"Außerhalb des Hauptplatzes ist die Heimatstadt mehr oder weniger ebenfalls am Ende."

Foto: Christian Schachinger

Wenn man es endlich auf den Hauptplatz der Heimatstadt geschafft hat, ist es auch nicht besser geworden. Mit dem neumodischen Einbahnsystem verhält es sich ein bisschen so, als ob man den Minotauros aus dem Labyrinth von Knossos auf eine Innviertler Schnitzeljagd ins Herz der Finsternis schicken würde.

Dort wohnen Häuser in Pastellfarben, in denen man alles kaufen kann, was es auch in der Großstadt gibt. Die Filialen hier sind aber kleiner. Alles ist jedenfalls sehr sauber. Es wirkt extrem unbewohnt. Wenn es wo schön und sauber ist, stören die Menschen.

Man möchte heulen

Vom ersten Stock des Apothekerhauses aus hat übrigens beim Einmarsch der Amis 1945 der Apotheker noch wegen des Endsiegs auf den Feind mit einer Büchse hinuntergeprackt. Daraufhin kartätschte ein Panzer aus Übersee ein Loch in das Haus und machte den Apotheker weg. Ob das wirklich stimmt, weiß man nicht so genau. Mein Vater hat oft ein wenig dick aufgetragen.

Unten am Hauptplatz parken immer noch Autos. Es gibt jede Menge schicke kleine Resopallokale, die Mahagoni vortäuschen. Das sind keine Wirtshäuser, es gibt aber trotzdem etwas zu trinken. Eines nennt sich "Tiroler Bua". Man möchte heulen.

Heimat als Simulation

Außerhalb des Hauptplatzes ist die Heimatstadt mehr oder weniger ebenfalls am Ende. Beim alten Nazionkel im Haus befindet sich jetzt statt seiner Bäckerei ein Shisha-Lokal. Okay, das ist lustig. Im Garten des Elternhauses haben sie die Bäume wegrasiert und einen Wohnblock in die Wiese gestellt. Vor dem Wohnblock parken schwarze deutsche Autos, die man in Wien als Kebapschleudern bezeichnet.

Statt dem alten Stammlokal, in dem wir Anfang der 1980er-Jahre mit Punk und New Wave in Berührung kamen, steht da jetzt gar kein Gebäude mehr, sondern ein Parkplatz. Das Haus der Urgroßmutter ist einer Tankstelle gewichen. Das Straßenbild erinnert überhaupt sehr an die Simulation einer Heimatidylle, die auf einer Kombination von Baumarkt und Trachtendiskonter beruht.

Bevor einer zu jodeln und juchatzen begann, habe ich mich in meinem asiatischen Kübel wieder auf den Autobahnzubringer gehaut. Time to say goodbye. (Christian Schachinger, 4.9.2019)