Bernd Liepold-Mossers "Die Ratten" von der vorigen Saison wird im Theater an der Gumpendorfer Straße wieder aufgenommen.

Foto: Anna Stöcher

Wien – Das Wiener Theater in der Gumpendorfer Straße (TAG) geht in eine ungewisse personelle und finanzielle Zukunft. Die beiden Geschäftsführer Gernot Plass und Ferdinand Urbach beklagen die immer prekärer werdende Finanzlage des Hauses. Ob ihre 2021 auslaufenden Verträge verlängert werden oder eine neue Leitung berufen wird – neue Rahmenbedingungen seien überfällig.

"Wir sitzen in der Grube und das Wasser steigt weiter", sagt Plass. Dabei kann der künstlerische Leiter auf in allen Belangen gestiegene Kennzahlen verweisen: 16.500 Besucher sorgten im TAG in der Vorsaison für 74 Prozent Auslastung und 23 Prozent Eigendeckung. Dass man seit langem auf die stetig größer werdende Schere zwischen steigenden Lohnkosten und nicht angepassten Subventionen verweise, habe bisher keinerlei Ergebnis gebracht. "Unsere Betriebe sind so nicht mehr zu führen. Das ist noch nicht begriffen worden", verweist Plass auf das Problem, das die meisten kleineren Kunst- und Kulturinstitutionen betreffe. Im Frühjahr habe es einen Kongress zum Thema "Fair Pay" gegeben, der gänzlich folgenlos geblieben sei.

Steuerprobleme

Im Gegenteil: Die kommende Saison habe man nur durch einen teilweisen Lohnverzicht der beiden TAG-Geschäftsführer sicherstellen können. "Natürlich könnte man das künstlerische Personal abbauen und nur noch Monologe und Zwei-Personen-Stücke spielen. Aber das wäre nicht mehr unser Konzept eines Ensembletheaters." Fünf Schauspieler sind derzeit im Jahresvertrag am TAG beschäftigt, wo man sich auf Überschreibungen und Dramatisierungen klassischer Stoffe sowie die Pflege von professionellem Improvisationstheater konzentriert.

Bei einer Steuerprüfung hat sich zudem eine neue Front aufgetan, die Plass und Urbach Sorgen bereitet. Auch nach der von der Gemeinde Wien geforderten Umstellung von einem Verein auf eine gemeinnützige GmbH hatte man weiterhin auf Abführung der Kommunalsteuer verzichtet. Eine Rechtsansicht, die laut Experten zwar vor dem Verwaltungsgerichtshof halten könnte, derzeit aber vom Finanzamt nicht geteilt wird. Sollte tatsächlich rückwirkend bis 2014 Kommunalsteuer zu zahlen sein, wäre dies für das TAG ruinös, sagen die Geschäftsführer. "Wir prüfen die Sache derzeit nach allen Seiten und sind in Gesprächen mit unseren Eigentümern, unserem Wirtschaftsprüfer, unserer Steuerberatung, externen Experten und anderen Institutionen. Wir versuchen dabei die rechtliche Situation zu klären, so dass auch alle Haftungs- und Regress-Fragen sicher zu beantworten sind", schildert Urbach den Ernst der Lage.

Programm u. a. mit Mattuschka

Da scheint es zu passen, dass die erste Produktion der neuen Saison den Untertitel "Die Auferstehung" trägt. Avantgarde-Filmerin Mara Mattuschka widmet sich in ihrer zweiten Arbeit am TAG Oscar Wildes Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" und hat für ihre Überschreibung "einen sehr verzwirbelten, witzigen Plot" (Plass) entwickelt: Das anstelle des Porträtierten alternde Bild existiert wirklich und soll sich in Wien befinden. Der Kunstmarkt steht Kopf. Premiere ist am 19. Oktober.

Ab 30. November konkurriert das TAG erneut mit dem Burgtheater: In der vergangenen Saison spielte man parallel zu Andrea Breths "Die Ratten"-Produktion Bernd Liepold-Mossers freie Inszenierung desselben Stücks (die ab 18. September wieder aufgenommen wird), nun hat Gernot Plass – wie Simon Stone beim großen Bruder – eine "Medea"-Version entwickelt und zu Euripides und Grillparzer auch noch Ingmar Bergmans "Szenen einer Ehe" eingeflochten.

Am 11. Februar 2020 hat Thomas Richters freie "Reigen"-Bearbeitung Premiere (Regie: Dora Schneider), mit der man der Sexualität des 21. Jahrhunderts auf die Spur kommen will. Am 13. März kommt als Kooperation mit der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien das Chorstück "Nach Hause" nach "Draußen vor der Tür" von Wolfgang Borchert zur Uraufführung (Regie: Michael Keller). Die letzte Eigenproduktion soll Ende April herauskommen und erst kurzfristig entschieden werden. Je nach politischer Entwicklung möchte man hier aktuell reagieren. Das könne von Shakespeare'schen Königsdramen bis zur Dramatisierung der Bundesverfassung gehen, hält sich Plass alle Optionen offen.

Alles offen – das gilt auch für die TAG-Zukunft. "Wir wollen von der Stadt Wien im September hören, was sie mit dem Haus vorhat", sagt Urbach. Wenn die Stadt wolle, dass das Leitungsteam weitermache, dann brauche es allerdings faire finanzielle Rahmenbedingungen. Konkret: ein Viertel mehr als bisher. Etwas weniger als 1,1 Mio. Euro sei die Mindestfördersumme für das bisherige Konzept am bisherigen Standort. "Sonst können wir es nicht mehr verantworten." (APA, 3.9.2019)