Luigi Di Maio musste zwar auf den Posten des Vizepremiers verzichten, kann aber dennoch zufrieden sein.

Foto: APA/AFP/ANDREAS SOLARO

Rom – 79.634 eingeschriebene Mitglieder der Fünf-Sterne-Partei hatten das Schicksal Italiens in der Hand – und 79 Prozent von ihnen haben sich für eine Koalition mit dem sozialdemokratischen Partito Democtratico (PD) und damit gegen Neuwahlen ausgesprochen. Das teilte die Internetfirma Casaleggio & Associati am Dienstagabend mit – sie betreibt die Plattform "Rousseau", auf der das Online-Votum stattgefunden hat.

Der geschäftsführende Premier Giuseppe Conte wird somit am Mittwoch bei Staatspräsident Sergio Mattarella vorsprechen und ihm seine Ministerliste vorlegen. Die Vereidigung des neuen Kabinetts könnte bereits am Nachmittag oder am Donnerstag erfolgen. Am Freitag oder Samstag müsste sich die Regierung noch den Vertrauensabstimmungen im Senat und in der Abgeordnetenkammer stellen.

ORF

Machtwort von Grillo

Die Internetabstimmung der Fünf-Sterne-Basis war der letzte Stolperstein, an dem die neue Regierung noch hätte scheitern können. Die vorletzte Klippe war 24 Stunden davor umschifft worden: Der Politikchef der Fünf Sterne, Luigi Di Maio, hatte am Montagabend erklärt, dass er nun doch nicht neuerlich Vizepremier werden wolle. Mit seinem Beharren auf dem Posten im Regierungspalast hatte der 33-Jährige bisherige Arbeits- und Wirtschaftsminister die Koalitionsverhandlungen an den Rand des Scheiterns gebracht. Es bedurfte eines Machtworts des Gründers der Protestbewegung, Beppe Grillo, um ihn zur Räson zu bringen.

Di Maio, der offensichtlich der alten Koalition mit der rechtsnationalen Lega von Matteo Salvini nachtrauert, torpedierte die ohnehin schon schwierigen Verhandlungen mit dem PD zusätzlich durch ständig neue Forderungen. So hatte er zunächst zehn Programmpunkte aufgelistet, die "nicht verhandelbar" seien; einige Tage später verdoppelte er deren Zahl auf 20. Das Vorgehen hatte nicht nur beim künftigen Koalitionspartner PD, sondern auch in den eigenen Reihen Unmut ausgelöst. Es ist hauptsächlich der Geduld von PD-Chef Nicola Zingaretti und dem Verhandlungsgeschick Contes zuzuschreiben, dass die Verhandlungen nicht scheiterten.

Die Diskussionen über die Prioritäten und Maßnahmen der neuen Regierung dürften noch eine Weile andauern: Die Fünf Sterne haben im Rahmen der Abstimmung zwar den Entwurf eines Programmpapiers mit 26 Punkten auf ihre Internet-Plattform gestellt – doch das meiste davon ist noch reichlich schwammig. So ist zum Beispiel noch nicht klar, ob in der zentralen Frage der Migration Salvinis Politik der geschlossenen Häfen aufrechterhalten bleibt.

Kein politischer Selbstmord

Zumindest im Grundsatz einig sind sich die neuen Regierungspartner darin, dass ein Mindestlohn eingeführt und die Zahl der Parlamentarier verringert werden soll. Die Fünf Sterne haben zudem durchgesetzt, dass keine neuen Müllverbrennungsanlagen gebaut werden dürfen – trotz des eklatanten Müllnotstands in Rom und anderswo.

Nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses ging am Abend ein hörbares Aufatmen durch die Reihen der Fünf-Sterne-Parlamentarier. Im Fall eines Neins der Basis wären Neuwahlen fällig geworden, und angesichts der aktuellen Umfragen hätten von den insgesamt 323 Senatoren und Abgeordneten der Protestbewegung mehr als die Hälfte ihren Sitz im Parlament räumen müssen. Das war auch der Grund, warum das Ja zur neuen Regierung aus Fünf Sternen und PD nicht wirklich überraschend kam: "Die werden nicht Selbstmord begehen", prophezeite der frühere Premier und PD-Chef Matteo Renzi – und er sollte recht behalten. (Dominik Straub aus Rom, 3.9.2019)