist gottgleich. Ein lebender Mythos.

Naturgegebene Ideale

Während Gabalier vor einigen Wochen versuchte, sich vom Verdacht der Homophobie freizuschaufeln, bleiben die kategorischen Geschlechterbilder standhaft und unhinterfragt bestehen. Diese spezifische Idee einer volkstümlichen Sexualität ist in beiden Versionen – der weiblichen wie der männlichen – zu diskutieren. Denn während Gabalier oftmals hinsichtlich der Darstellung der Frau in seinen Liedern kritisiert wird, erfährt die problematische Darstellung des Mannes im Gesamtbild bislang wenig Beachtung.

Das Aufzeigen der Ideenbilder verdeutlicht gerade in der Gegenüberstellung die Misere: Was Frauen abgesprochen wird, wird den Männern draufgeschlagen. Er changiert zwischen Kamerad und Opfer, sie zwischen Dienerin und Schlampe. Die Kluft ist riesig. Die Ideale werden als naturgegeben und unveränderlich beschrieben, in einer biologistischen sowie gleichzeitig mythologischen Er- und Verklärung. Hier kommen zwei Argumentationslinien zusammen, die – gepaart mit der Logik der Tradition – ein unangreifbares Weltbild propagieren. (Karin Scaria-Braunstein, 3.9.2019)